Berater Christian Veith "Musterbeispiel für die ganze Welt"

Der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Boston Consulting Group über die längerfristigen Folgen der Katastrophen in Japan und die Euro-Krise

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Christian Veith

Herr Veith, in Japan sind die Folgen von Erdbeben, Tsunami und Atom-Katastrophe noch nicht überwunden. Fabriken stehen still, weltweit gibt es Lieferengpässe. Gefährdet das den Aufschwung? Veith: Nein, das glaube ich nicht. Die Lieferprobleme werden die Produktion einiger Unternehmen zeitweise beeinträchtigen und damit zu – in Einzelfällen gravierenden – Einbußen führen. Aber das wird die Weltwirtschaft nicht abwürgen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Wirtschaft selbst Mega-Ereignisse relativ schnell verarbeiten kann. Auch der Konjunktur in Deutschland wird die Katastrophe in Japan nicht schaden.  Aber Japans Konkurrenzfähigkeit leidet. Veith: Die Folgen von Erdbeben und Tsunami werden die Japaner relativ schnell verarbeiten. Anders sieht es mit dem Atomunfall aus. Der Ausfall der Fukushima-Meiler wird vermutlich für längere Zeit zu Engpässen bei der Stromversorgung und damit zu Produktionsausfällen in energieintensiven Branchen führen. Es wird einige Zeit dauern, bis die Lücke über Energiesparprogramme und neue Kraftwerke geschlossen werden kann. 

Gibt es Krisengewinner? Veith: Nachhaltige Veränderungen in der relativen Wettbewerbsfähigkeit von Industrien oder gar Ländern sind nicht zu erwarten. Sicher werden bestimmte japanische Unternehmen wie etwa Toyota für eine gewisse Zeit Produktionsprobleme und Lieferausfälle haben. Das wird sich in den Ergebnissen der kommenden Quartale niederschlagen und kurzfristig anderen Herstellern zugute kommen. Ich bin aber davon überzeugt, dass die japanische Industrie und vor allem die Unternehmen mit starken Positionen in den Weltmärkten die Krise rasch bewältigen. 

Wenn in Europa Fließbänder still stehen, weil japanische Zulieferteile fehlen,  müssen die Unternehmen ihr Liefer‧kettenmanagement überdenken. Ist die internationale Arbeitsteilung jetzt tot? Veith: Ganz sicher nicht, eher wird der Einkauf noch globaler werden, um die Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen und Regionen zu vermindern. Aktuell sorgt ja nicht nur Japan für Verunsicherung in der Weltwirtschaft. Viel mehr Sorgen bereiten mir die politischen Umwälzungen in Nordafrika und das Konfliktpotenzial im Nahen Osten. Unsicherheit gibt es auch in vielen GUS-Republiken. Das Problem des internationalen Terrors ist ebenfalls ungelöst. Welche Lehren sind daraus zu ziehen? Veith: Wir müssen damit leben, dass die politische Stabilität und die Konstanz der wirtschaftlichen Entwicklung, wahrscheinlich endgültig vorbei sind. Regierungen wie Unternehmen müssen stärker in Szenarien denken, um auf unterschiedliche Entwicklungen vorbereitet zu sein.

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