Bilanz-Pressekonferenzen Konzernchefs im Sturzflug

Einmal im Jahr stehen Deutschlands Bosse im Rampenlicht. Doch bei der Präsentation ihrer Bilanzen leisten sich einige Dax-Konzerne immer noch grobe Schnitzer. Was alles schief laufen kann, zeigt eine Studie.

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Die Berater von GLH kritisieren die „völlig überfrachteten Bulletpoint-Folie“ des Siemens-Chefs. Quelle: Reuters

Düsseldorf Hans Van Bylen, Henkel-Chef seit Mai 2016, wäre der Fauxpas vielleicht noch nachzusehen. Als gebürtiger Niederländer muss der Manager nicht unbedingt wissen, was Weiberfastnacht im Rheinland bedeutet. Doch Van Bylen dürfte wohl kaum persönlich den Termin zur Bilanzpressekonferenz auf den Donnerstag vor Rosenmontag gelegt haben, ausgerechnet auf den Start in den Straßenkarneval. Ab 11.11 Uhr geht da normalerweise gar nichts mehr am Henkel-Stammsitz Düsseldorf.

Die Journalisten haben das Termindesaster mit rheinländischem Humor genommen. Unverzeihlich dagegen sind andere gravierende Fehler, die selbst den Profi-Kommunikatoren in den führenden Dax-Konzernen immer noch unterlaufen. Für gähnende Vorstände auf dem Podium können sie vielleicht nichts – aber fehlende Stromversorgung für die Jahr für Jahr wachsende Technik der Journalistenschar, drangvolle Enge an den Tischen, langweilige Vorträge und misslungene Präsentationen müssen sie schon auf ihre Kappe nehmen.

Dabei hängt der Erfolg einer Bilanzpräsentation von „Klarheit, Storytelling und einer professionellen Visualisierung ab“, sagt Markus Föderl. Er ist Partner der Beratungsfirma GLH – Centrum für Strategie und höhere Führung und hat zum dritten Mal die Bilanzpressekonferenzen der Dax-Konzerne analysiert. Bestens abgeschnitten hat – wie schon im Vorjahr – der Automobilhersteller BMW, gefolgt vom Chemiekonzern Bayer und dem Softwareunternehmen SAP. Das Schlusslicht heißt Heidelberg Cement.

Bewertet wurde anhand von insgesamt 40 Kriterien wie Aussagekraft der Vorträge, Auftritt des Chefs und des Vorstands, Visualisierung mittels Grafik oder Video, Gestaltung der Presseunterlagen, Organisation der Einzel-Interviews und der Gesamteindruck der Präsentationen.

Frankfurter Wirtschaftsjournalisten zum Beispiel, die sowohl Fresenius als auch Commerzbank besuchten, fanden sich vermutlich in zwei Welten wieder. Bei der Bank herrschte drangvolle Enge, der Platz reichte kaum zum Arbeiten aus. Dialysespezialist Fresenius verwöhnte mit reichlich Platz an Einzeltischen und modernem Design.

Dass Arbeitsbedingungen nicht ganz unwichtig sind – auch für die Frage, wie der Vorstand rüberkommt, zeigt eine Kleinigkeit bei der Bilanzvorstellung des Finanzkonzerns Münchener Rück. Dort hatte ein Journalist mangels Steckdosen ein Stromkabel für sein Notebook so kreativ verlegt, dass Vorstandschef Nikolaus von Bomhard beinahe darüber gestürzt wäre. Das hätte die Pressekonferenz „gesprengt“, schreiben die Bilanztester von GLH.


Siemens erschlägt mit Bleiwüsten

Aber auch bei den Inhalten stimmt es oft nicht, genauer gesagt bei der Präsentation. „Gutes Storytelling“ sei die Ausnahme, sagt Foederl. Infineon habe es zum Beispiel sehr gut verstanden mittels einer ausgestellten Straßenlaterne und einem vom CEO Reinhard Ploss getragenen Bezahl-Ring die Anwendungsfelder der sonst so abstrakten Produkte des Konzerns anschaulich zu demonstrieren. BMW hat seine Botschaft klar rüber gebracht: „Wir greifen (wieder) an“.

Wichtig auch die Visualisierung. Viel ist keineswegs auch gut. Der Immobilienkonzern Vonovia bestach laut Studie durch „äußerst reduzierte“ Präsentation. Bayer lieferte neben journalistischen Headlines meist auch eine Schlagzeile am Schluss. Siemens dagegen erschlug die Zuhörer durch Bleiwüsten. Konzernchef Joe Kaeser habe sein Eingangsstatement mit einer „völlig überfrachteten Bulletpoint-Folie“ kombiniert. Die habe man schon in der ersten Reihe vor dem Podium nicht mehr lesen könne, berichtet Föderl.

In Unterschied zu Analystenkonferenzen böten Bilanz-Pressekonferenzen die Chance, ein breites Medienecho zu erzeugen, sagen die Konferenz-Beobachter. Botschaften müssten deshalb entsprechend aufbereitet werden, zumal Bilanzzahlen durch „konkrete Geschichten“ verdeutlicht werden müssten.

Die Deutsche Post lieferte da in diesem Jahr ein schlechtes Beispiel. Der Bonner Konzern stellte das Ziel einer emissionsfreien Logistik in den Mittelpunkt, färbte sogar das Logo des Unternehmens in Grün. Auf Fragen der Journalisten, was denn darunter zu verstehen sei, sollte Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes Details zur Elektroflotte der Post berichten. Doch Gerdes konterte nur: „Heute ist nicht der Tag um darüber in epischer Breite zu reden.“ Das Ziel des Unternehmens blieb so im Vagen.

Manchmal sind es nur kleine pfiffige Ideen, die auch in schwierigen Zeiten für gute Stimmung sorgen können. Volkswagen hatte seinen W-Lan-Code für die Veranstaltung unübersehbar direkt vor dem Obstkörbchen positioniert. Wo sonst hätte man den Internetzugang für seinen „Apple“ gesucht?

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