Baustoffe Wie der Gipsgigant Knauf gegen Krise und Klagen kämpft

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Desaster in den USA

Knauf Gips Grafik

Härter zu kämpfen haben die Knaufs mit den Rechtshändeln in den USA. 2005 und 2006 hatte die chinesische Knauf-Tochter KPT schwefelwasserstoffhaltige Trockenwände in die USA geliefert. Hauskäufer klagten danach über Gestank, Kopfschmerzen und Probleme mit Elektroleitungen. Klägeranwalt Ervin Gonzales beziffert die Schäden auf drei bis fünf Milliarden Dollar. Das sei eine Fantasiezahl, sagt Jörg Scharnow, in der Knauf-Geschäftsleitung zuständig für Recht und Personal. Jetzt verhandelt ein Bundesgericht in New Orleans eine nationale Sammelklage für 2500 Kläger.

Unbeteiligte Anwälte schätzen das Risiko aus der Klage für Knauf zwar als ernst, aber nicht existenzbedrohend ein. Ein neutrales Gutachten zeige, dass es nicht um Gesundheitsschäden gehe, sondern um eine Sanierung der betroffenen Häuser. Selbst Zahlungen von 100.000 Dollar pro Kläger könne das schuldenfreie Unternehmen verkraften.

Angesichts der geballten Bedrohungsfront helfen die Knauf-Vettern jetzt ihren Nachfolgern, das Unternehmen durch den Sturm zu steuern. Mit Knauf-typischem Unterstatement klingt das so: „Wir sind etwas häufiger im Büro als ursprünglich geplant“, sagt Baldwin Knauf. Die Cousins nutzen wie seit 41 Jahren das gemeinsame Büro in der Iphöfer Zentrale. Die Knauf-Patriarchen arbeiten mit Blickkontakt, die Schreibtische stehen gegenüber. „Das beschleunigt die Entscheidungsfindung “, sagt Nikolaus Knauf.

Die beiden handeln im Gleichtakt; ein Kopfnicken, eine Handbewegung oder ein Halbsatz genügt oft zur Verständigung. Von ernsthaften Streitigkeiten wissen Knauf-Insider nicht zu berichten.

Edelmann Nikolaus....

Dabei könnten die Vettern unterschiedlicher nicht sein. Nikolaus, schlohweißes Haar, im grünen Janker, könnte als Landadeliger durchgehen. Der 73-Jährige betont seine lothringische Herkunft, liebt die französische Sprache und Kultur. Seit knapp zwölf Monaten ist er Mitglied des Lenkungsrats, der den Bundeswirtschaftsminister bei der Vergabe von Fördergeldern und Bürgschaften des Firmen-Rettungsfonds berät. Auch als Diplomat ist Nikolaus aktiv: Seit 1999 ist er Honorarkonsul von Russland.

Dazu passt der Wohnsitz: In den Siebzigerjahren erwarb Nikolaus Knauf im Nachbarort Markt Einersheim das Schloss derer von Rechteren-Limpurg-Speckfeld. Vor dem Schloss nimmt er im September zum Kirchweihfest die Huldigungen und Hochrufe der Schützen entgegen. Einen Tag später empfängt er die Burschenschaft, einen jahrhundertealten Zusammenschluss der wehrfähigen Jungmänner, die heute noch in fränkischer Tracht oder je nach Charge im Gehrock und Zylinder antritt. Ganz nach der Art eines Landedelmanns liebt Nikolaus die offene Rede. Da fallen auch mal Worte wie „Quatsch, totaler Unsinn“ – der Ältere der beiden Vettern ist der Impulsivere.

...und Zahlenmensch Baldwin

Baldwin Knauf ist zögerlicher, sucht manchmal nach Worten, bevor er spricht. In seinem dunklen Anzug wirkt der Jüngere städtischer, ein wenig wie der Finanzchef eines größeren Mittelständlers. Ein Schloss würde nicht zu ihm passen. Baldwin wohnt am Rande der Iphöfer Weinberge in einem modernen Haus.

Die Vettern – beide sind regelmäßig in der Sonntagsmesse ihrer katholischen Heimatgemeinde zu sehen – scheinen Kraft aus ihrer fränkischen Wahlheimat zu schöpfen. Dank der Gips-Könige gehört Iphofen zu den reichsten Gemeinden in Bayern: Zwei Drittel der Steuereinnahmen kommen von Knauf. Weder das Jugendzentrum noch das Winzerhaus, das Hallenbad, der propere mittelalterliche Stadtkern sowie die herausgeputzte Stadtbefestigung wären ohne sie denkbar.

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