
Wer Manager der Flugbranche feiern sehen wollte, musste Ende Oktober nach Köln in die Brauerei Gaffel am Dom reisen. Während Kundenschwund und rote Zahlen der Branche die Stimmung verleiden, war die Laune beim Oktoberfest der Lufthansa-Tochter Germanwings famos.
Dafür sorgten nicht nur Kölsch und deftige rheinische Kost, sondern auch die guten Zahlen des Billigfliegers. Während die Muttergesellschaft Verluste für die ersten neun Monate des laufenden Geschäftsjahrs verkündete, konnte Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann der Mutter einen Rekord bei Umsatz und Gewinn melden. „Dem Konzern helfen wir gern“, sagt Winkelmann.
Das könnte Winkelmann noch viel mehr als bisher – indem er mehr von dem Geschäft an sich zieht, in dem die Lufthansa Geld verliert und Germanwings welches verdient: mit Flügen innerhalb Europas. Derzeit buchen vor allem Geschäftsreisende statt teurer Business-Tickets nur Economy – oder gleich Billigflüge. Das drückt die Einnahmen der Lufthansa pro Flug um bis zu einem Drittel. Der Kranichlinie bleibt nur, Verluststrecken Billigkonkurrenten wie Air Berlin oder Easyjet zu überlassen – oder zu Germanwings zu schieben. Weil der Discounter zu rund 60 Prozent der Kosten der Konzernmutter fliegt, schafft er Gewinne, wo Lufthansa schon rote Zahlen schreibt.
"Billig" statt "etabliert" wird heftig diskutiert
Die Idee, die Passagiere in Europa zumindest im Verkehr abseits der Drehkreuze Frankfurt und München „billig“ statt „etabliert“ zu fliegen, wird im Unternehmen heftig diskutiert. Doch Germanwings darf nicht, was so logisch klingt, weil Konzernchef Wolfgang Mayrhuber das für eine Art Bankrotterklärung hält: „Wir müssen aus eigener Kraft profitabel fliegen können.“ Der oberste Lufthanseat hat vor allem drei Gründe. „Doch keiner überzeugt so recht“, sagen übereinstimmend vier Unternehmensberater, die anonym bleiben wollen.
So fürchtet Mayrhuber, seine Kunden auf Dauer zu vergrätzen, wenn die zwar Lufthansa buchen, dann aber mit der Billigtochter Germanwings fliegen müssten. Und die Premiumkunden, die in der Businessclass hohe Preise bezahlen, verlöre die Lufthansa durch die Verbannung in die klassenlose Germanwings endgültig.
Doch in der Branche glaubt kaum einer, dass nach Ende der Krise auf kurzen Strecken noch nennenswert Business geflogen wird. Zudem sind die Unterschiede zwischen Lufthansa und Germanwings beim Service für Economy-Kunden bereits heute marginal. Die Sitze sind ähnlich. „Die wenigen Business-Extras wie Gratisessen oder Vielfliegermeilen lassen sich relativ einfach aufbessern“, sagt ein Berater – etwa durch Online-Gutschriften oder eine Verpflegungstüte, wie es sie vor gut 20 Jahren schon mal gab.
Als Zweites erwartet Mayrhuber, dass bei einer Annäherung von Billigtochter und teurer Mutter der Discounter teure Unarten wie kostenlose Extras schneller annimmt als Lufthansa die Germanwings-Tugenden wie höhere Produktivität. Doch die Sorge scheint übertrieben. „Das Risiko kann man mindern, wenn die Mutter die Tochter in Ruhe arbeiten lässt“, so ein Berater.
Schließlich erwartet Mayrhuber Widerstände, weil vor allem die Piloten um Privilegien und Aufstiegsmöglichkeiten fürchten, wenn die Kern-Lufthansa zugunsten der Billigtochter schrumpft. Aber das ist ohnehin nur eine Frage der Zeit. Denn an die vergleichsweise komfortablen Arbeitsbedingungen will Mayrhuber ohnehin ran. „Wir müssen unsere Betriebskosten um 40 Prozent senken“, ist die Vorgabe von Mayrhuber. Zwar hat er offiziell noch keine Einzelheiten seines Sparplans genannt. Doch in internen Medien der Lufthansa wurde schon angekündigt, rund zehn Prozent mehr Sitze in die Maschinen zu schrauben und weniger Flugbegleiter einzusetzen.
Die vorsichtige Annäherung an den Billigservice wird auf Dauer Germanwings-Chef Winkelmann in die Hände spielen. „Warum sollen wir etwas kopieren“, so ein Lufthansa-Manager, „von dem wir das Original haben.“