
Auf der Herzo-Base hämmern die Handwerker. In dem parkähnlichen Hauptquartier der Adidas-Gruppe entsteht gerade das „Laces“, ein futuristisches dreistöckiges Bürogebäude für 1400 Mitarbeiter. Die sollen hier von 2011 an über Marketingideen brüten. Zwar ist der Bau auf den Hügeln oberhalb des fränkischen Städtchens Herzogenaurach noch ein Rohling. Doch seine Botschaft ist klar: Der Dax-Konzern Adidas wächst an allen Enden. Umsatz und Gewinn sind im ersten Halbjahr 2010 gestiegen, die Schulden deutlich reduziert, die Aussichten gut – von Krise spricht hier keiner mehr.
Zwei Autostunden nordwestlich ist der Optimismus deutlich gedämpfter. Bei der Commerzbank in Frankfurt gibt es allenfalls Lichtblicke. Immerhin hat das teilverstaatlichte Kreditinstitut im ersten Halbjahr wieder 1,1 Milliarden Euro Gewinn erzielt. Das weckt Hoffnung, dass die rund 18 Milliarden Euro Kapital irgendwann zurückfließen, mit denen der Steuerzahler die Bank vor der Pleite bewahrt hat. Bisher hat das Kreditinstitut dafür nicht einmal Zinsen gezahlt.
Wie hoch ist der Preis?
Derzeit wird in Frankfurt über eine Kapitalerhöhung spekuliert, mit der die Bank einen Teil der Staatshilfen zurückzahlen könnte. Mehr als drei Milliarden Euro dürften nach aktuellem Stand aber nicht herauskommen. Ob die Rettung für den Steuerzahler jemals ein gutes Geschäft wird, bleibt mehr als fraglich.
Commerzbank und Adidas sind symptomatisch für die Bewältigung der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte und für die Rechnungen, die entweder beglichen oder noch offen sind. Während viele Finanzhäuser ohne sicher absehbares Ende noch am Staatstropf hängen, jubeln immer mehr Chefs von Industrieunternehmen über volle Auftragsbücher und explodierende Gewinne – bei den Autobauern Daimler und BMW oder beim Chemieriesen BASF.
Zwei Jahre nachdem die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Weltwirtschaft in den Abgrund taumeln ließ, scheint Deutschland mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Das sensationelle Wirtschaftswachstum von mehr als vier Prozent im Frühjahrsquartal und die optimistischen Prognosen von bis zu 3,5 Prozent für 2010 tauchen das Land in beste Konjunkturlaune.
Doch wie hoch war der Preis dafür? Wie viele Milliarden haben die Steuerzahler zur Bekämpfung der Krise investiert, und was hat es gebracht? Wo lauern teure Spätfolgen? Und wie viel haben private Anleger verloren? Es ist Zeit für eine erste Abrechnung, eine vorläufige Bilanz.
Durch die Krise schrumpfte die Wirtschaftsleistung der Industrieländer zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Kampf dagegen steckten Bund, Länder und Gemeinden rund 100 Milliarden Euro an Konjunkturhilfen in die deutsche Wirtschaft – allein 62 Milliarden Euro in Form von zwei Konjunkturpaketen, die die Steuerzahler entlasteten und die private Nachfrage förderten. Hinzu kam ein Rettungsschirm des Bundes für krisengefährdete Unternehmen. Von den geplanten 115 Milliarden Euro für Bürgschaften und Kredite wurden bis Ende August 2010 allerdings erst 18 Milliarden bewilligt, davon 9,1 Milliarden als Kredite. Die Gefahr größerer Ausfälle ist niedrig, denn mit mehr als 16 000 gestützten Unternehmen hat der Fonds eine ausgewogene Risikostruktur. Wegen des geringen Interesses reduziert die Bundesregierung den Gewährleistungsrahmen auf 60 Milliarden Euro. Anträge können nur noch bis Ende 2010 gestellt werden.