Wie gut sind deutsche Banken? „Die Sparkassen bilden eine Art Kartell“

Quelle: dpa

In einer wieder zurückgezogenen Studie motzt ein Deutsche-Bank-Analyst über den hiesigen Bankenmarkt. Der Finanzprofessor Jan Pieter Krahnen erklärt, warum er die Kritik teilt – und was er an den Sparkassen bemängelt. 

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Die Deutsche Bank hat vor wenigen Tagen eine aufsehenerregende Analystenstudie zur hiesigen Finanzbranche veröffentlicht: Der Verfasser zog nicht nur über die Finanzaufsicht BaFin her, sondern prangerte an, wie der Bankenmarkt strukturiert ist. Inzwischen hat die Deutsche Bank das Papier von ihrer Webseite gelöscht. Jan Pieter Krahnen arbeitet als Professor für Kreditwirtschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ist Direktor des Leibnitz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe. 

Herr Professor Krahnen, ein Analyst der Deutschen Bank hat in einer Studie die Struktur des hiesigen Bankenmarktes beklagt. Er besteht aus Privatbanken wie der Deutschen, den Genossenschaftsinstituten und den Sparkassen. Hat der Autor recht?
Krahnen: Ja, die Kritik ist absolut berechtigt. Unsere Banken verdienen kaum Geld und sind wenig innovativ – anders als die Wettbewerber in anderen europäischen Ländern. Die Finanzbranche ist einer der ganz wenigen Sektoren, in denen wir Deutsche keinen Fuß auf den Boden kriegen. Mit Biontech haben wir ja mittlerweile selbst im Biotech-Bereich ein Vorzeige-Unternehmen zu bieten. Wir müssen uns fragen, warum unser Geldsektor so schwach aufgestellt ist. Mich überzeugt am ehesten die Hypothese, dass dabei unser sogenanntes Drei-Säulen-Modell aus Privat-, Genossenschaftsbanken und Sparkassen eine Rolle spielt.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken existieren auch in anderen Ländern. Warum ist das deutsche Modell besonders?
Weil der Staat in Gestalt von Kommunen und Ländern eine herausgehobene Position einnimmt: Er steht nicht nur hinter den Sparkassen, sondern auch den Landesbanken, die zum Sparkassen-Sektor dazugehören. Einen so großen Staatseinfluss leistet sich sonst eigentlich kein EU-Staat: Selbst Italien, Spanien und Frankreich haben ihre Sparkassen schon vor vielen Jahren aufgebrochen. Der große Staatseinfluss führt für die Konkurrenten zu einem Problem: Sparkassen und Landesbanken können prinzipiell mit niedrigeren Preisen als Privat- und Genossenschaftsbanken leben. Sie stehen weniger unter Druck, Gewinne zu erzielen.

Privatbanken wie die Deutsche Bank schimpfen regelmäßig über die Sparkassen: Ist das nicht bloß eine Masche, um von den eigenen, seit Jahren ungelösten Problemen abzulenken?
Ja, das ist es sicherlich auch zutreffend. Wir müssen uns aber fragen, warum die ihre Probleme nicht gelöst kriegen. Das liegt nicht nur, aber auch daran, dass der Wettbewerb so stark ist, dass die Preise für Bankdienstleistungen wegen der Sparkassen und Landesbanken so niedrig sind. Hinzu kommt: Staatliche Interventionen verhindern, dass sich die Branche von selbst konsolidiert, weil die Politik wiederholt die Rettung von Banken der Abwicklung vorgezogen hat.

Der Staat hat unter anderem die Commerzbank und die Landesbank Nord/LB gestützt.
Ja. Es sieht so aus, als würden wir nur darauf warten, dass stärkere und innovativere ausländische Institute die deutschen schrittweise verdrängen. Das zeigt sich vielleicht daran, dass unsere Geldmanager insbesondere für ihre Schrumpfkuren gefeiert werden – anstelle phantasievoller Erneuerungsstrategien ihrer Geschäftsmodelle. Die Zunft könnte einmal so enden wie die Autobranche in England: Ja, Aston Martin und Jaguar gibt es dort durchaus noch, aber in dem einst stolzen Autoland kommen heute die meisten Hersteller aus anderen Ländern. 

Ist es so einfach: Sollte sich der Staat aus Sparkassen und Landesbanken zurückziehen?
In einem zweiten Schritt ist das meines Erachtens sinnvoll. Die Frage ist, wie wir dabei vorgehen: Vielleicht können wir die Sparkassen in Genossenschaftsbanken umwandeln, die statt den Kommunen den Bürgern gehören? In einem ersten Schritt würde ich aber das Regionalprinzip abschaffen. 

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Das ist ein Grundpfeiler des Sparkassen-Geschäftsmodells und besagt, dass ein Institut nur in der Region aktiv sein darf, in der es beheimatet ist. Warum halten Sie dieses Prinzip für ein Problem?
Es verhindert, dass die Sparkassen untereinander konkurrieren müssen. Stattdessen bilden sie eine Art Kartell, etwa bei Produkten und Kundengruppen. So eine weitreichende Form der Abstimmung würden wir in anderen Branchen vermutlich so nicht akzeptieren, aber die Politik hat die Sparkassen und Landesbanken umfassend geschützt. 

Der beinharte, auch von den Sparkassen ausgelöste Wettbewerb hat den Vorteil: Die Deutschen müssen kaum Geld für Bankprodukte ausgeben. Warum finden Sie das schlecht?
Sie haben natürlich recht: Die niedrigen Preise sind die Kehrseite der Medaille, aber die Folgen müssen wir im Blick behalten. Auch Verbraucher haben ein Interesse an zukunftsfähigen Banken, die der Staat nicht ständig retten muss. Das geht nur, indem wir unser Drei-Säulen-Modell weiterentwickeln.

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