
Verglichen mit der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden, die im Neobarock-Gebäude des ehemaligen Hotel Rose würdig residiert, ist die Firmenzentrale des zweitgrößten deutschen Baukonzerns Bilfinger Berger ein Klotz ohne Charme. In dem bescheiden-langweiligen Glasquader in Mannheim hat der freiwillig demissionierte Staatskanzlei-Hausherr Roland Koch heute seinen ersten Tag. Er fängt als Lehrling auf einem einfachen Vorstandsstuhl an und klettert vier Monate auf den Thron des Vorstandsvorsitzenden, weil der noch amtierende Bilfinger-Boss Herbert Bodner in Rente geht.
Koch der Baumeister? Bauriese auf Koch-Kurs? Beides klingt nach Experiment. Folglich scheiden sich die Geister. Die einen – Transparency International etwa – kritisieren nachträgliche Interessenverquickung, etwa weil Bilfinger unter dem Regierungschef Koch einen 80-Millionen-Euro-Auftrag am Frankfurter Flughafen bekommen hatte. Die anderen sehen gerade in der politischen Vergangenheit Kochs eine Chance. Der Wormser Betriebswirtschaftsprofessor Max Otte zum Beispiel hält den Wechsel für sinnvoll, gerade weil Bilfinger „nicht die Wirtschaftskompetenz von Herrn Koch“ einkaufe, sondern „die politischen Kontakte und die Durchsetzungsfähigkeit“.
Spannungsfeld zwischen früherem Amt und neuem Auftrag
Das ist es, woran, die Öffentlichkeit Koch noch lange messen wird: vermutete oder tatsächliche Überschneidungen zwischen früherem politischen Amt und neuem wirtschaftlichem Auftrag. Das Thema ist nicht zu unterschätzen. Das Verhältnis Bilfinger Bergers zur korruptionsbelasteten nigerianischen 49-Prozent-Tochter Julius Berger ist aufklärungsbedürftig und wurde bisher nach Kräften totgeschwiegen. Ganz schnell kann Koch mit Bilfinger in einem Skandalsumpf stecken wie zur Zeit Ferrostaal und vor kurzem noch MAN, Daimler, Siemens. Auch bei der heiklen und im Kern noch bevorstehenden Aufarbeitung des Unglücks beim U-Bahn-Bau in Köln ist viel mehr Fingerspitzengefühl gefragt als Bodner es zeigte und das Ende offen.
Der Personalberater Heiner Thorborg, der als Strippenzieher des Koch-Wechsels gilt, betont anders als Otte gerade die Fähigkeiten, die Koch mitbringe: Koch sei Wirtschaftsjurist, habe „mit der von ihm gegründeten Anwaltskanzlei Fusionen eingefädelt“ und mehrfach gezeigt, „dass er Strukturen erfolgreich umbauen kann“. Daran, ob er diese Kenntnisse Bilfinger zu Nutze machen kann, werden die Aktionäre Koch messen. Bei der Bekanntgabe lehnten sie die Personalie eindeutig ab: Die Aktie des M-Dax-Konzerns verlor an dem Tag 3,5 Prozent ihres Wertes.
Die Latte für Koch liegt hoch. Bodner verabschiedet sich mit glänzenden Zahlen. Bilfinger Berger hat 2010 den Gewinn nach Ertragsteuern auf 208 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Der aus strategischen Gründen erwartete Verkauf der australischen Tochtergesellschaft Valemus ist unter Dach und Fach. Und von gut acht Milliarden Euro Umsatz erwirtschaft der zum Baudienstleister mutierte Ex-Baukonzern inzwischen 80 Prozent mit Instandhaltung und Betrieb von Fabriken, Kraftwerken und Immobilien.
Eigene Akzente wird Koch deshalb zunächst einmal kaum setzen können – nicht Koch führt Bilfinger, sondern Bilfinger Koch.