Wölfe der Wall Street kommen Die Milliardenmaschine Goldman Sachs

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Dänen protestieren gegen Goldman

Doch auch in der neuen, netten Goldman-Fassade tauchen immer wieder Risse auf. Eine Quelle von Unklarheiten bleibt das Beteiligungsgeschäft. Goldman ist einer der größten Private-Equity-Investoren und kämpft gegen die US-Regulierung, die das Geschäft einschränkt. Gleichzeitig umgeht die Bank die Regeln, indem sie etwa in von den Beschränkungen nicht erfasste Immobilienkredite investiert.

Manche Beteiligungen sorgen öffentlich für Ärger. Anfang 2014 protestierten mehr als 200.000 Dänen mit Unterschriften gegen den Verkauf eines staatlichen Energieversorgers an Goldman. Aktuell ist die Bank am Taxikonkurrenten Uber beteiligt, dessen Geschäftsmodell in einigen Ländern gegen Gesetze verstößt.

Bei vielen Entscheidungen bleibt offen, ob sie wirklich aus moralischer Einsicht oder wegen schwindender Profitaussichten fallen. So verkaufte Goldman vor wenigen Tagen die Tochter Metro International Trade. Sie betreibt Lagerhäuser für Rohstoffe wie Aluminium. Kritiker warfen der Bank vor, über verzögerte Auslieferungen den Preis manipulieren zu können. Um das unmöglich zu machen, hatten die Regulierer bereits neue Vorschriften erlassen.

Gut und gierig: Die gut laufende Milliardenmaschine... (zum Vergrößern bitte anklicken)

Goldman gegen Segarra

Die derzeit größte Bedrohung der sauberen Goldman-Welt heißt jedoch Carmen Segarra. Die Amerikanerin besitzt Abschlüsse der drei US-Eliteunis Harvard, Columbia und Cornell und war zuletzt bei der New Yorker Zentralbank Federal Reserve für die Kontrolle der Investmentbank verantwortlich. Heute ist die strebsame, freundliche Arzttochter die wohl bekannteste Quertreiberin der Wall Street.

Segarra hatte als Kontrolleurin Goldman härter angepackt, als ihren Chefs bei der Zentralbank lieb war – und wurde gefeuert. Doch die ebenso zierliche wie kämpferische Segarra dokumentierte die Missstände bei Fed und Goldman penibel und machte ihre Vorwürfe öffentlich.

Sie sollte vor allem untersuchen, wie die Investmentbank mit Interessenkonflikten umgeht. Sie stellte fest, dass es für solche Fälle bei Goldman nicht die vorgeschriebenen internen Richtlinien gab. Zudem habe die Bank der spanischen Santander geholfen, ihre Kapitalbasis besser darzustellen. Statt Lob von ihren Chefs bekam Segarra jedoch den Auftrag, ihre Berichte abzumildern und Goldman künftig nicht mehr so hart anzugehen. Der Deal mit Santander sei „zwielichtig, aber legal“ gewesen, urteilte ihr Vorgesetzter. Nachdem Segarra erwidert hatte, sie werde ihre Meinung nicht ändern, wurde sie gefeuert.

Was die Behörde zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Segarra hatte – in New York ist das legal – etliche Gespräche mit ihren Vorgesetzten aufgezeichnet. Sie zeigen, wie groß die Furcht der Behörde war, Goldman Sachs mit ihrer Kontrolltätigkeit zu verärgern. Just an dem Tag, an dem diese Aufnahmen von US-Medien veröffentlicht wurden, präsentierte Goldman Sachs eine neue Richtlinie für Interessenkonflikte.

Bedenkliche Nähe zwischen Bank und Kontrollbehörde

In der gleichen Woche – Zufall oder nicht – endete ein obskurer Informationsaustausch zwischen einem Mitarbeiter von Goldman Sachs und einem Fed-Mann. Der Banker, der zuvor sieben Jahre bei der Aufsicht gearbeitet hatte, ließ sich von einem seiner Ex-Kollegen über Monate wieder vertrauliche Informationen zukommen. Ob oder wie Goldman diese nutzte, ist nicht bekannt. Nach dem Auffliegen des Lecks wurden beide Mitarbeiter entlassen, nun ermitteln FBI und Staatsanwaltschaft.

Der Fall Segarra und die heimliche Connection zwischen dem Goldman-Mitarbeiter und der Aufsicht belegen eine bedenkliche Nähe, die die Bank zur Kontrollbehörde aufgebaut hat. Überrascht hat das an der Wall Street allerdings die wenigsten. Dass die Aufsicht bei großen Instituten oft Milde walten lässt, ist dort ein offenes Geheimnis. Ein Grund ist, dass Banken an der Auswahl des Führungspersonals selbst beteiligt sind: Viele ihrer Kontrolleure können sie laut Gesetz selbst bestimmen.

Herz der Finsternis? 2010 hat Goldman Sachs die 230 Meter hohe Zentrale in New York City bezogen. Quelle: REUTERS

Es liegt aber auch an der Drehtür zwischen Banken und Aufsicht: Die Behörden kaufen gern Banker ein, weil sie die Fachkenntnisse für die Überwachung mitbringen. Umgekehrt sind erfahrene Aufseher bei den Banken willkommen, denn sie wissen, wen und was die Kontrollbehörden im Visier haben. „Man hat immer geahnt, dass die Aufseher von den Banken gesteuert werden“, sagt der Bestsellerautor und Wall-Street-Kritiker Michael Lewis: „Nun“ – also seit dem Segarra-Fall – „weiß man es.“

Perfekt in dieses Bild passt die Vita des Chefs der New Yorker Zentralbank, William Dudley: Bevor er Börsenaufseher wurde, war er mehr als zwei Jahrzehnte lang Partner, Managing Director und Volkswirt – bei Goldman Sachs.

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