Beraterbranche Stress für Marktführer McKinsey

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Roland-Berger-Boss Schwenker Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Was Mattern wirklich Kopfzerbrechen bereiten müsste: „Die aggressivere Wachstumspolitik hat BCG zwar auch leichte Einbußen bei der Kundenzufriedenheit beschert, McKinsey aber hat im selben Zeitraum noch mehr verloren und ist weiter hinter BCG zurückgefallen“, sagt Experte Fink. Bei der jüngsten Befragung, die von Januar bis Mai 2007 lief, lag McKinsey zwar in der Teilgruppe der Vorstände und Aufsichtsräte nach wie vor deutlich vor BCG, „aber deren Berater“, so Fink, „haben einen großen Vorteil, der ihnen immer mehr zuspielt – ihre soziale Kompetenz und kommunikative Art überzeugt Manager auf allen Hierarchiestufen“. Bei den budgetverantwortlichen Bereichsleitern rangieren die Bostoner deshalb vor McKinsey, die auf der Ebene der Projektleiter häufig tiefe Unzufriedenheit hinterlassen.

Im Windschatten dieses Duells haben sich zwei Wettbewerber nach vorn gearbeitet, die Branchenkenner noch vor Jahren zu Underdogs oder sogar Todgeweihten erklärt hatten: Roland Berger und Bain & Company. Fink: „Das sind die lachenden Dritten.“ Wie viele andere Beratungshäuser haben die beiden Aufsteiger im Reputationsranking die Krisenjahre seit 2001 und den jüngsten Aufschwung genutzt, um ihr Profil zu stärken, die Qualität zu verbessern und gute Leute an Bord zu holen.

„Roland Berger legte die beeindruckendste Imagesanierung in eigener Sache hin“, sagt Fink. Als Deutschland-Chef Burkhard Schwenker 2004 das Ruder übernahm, hatte Berger vor allem mit riesigen Qualitätsproblemen zu kämpfen. Folglich waren auch die Kundenzufriedenheitswerte eher mau. „Roland Berger scheitert an der Globalisierung und bringt in den USA nichts zustande“, lästerte die Presse damals. „Wir wissen gar nicht, wo Roland Berger seinen Umsatz hier in Deutschland herholt, bei Pitches treffen wir die jedenfalls immer seltener“, ätzte ein Konkurrent.

Tatsache ist: Schwenker musste das Büro in San Francisco schließen und die New Yorker Dependance verkleinern. Übrig blieb Detroit mit den Spezialisten für die Automobilindustrie. Zwar ist eine Strategieberatung ohne starkes US-Geschäft eigentlich nicht global präsent, doch Schwenker kam zu dem Schluss: „Wir können nun mal nicht überall gleichzeitig wachsen“, und konzentrierte seine Kräfte auf Asien, Europa – hier besonders in Mittel- und Osteuropa – sowie den Mittleren Osten. Mit Erfolg: 2007 steigerte Berger seinen weltweiten Umsatz mit rund 2000 Mitarbeitern – darunter 1300 Berater – von 555 auf mehr als 600 Millionen Euro. Besonders im Ausland soll das Geschäft gut laufen, das räumen sogar seine Wettbewerber ein.

Auch Bergers Werte in puncto Kundenzufriedenheit können sich sehen lassen, was vor allem mit einer Qualitätsoffensive zusammenhängt, die der Berger-Boss schon kurz nach seinem Amtsantritt in Angriff nahm. Schwenker ließ Kunden die Qualität seiner Beratertruppen bewerten und trennte sich gezielt von Mitarbeitern, die schlechter abgeschnitten hatten. Heute wird die Qualität regelmäßig nach jedem Projekt zeitnah von nicht direkt beteiligten Beratern aus den eigenen Reihen überprüft. „Diese Qualitäts-Checks entwickeln wir laufend weiter“, sagt Schwenker.

Im Ausland setzt er wieder auf Expansion: Im Frühjahr hat Berger Büros in Istanbul, Casablanca und Chicago eröffnet: „Der US-Markt ist wichtig, und wir werden uns dort weiter verstärken.“ Zur Entwicklung in Deutschland gibt sich Schwenker eher zugeknöpft: „Wir sind hier im vergangenen Jahr um zehn Prozent gewachsen. Genaue Länderergebnisse geben wir aber nicht bekannt, um unsere Wettbewerber nicht schlauer zu machen“, so die offizielle Begründung. Die Imagewerte lassen aber den Schluss zu, dass die Marke Roland Berger nach wie vor große Strahlkraft hat.

Beim Wachstum die Nase weit vorn hat Franz-Josef Seidensticker, Deutschland-Chef von Bain & Company. Das Unternehmen verbucht seit 2002 Jahr für Jahr ein zweistelliges Umsatzplus. Das war nicht immer so: Kurz nach seinem Amtsantritt musste Seidensticker Zweifler schon mal selbst durch die Büros der Bain-Zentrale am Münchner Stachus führen, um zu beweisen, dass es das Unternehmen noch gab. Heute kommt Bain hierzulande auf einen Umsatz von 191 Millionen Euro und gehört mittlerweile zu den führenden Adressen unter den deutschen Strategieberatern. Geschafft hat Seidensticker den Turn-around mit viel Geld: Das setzte er ein, um bei der Konkurrenz Senior-Berater abzuwerben. „Bain ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Beratung ein Personengeschäft ist“, sagt Experte Fink. „Wenn ein Partner eine Strategieberatung verlässt, nimmt er durchschnittlich 80 Prozent seiner Kunden mit.“

Das dürfte auch der Grund sein, weshalb BCG-Weltchef Bürkner 2006 den langjährigen McKinsey-Direktor und europäischen Teamleiter Bankprivatkundengeschäft, Reinhold Leichtfuß, mit offenen Armen aufnahm, nachdem der bei seinem alten Brötchengeber die Segel gestrichen hatte. Mehrere McKinsey-Berater aus dem Finanzdienstleistungssektor folgten. Für BCG haben sich die Neuzugänge gelohnt: Das für Strategieberater so wichtige Geschäft mit den Finanzdienstleistern brummt – zulasten von McKinsey, die in dieser Schlüsselsparte Mandate an Boston verloren hat. BCG begleitete den Umbau der Deka-Bank, bemüht sich bei der WestLB und hat bei ehemaligen McKinsey-Hochburgen wie Allianz, Postbank und Dresdner Bank Projekte an Land gezogen.

Spitzengruppe

Fehlende Aufstiegsperspektiven können für Beratungsunternehmen zum Problem werden: Die Zahl der für anspruchsvolle Positionen geeigneten Talente ist begrenzt, um den Nachwuchs wird hart gekämpft. Viel schwerer als der Umsatz wiegt für McKinsey deshalb die psychologische Last, in wichtigen Feldern die Deutungshoheit verloren zu haben. So gesehen, erscheint Matterns Verschwiegenheit in einem neuen Licht: Offenbar sieht der McKinsey-Chef die Notwendigkeit, die eigene Marke schützen zu müssen. Ob das Konzept aufgeht, ist nicht sicher: „Wer sich um ein Mandat bei den großen Dax-Unternehmen bewirbt, muss meistens seinen Umsatz angeben“, sagt Fink.

Geheimniskrämerei und das Wirken im Verborgenen gehört zwar zum McKinsey-Image. Aber jetzt sind auch die Mitbewerber alarmiert, weil die Diskussion um die Intransparenz auf die ganze Branche abstrahlt. McKinsey ist für die Beraterzunft das, was Tempo für Papiertaschentücher ist – ein Synonym für die Branche, Imageprobleme bekommen damit eine andere Dimension. In den vergangenen Jahren hat McKinsey immer wieder für Negativpresse gesorgt oder wurde von anderen als Bösewicht in die Schlagzeilen gebracht. Angefangen von Rolf Hochhuths Drama „McKinsey kommt“ bis zur Journalistin Julia Friedrichs, die peinliche Geschichten über Auswahlprozedere und Nachwuchstraining beim Marktführer ausplauderte.

„Früher haben wir immer gedacht, mit vollen Hosen ist gut stinken. Mittlerweile sind wir aber hochgradig besorgt“, meint der Markenverantwortliche einer Top-Beratung. So besorgt, dass er mit Vertretern anderer Großberatungen einen Arbeitskreis „Rettet McKinsey“ gegründet hat. In den nächsten Wochen will man sich zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wie sich das etwas schief geratene Image des Beraterberufs wieder gerade rücken lässt.

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