Bibel-Spektakel Passionsspiele ohne reiche Gaben

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Das letzte Abendmahl bei den Quelle: APN

Bei Ortsvorsteher Nunn hat sich wegen des schleppenden Verkaufs „eine gewisse Nervosität“ breitgemacht. Er braucht für sein Theater 85 Prozent Auslastung, damit sich die Spiele rechnen. Nun hofft er auf Spätbucher und setzt darauf, dass die Nachzügler wegen der veränderten Spielzeiten über Nacht bleiben. Begann das Bibel-Spektakel früher schon vormittags, startet es jetzt erst um 14.30 Uhr: „Wegen des besseren dramaturgischen Effekts“, so Spielleiter Christian Stückl, wurden Kreuzigung und Auferstehung in die Abendstunden verschoben.

Den Leidensweg Christi auf die Bühne zu bringen ist ein Kraftakt, organisatorisch wie finanziell. Fast der halbe Ort spielt mit – nach dem Gelübde von 1633 darf jeder mitmachen, der hier geboren ist oder seit mindestens 20 Jahren in Oberammergau lebt. Fast ein Jahr dauern die Proben, „viele sparen sich dafür Überstunden oder Urlaub auf“, sagt Nunn.

2300 Mitwirkende

Knapp 32 Millionen Euro kostet die Produktion, zwei Drittel gehen an die 2300 Mitwirkenden: für Hauptrollen wie Jesus oder Judas, sogenannte „Rottler“, die eine Statistenrolle im Volk haben, den 120-köpfigen Chor, die 70 Orchestermusiker, Bühnenarbeiter, Beleuchter oder Platzanweiser. Wer wie viel bekommt, regelt ein komplizierter Schlüssel, dem ein Basishonorar von 16 500 Euro für die gesamte Spielzeit zugrunde liegt. Gezahlt wird nach Wichtigkeit der Rolle: Das einfache Volk bekommt 40 Prozent des Basishonorars, Apostel bis zu 140 Prozent, Jesus das Vierfache.

Mit dem restlichen Drittel des Budgets wurden die übrigen Produktionskosten gedeckt: zum Beispiel für eine Jerusalem-Reise im vergangenen Jahr, mit der sich die 42 Hauptdarsteller innerlich auf das Bibel-Spektakel einstimmten. Oder für die mit einem Zeitvertrag angeheuerten Handwerker, die das neue Bühnenbild bauten oder in der hauseigenen Schneiderei rund 2000 neue Kostüme fertigten. Auch 600 Paar lederne Sandalen aus Israel mussten bezahlt werden. Und last, but not least die Ausleihegebühren für ein Kamel, ein Pferd, einen Esel, jeweils zehn Ziegen und Schafe sowie den Taubenschwarm, der die Tempelszene, in der Jesus die Händler vertreibt, authentisch wirken lassen soll.

20 Millionen plus x

„Finanziert haben wir die Vorabkosten über eine Zehn-Millionen-Bürgschaft des Freistaates“, sagt Bürgermeister Nunn, „den Rest bestreiten wir aus den laufenden Einnahmen.“ Ursprünglich sollten nach dieser Spielzeit wieder 28 Millionen Euro für den Stadtsäckel übrig bleiben. Wegen des schleppenden Verkaufs und der befürchteten Ausfälle bei den Arrangements ist Nunn jetzt vorsichtiger geworden und rechnet nur noch mit „20 Millionen plus x“. Für ihn ist das misslich: Er braucht jeden Euro, um die Folgekosten jener Investitionen abzudecken, die seine Amtsvorgänger aus früheren Passions-Überschüssen bezahlt haben: „Allein unser Freizeitbad macht eine Million Euro Verlust im Jahr, auch die vor zehn Jahren angeschafften Schneekanonen und der Skilift kosten Geld.“

Die Souvenirhändler am Ort hoffen noch auf gute Geschäfte mit den Spielen. 40 verschiedene Artikel werden im Theater, in den Läden, in Hotels und Gaststätten verkauft: Stoffesel, Schlüsselanhänger, Ketten, Kerzen, Wanderstöcke und Mouse-pads. Ob die Händler auch die 20.000 disponierten Decken loswerden, ist allerdings ungewiss: Zwar wird es abends im Theater schon mal empfindlich kühl, aber die einheimischen Gäste wissen das. Hauptzielgruppe für die wärmenden Fleece-Teile sind die Besucher aus den USA – und von denen werden diesmal wohl nicht so viele kommen.

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