Beteiligungsriese Diskrete Herrscher - das Quandt-Imperium

Sie gehören zu den ältesten Unternehmer-Dynastien in Deutschland, doch kaum einer kennt das Beteiligungsgeflecht der Quandts.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Chefin der Quandt Group, Quelle: AP

Einige sagen ihnen einen Hang zu Geheimniskrämerei nach, andere sprechen von nobler Bescheidenheit, wie sie unter Managern von Großkonzernen nur selten zu finden sei. Wie auch immer man die Quandts einordnen mag, die Familie zählt zu den einflussreichsten deutschen Unternehmerfamilien mit milliardenschweren Beteiligungen in Schlüsselindustrien wie die Automobilbranche, neue Energien, Pharmazie und Datenverarbeitung.Die Stärke dieser Familie war es von je, sich nicht auf eine Sparte zu konzentrieren, sondern die Fühler nach allen zukunftsträchtigen Branchen auszustrecken. Die Aktionäre Quandt das sind Johanna Quandt, Witwe von Herbert Quandt und Mutter von Stefan und Susanne.

Die stärkste Bindung hat die Familien zum Autobauer BMW. Herbert Quandt vermachte sein Aktienpakete seiner Frau und den Kindern zu unterschiedlichen Teilen. Derzeit hält Johanna Quandt 16,70 Prozent, Stefan Quandt 17,40 Prozent und Susanne Klatten 12,60 Prozent. Schätzungsweise 365 Millionen Euro flossen im Mai am Tag nach der Hauptversammlung des Autobauers auf die Konten der Familie. Stefan Quandt stehen allein rund 136 Millionen Euro Bruttodividenen aus seinem Aktienpaket zu, Mutter Johanna erhielt rund 130,7 Millionen Euro und Schwester Susanne Klatten 98, 6 Millionen Euro.

Das Quandt-Trio führt damit die Liga der deutschen Ausschüttungsmillionäre und rangiert 2011 weit vor traditionellen Dividenden-Großverdienern wie den mehr als 200 Nachfahren des Siemens-Gründerns Werner von Siemens (141 Millionen Euro) oder den Mitgliedern der Persil-Dynastie Henkel (97 Millionen Euro).

Stefan Quandt – Faible für Logistik

Stefan Quandt, geboren 1966,  ist Wirtschaftsingenieur und Mitglied des Aufsichtsrats der BMW AG sowie Mitglied des Kuratoriums der BMW Stiftung Herbert Quandt. 1993 schloss er sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Karlsruhe mit einem Diplom ab.  Nach einem Praktikum bei der Boston Consulting Group arbeitete er im Bereich Betriebskostenrechnung und Unternehmensbuchführung bei der Datacard Corporation in Minneapolis und danach als Marketingmanager bei Datacard Asia Pacific Ltd. in Hongkong. Seit 1996 ist er als Unternehmer tätig, seit 1997 Mitglied des Aufsichtsrats der BMW AG sowie Mitglied des Kuratoriums der BMW Stiftung Herbert Quandt, außerdem ist er stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Johanna-Quandt-Stiftung und Mitglied des Aufsichtsrats des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Die Delton AG

Stefan Quandt ist Alleinaktionär der Delton AG. Das Unternehmen ist im Bereich Arzneimittel und der Sparte Logistik aktiv. Die Biologische Heilmittel Heel GmbH stellt homöopathische Präparate für Menschen und Tiere her und zählt nach eigenen Angaben zu den führenden Herstellern für naturheilkundliche Arzneimittel in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 1300 Mitarbeiter.

Die Quandt-Erbin Susanne Quelle: AP

Die Logwin AG, eine Gesellschaft nach luxemburgischem Recht bietet Logistik auf dem Luft-, Wasser- und Schienenweg an. Der Konzern wurde 1985 von Günter Thiel unter dem Namen „Thiel Logistik AG“ gegründet. 2002 übernahm Delton die Aktienmehrheit, 2003 schied Thiel nach Meinungsverschiedenheiten aus. Quandt strukturierte den Konzern massiv um. Seit April 2008 firmiert das Unternehmen unter Logwin AG. 2010 beschäftigte das Unternehmen rund 5.700 Mitarbeiter in fast vierzig Ländern und erzielte einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro.

Datacard Corporation

Stefan Quandt ist Vorstandsmitglied der Datacard Corporation, Minneapolis, einem Hersteller von Chipkarten aller Art wie Kreditkarten oder Personalausweise. Das Unternehmen übernimmt auch das Einspeisen der persönlichen Daten der Nutzer. Die Datacard Group setzt nach eigenen Angaben rund 400 Millionen US-Dollar um und beschäftigt mehr als 1.400 Mitarbeiter weltweit. Sie unterhält Niederlassungen und Entwicklungszentren in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Malaysia und den USA

Susanne Klatten und die Altana AG

Susanne Hanna Ursula Quandt, wird am 28. April 1962 geboren. Nach einer Ausbildung zur Werbekauffrau studiert sie Betriebswirtschaftslehre an der University of Buckingham, schließt ein BA-Studium in Lausanne an und lernt schließlich bei einem Praktikum im BMW-Werk Regensburg, das sie unter dem Pseudonym Susanne Kant absolviert, ihren zukünftigen Ehemann Jan Klatten kennen. 1993 wird sie offizielles Mitglied des Aufsichtsrats der Altana AG in Bad Homburg. Nach dem Ende der Auseinandersetzungen um das Erbe Ende der 80er Jahre hatte sie 50, 1 Prozent der Aktien am Unternehmen erhalten. Der Chemiekonzern stellt Spezialprodukten für Lackhersteller, Lack- und Kunststoffverarbeiter, die Druck- und Kosmetikindustrie sowie für die Elektroindustrie her. Er entsteht 1977 aus ausgegliederten Unternehmensbereichen des VARTA-Konzerns, dessen erster Vorsitzender Herbert Quandt ist.

An Naben für Windkraftanlagen Quelle: dpa

Im Jahr 2010 beschäftigt die Altana AG rund 5.000 Mitarbeiter und setzt etwa 1,5 Milliarden Euro um. Er verfügt über 35 Produktionsstätten und 47 Service- und Forschungslaborstandorte weltweit. Allein die Wertsteigerung der Altana-Aktien dürfen das Vermögen von Susanne Klatten, die zu den reichsten Frauen Deutschlands zählt, im Laufe der letzten 15 Jahre um rund vier Milliarden  Euro erhöht haben. Bis 2009 war Altana MDAX-gelistet, dann stockt Hauptaktionär SKion GmbH, dessen Eigentümerin Susanne Klatten ist, seine Anteile von 50,1 Prozent auf 95 Prozent auf (Juni 2010). Damit befinden sich nicht mehr genug Anteile des Unternehmens im Streubesitz, der Chemiehersteller scheidet außerplanmäßig aus dem MDax aus.

Neue Energien - Nordex Windkraft

2008 steigt Susanne Klatten beim Windanlagenhersteller Nordex in Rostock ein. SKion übernimmt ein Aktienpakt im Wert von fast 13.4 Millionen Euro, das entspricht zum damaligen Zeitpunkt etwa 20 Prozent der Stimmrechte. Ehemann Jan Klatten ist seit 2005 an Nordex beteiligt und Mitglied es Aufsichtsrats.  Ende August 2011 stockt die Klatten-Familie ihre Beteiligung auf 24,99 Prozent auf – also knapp unterhalb der Sperrminorität. Nordex beschäftigt 2010 rund 2.400 Mitarbeiter und setzt knapp eine Milliarde Euro um.

SGL Carbon

2009 investiert die Milliardenerbin geschätzte 300 Millionen Euro in eine Beteiligung am Grafit-Spezialisten SGL Carbon. Ihre Beteiligungsfirma Skion kauft rund acht Prozent am Wiesbadener Konzern, der sich auf die Herstellung von Carbon, Grafit und Verbundmaterialien für Anwendungen in unterschiedlichen Industriezweigen spezialisiert hat.

Abnehmer sind unter anderem Flugzeug- und Autobauer, aber auch Hersteller von Solarzellen und Windkraftanlagen. Im Mai 2011 sichert sich Klatten mit fast 27 Prozent der Anteile die Sperrminorität an dem Kohlefaserspezialisten. Sie reagiert damit auf den überraschenden Einstieg des Autobauers Volkswagen  bei SGL Carbon Anfang März 2011. Ein Skion-Sprecher hatte noch im Frühjahr mitgeteilt, man werde die Beteiligung von VW mit „Wachsamkeit und Distanz“ beobachten, externe Gründe für die Aufstockung soll es nicht gegeben haben, vielmehr handle es sich um eine Wertschätzung des Unternehmens. Klatten hat angekündigt ihren Anteil innerhalb der nächsten zwölf Monate weiter auf rund 29 Prozent aufstocken zu wollen, von einer Übernahme ist jedoch nicht die Rede. SGL Carbon beschäftigt 2010 rund 6.200 Mitarbeiter und setzt 1,38 Milliarden Euro um.

Mit seinem Geschäftsbereich Kohlenstofffasern (Carbon) ist das Unternehmen binnen kürzester Zeit zum Schlüssellieferanten für Elektroautos geworden. Prominentestes Beispiel ist die Karosserie, die SGL für den Carbon-Stromer i3 von Partner BMW liefert.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%