Bestechungsskandale Bauindustrie bleibt korrupteste Branche

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Gleichzeitig entwickeln sich Bemühungen etwa des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), den Mittelstand – das Gros der Branche – auf Antikorruptionskurs zu bringen, äußerst zäh. Die neuen Skandale machen nur deshalb kaum Schlagzeilen, weil es – wie in Verden an der Aller – nicht um große Namen geht:

Im Mai wurden ein Mitarbeiter des Bauamts im bayrischen Traunstein zu drei Jahren und drei Monaten Haft und ein Bauingenieur aus Bayerisch Gmain zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Der Ingenieur hatte überhöhte Rechnungen gestellt, die der Beamte abzeichnete.Die Staatsanwaltschaften in Wuppertal und Bielefeld durchsuchten im April Wohnungen und Büros von 18 Mitarbeitern aus acht Unternehmen wegen schmutziger Deals mit der britischen Armee, unter anderem bei der Instandsetzung von Kasernen. In Bremen laufen seit März Vorermittlungen gegen mehr als ein Dutzend Straßenbauunternehmen wegen des Verdachts von Gebiets- und Preisabsprachen.In Frankfurt am Main wird noch gegen 18 Beschuldigte ermittelt, die das Möbelhaus Ikea beim Bau neuer Filialen übers Ohr gehauen haben – unter Beteiligung der Ikea-Bauabteilung. 41 Beschuldigte erhielten bereits Strafen, darunter der Seniorchef des heute 5700 Mitarbeiter großen bayrischen Familienkonzerns Max Bögl.Beschuldigte mehrerer Firmen und ein Mitarbeiter des Bauamts in Feldkirchen bei München sollen mit Scheinangeboten die Vergabe von Straßenbauarbeiten manipuliert haben – auch hier laufen Ermittlungen.

Antikorruptionsinitiativen nur mäßig erfolgreich

Wie schwach die Selbstreinigungskräfte der Baubranche sind und wie weit die Realität von den hehren Ansprüchen des im Frühjahr vorgestellten Leitbildes Bau entfernt ist, zeigt sich an den zwei wichtigsten Antikorruptionsinitiativen.

2006 startete unter Regie von Bundesbauministerium und HDB das Präqualifikationsverfahren (PQ). Es verspricht eine Art Persilschein für die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen, wenn sich Unternehmen nach den Regeln des PQ-Vereins zertifizieren lassen. 14 Nachweise, etwa zur Zahlung gesetzlicher Mindestlöhne, zu Einträgen ins Gewerbezentralregister, zur Umsatzentwicklung und zur Steuerabführung sollen Rechtstreue, wirtschaftliche Stabilität und technische Kompetenz nachweisen. Die elektronisch erfassten Daten und Dokumente werden ständig aktualisiert. Fehlt ein Nachweis, wird das Unternehmen aus der PQ-Liste gestrichen.

Anreize sind zu gering

2.250 Unternehmen haben bis heute die PQ-Mitgliedschaft erworben. Klingt viel. Doch PQ-Vorstandsmitglied Eckart Drosse, auch Hauptgeschäftsführer des Bauindustrie-Verbandes Hessen-Thüringen, findet die Zahl unbefriedigend. Denn dem Bauhauptgewerbe gehören rund 75.000 Unternehmen an, hinzu kommen 225.000 Betriebe des Baunebengewerbes: Gerüstbauer, Bauschlosser, viele weitere Gewerke und zudem Statiker, Architekten, andere Freiberufler. Der PQ-Verein hat seine Zielgruppe also nur im Promillebereich erfasst.

Auch die öffentlichen Auftraggeber meiden das zu größerer Transparenz zwingende PQ-Verfahren und bevorzugen lieber ihre gewohnten Hoflieferanten. Von schätzungsweise 50.000 Vergabestellen in Behörden und öffentlichen Einrichtungen von Bund, Ländern und Kommunen sind 1812 beim PQ-Verein registriert – die Einkaufsabteilung der Technischen Hochschule Aachen etwa oder das Sächsische Immobilien- und Baumanagement Zwickau. Drosse weiß: „Dadurch ist der Anreiz für Unternehmen, sich für die PQ-Liste zu qualifizieren, zu gering.“ Denn nur PQ-gelistete Vergabestellen ersparen es den Firmen, bei Bewerbungen um Aufträge mit Bergen von Dokumenten stets aufs Neue Eignung und Zuverlässigkeit nachzuweisen. Hoffnung macht Drosse, dass seit Oktober 2008 Vergabestellen des Bundes Hochbauaufträge ohne oder mit beschränkter Ausschreibung nur noch an PQ-Unternehmen vergeben.

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