Baumärkte Praktiker droht der Zerfall

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Mit der griffigen Parole warb Praktiker erstmals vor acht Jahren. Anfangs ging die Rechnung auf. Die organisierte Knauserei trieb die Konkurrenz zur Weißglut – und Horden von Schnäppchenjägern an die Praktiker-Kassen. Doch die Kunden gewöhnten sich an die 20-Prozent-Aktionen – und verschoben ihre regulären Einkäufe gezielt auf Rotstifttage. Da der Verkauf von Schleifpapier und Spachtelmasse zu Normalpreisen stockte, griff Werner immer häufiger zur Droge Rabatt.

Die Folgen waren absehbar. Praktikers „Rabatt-Logik hat sich erschöpft“, warnte Handelsexperte Roeb bereits im April 2008 in einem Fachbeitrag und folgerte: „Eine neue Preisstrategie muss her.“ Für Werner, der einst seine Meisterprüfung als Metzger ablegte, muss das so geklungen haben, als solle er Vegetarier werden. Statt die Rabatte sofort zu streichen, reduzierte er nur die Zahl der Aktionstage und verordnete dem Konzern ein Renovierungsprogramm namens Praktiker 2013. Der Prozente-Slogan blieb weiter im Gedächtnis der Konsumenten verankert.

Die Konsequenz: 2010 verlor Praktiker Deutschland 8,4 Prozent Umsatz. Und während Hagebau-Geschäftsführer Michael Baumgardt, zugleich Präsident des Bundesverbands Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte, seiner Branche im ersten Halbjahr „stürmisches Wachstum“ attestiert, melden die 236 heimischen Praktiker-Filialen ohne den Universalrabatt ein Minus von 14,5 Prozent.

Welchen Grund sollten Hobbyhandwerker auch haben, in nachlassfreien Zeiten bei Praktiker einzukaufen?

Ein junger Mann in Arbeitskluft manövriert seinen Einkaufswagen aus dem Obi-Markt in Köln-Buchheim und touchiert fast die Bratwurstbude am Parkplatzrand. Ein paar Feigenbäumchen und Olivenstämmchen ragen aus dem Wagen. Warum er nicht auf der anderen Straßenseite – bei Praktiker – eingekauft habe? „Unübersichtlich, keine Auswahl“, murmelt der Mann hinter seinen Pflanzen und tatsächlich wirkt der Praktiker-Laden im Vergleich zum Obi-Pendant wie ein durcheinandergeratener Werkzeugkasten.

Drinnen zwängt sich eine ältere Dame mit Rollator durch die engen Seitengänge, vorbei an vollgepackten Regalen. Nach gut 15 Minuten endet die Irrfahrt der Seniorin in Gang 44 bei den Wanneneinlagen aus Gummi. Ihr Weg nach draußen dürfte mindestens genauso lange dauern. Schließlich bleibt selbst in der samstäglichen Haupteinkaufszeit fast die Hälfte der Kassen geschlossen. Ähnlich spärlich sind die Informationsschalter besetzt. Wer Glück hat, erwischt einen gehetzten Mitarbeiter, der Fragen zum Sortiment mit dem Zuruf einer Gangnummer beantwortet: Baumarkt-Bingo.

Dabei lautete eines der Ziele des mit McKinsey-Beratern aufgesetzten 2013- Programms, mehr Ordnung und Übersicht in die Praktiker-Märkte zu bringen. Ein Kundenlotse soll – zumindest theoretisch – am Eingang den Weg zum richtigen Bohrer weisen. Serviceangebote wie Holzzuschnitt, Farbmischstationen oder Transportauto-Verleih, andernorts Standard, sollten endlich flächendeckend installiert werden. Als Dübel-Dorado feierte Praktiker im September 2010 denn auch das nach eigener Darstellung „runderneuerte Flaggschiff“ in Saarbrücken, das zum Prototyp für den Umbau erkoren wurde.

Klobürsten für Einsteiger

Doch was an ausgewählten Standorten funktioniert, erweist sich in der Fläche als schwierig umzusetzen. Zum einen hat Praktiker Deutschland in den vergangenen Jahren reichlich Personal abgebaut, das nun für die Serviceoffensive fehlt. Zum anderen zimmerte sich das Management die Kette in den Neunzigerjahren vor allem durch Übernahmen zurecht, wie aus Roebs Studie hervorgeht. So firmieren heute ehemalige Märkte von Realkauf, Wirichs, Spar und Extra unter dem Namen Praktiker. Entsprechend unterschiedlich fallen Bauzustand und Filialgrößen aus, was die Aufräumarbeiten erschwert. Der neue Praktiker-Chef Fox wird sich das Netz daher genau ansehen. Vor allem in Ostdeutschland könnten zahlreiche Schließungen anstehen, wenn teure Mietverträge auslaufen, heißt es intern.

Beim Aufbau einer neuen Preisstruktur geht das Unternehmen systematischer vor. So sollen das Preisbrecher-Label Budget für Einsteiger, die Eigenmarke Praktiker als Mittelklasse-Variante und die sogenannte Meister-Qualität für Profis alle Preisstufen abdecken. Selbst Klobürsten für Einsteiger (1,49 Euro), Praktiker (2,99 Euro) und Meisterschrubber (3,99 Euro) zieren bereits Plakate in den Märkten.

Allein, den Kundenschwund können die Preisarrangements bisher nicht stoppen. Es „wurde deutlich, dass sich die Kunden an Veränderungen im Marktauftritt erst gewöhnen müssen“, heißt es im jüngsten Quartalsbericht.

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