Bernd Osterloh Volkswagens Vorkämpfer wird 60

Seit elf Jahren ist Bernd Osterloh der mächtigste Betriebsrat der Republik. Nun wird er 60 Jahre alt – fast zeitgleich mit dem ersten Jahrestag der bisher größten Bewährungsprobe für VW.

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„Die letzten zwölf Monate waren einfach nur scheiße.“ Quelle: dpa

Wolfsburg Sätze wie „Ohne den mächtigen Betriebsrat geht bei Volkswagen gar nichts“ hört Bernd Osterloh nicht gerne. Denn darin schwingt auch immer mit, die ungewöhnlich große Mitbestimmung bei VW sei womöglich zu groß - und somit Teil der Probleme bei dem Autobauer.

Osterloh ist Volkswagens oberster Betriebsrat. Er ist 1,90 Meter groß, wiegt 100 Kilo, trägt Glatze und das Herz auf der Zunge. Ein Satz von ihm kann reichen und die Branche horcht auf. Das können nur wenige bei VW für sich beanspruchen. Am 12. September wird Osterloh 60. Aber erste Anflüge von Altersmilde gebe es noch lange nicht, meldet sein Umfeld.

Wie auch, in diesen Zeiten? Abgas-Krise, gewinnschwache VW-Kernmarke, Verluste in Brasilien und Russland - und die Branche befindet sich in einem grundlegenden Wandel: hin zu Elektroautos und autonomem Fahren. Ende September wird die Diesel-Krise ein Jahr lang toben. Osterloh dazu: „Die letzten zwölf Monate waren einfach nur scheiße.“

Ohnehin ist er gerne direkt: Eine „Katastrophenveranstaltung“ seien die USA für VW, sagte Osterloh 2014 über den hinter China weltgrößten Automarkt. Der damalige Konzernchef Martin Winterkorn soll das geschäftsschädigend genannt haben. Osterloh soll entgegnet haben, er könne ja mit der verfehlten Modellpolitik in anderen Märkten weitermachen.

2015, noch vor der Diesel-Krise, holte Osterloh wieder aus: „Mit Stringenz und ein bisschen mehr Disziplin wäre man ohne weiteres in der Lage, noch mehr Effizienz zu finden“, sagte er über die Mühen des Managements für das damals anlaufende milliardenschwere Sparprogramm. „Katastrophenveranstaltung“ hier, „mehr Disziplin“ dort – solche Ansagen brachten Osterloh die Beschreibung „Co-Manager“ ein. In der Branche wird dies durchaus kritisch gesehen. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen etwa hält die Arbeitnehmermacht bei Volkswagen für bedenklich, das System erinnere an einen „VEB VW“.

Osterloh selbst sieht sich allerdings nicht als „Co-Manager“, er betont die Bedeutung der aktiven Mitbestimmung. Je stärker der Betriebsrat, desto besser? Die Wissenschaft hat dafür Indizien: Firmen mit Betriebsräten seien erfolgreicher. Der positive Effekt sei selbst bei einem sehr erfolgreichen Management noch nachweisbar, schrieb jüngst Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Auf jeden Fall redet Osterloh nicht gerne um den heißen Brei herum. Beispiel USA: Dort fehlen VW wichtige Modelle - etwa robuste Pick-ups. Der Markt sollte von Wolfsburg aus verstanden und beglückt werden. „Aber der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, kritisiert Osterloh.

Doch er beherrscht mehr als die „Abteilung Attacke“. Im Landtag in Hannover äußerte sich Osterloh im März nachdenklich zur Abgas-Affäre. VW habe seinen Kompass vernachlässigt, sich an sich selbst berauscht, Haftung verloren, zu vieles nur „ingenieurs-mäßig behandelt“.


„Gehen Sie mit Ihren Leuten doch zu McDonald's”

Bei VW steht Osterloh in den kommenden Wochen im Zentrum wichtiger Weichenstellungen. Das Management um VW-Markenchef Herbert Diess fordert in der Krise harte Einschnitte für die renditeschwache Marke um Golf und Passat. Mehr als 3000 VW-Verwaltungsstellen könnten bis Ende 2017 wegfallen. Ein „Zukunftspakt“, über den derzeit verhandelt wird, soll Spardruck, Renditebemühungen und Zukunftsthemen vereinen mit Sicherheit für die Belegschaft. Diess sagt: „Wir verdienen zu wenig Geld.“ Und Osterloh sagt, dass es trotzdem weder Tarifeinschnitte noch Kündigungen geben werde. Bisher weiß er dabei den Konzernchef Matthias Müller an seiner Seite.

Osterloh argumentiert auch öffentlich gerne, von der absatzstarken, aber gewinnschwachen VW-Marke profitiere der ganze Konzern. Intern soll er noch deutlicher werden, wenn das Management wieder meint, die Kernmarke spiele nichts ein. Dann wettert er, dass in der Wolfsburger Zentrale vom Zaun ums Werk bis zu den Betriebsrestaurants vieles auf der Kernmarke laste. „Gehen Sie mit Ihren Leuten doch zu McDonald's“, soll er einem Top-Manager aus dem Konzern zugerufen haben.

„BO“, wie er bei den Seinen heißt, spricht gerne eine deutliche Sprache. „Ein Entwickler will entwickeln, das sagt ja der Name schon. Der nimmt halt ungern das Teil von einem Kollegen, das es schon gibt“, sagt er über ein VW-Grundübel: Teilevielfalt und Variantenwirrwarr. Im Kampf dagegen verweist Osterloh gerne auf einen „Effizienzordner“ - Ideen der Mitarbeiter brachten schon 700 Millionen Euro Sparvolumen. So hat der VW-Polo nun 20 statt 42 Lenkradvarianten.

Osterloh begann bei VW in den 1970er-Jahren, nachdem er bei Rollei Industriekaufmann gelernt hatte. Der Gewerkschafter begann als Vertrauensmann und wurde 2005 Nachfolger von Klaus Volkert, der wegen der Lustreisen-Affäre zurücktrat. Der Skandal war ein Tiefpunkt für den Betriebsrat und die IG Metall, die 90 Prozent Organisationsgrad bei VW hat.

Wenn Osterloh plaudert, sagt er oft „im Endeffekt“. Er denkt gerne in Ergebnissen: sichere Jobs, gute Arbeit, gesunder Konzern, starke Produkte - und Wiederwahl. Die nächste Betriebsratswahl ist 2018. Eine weitere Amtszeit stehe fest auf seiner Agenda, sagt Osterloh.“ Ende 2015 hätte er VW-Personalvorstand werden können - schlug das aber aus.

Zeit für Entspannung bleibt ihm kaum - wenn, dann mit seiner Familie. Osterloh hat drei kleine Kinder. Der gebürtige Braunschweiger ist Fan des dortigen Fußball-Zweitligisten Eintracht, ebenso hält er dem Bundesligisten und VW-Werksclub VfL Wolfsburg die Treue. Er liebt Italiens Küche, Motorräder und den Golf, den er einst mit baute. Seine Leute nennen ihn ein Arbeitstier - vier Stunden Schlaf reichten ihm. 60 Jahre hin oder her: Der mächtigste Betriebsrat der Republik hat noch viel vor.

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