Biosprit-Debatte ADAC verklagt Mineralölkonzerne

Scharfe Kritik des ADAC sind die Ölmultis in Deutschland gewöhnt. Nun geht der Autoclub einen Schritt weiter und zeigt wegen des Streits um den Biosprit E10 die Kraftstoffkonzerne an. An den Tankstellen klettern die Spritpreise auf neue Höchststände.

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Nach massiven Absatzproblemen Quelle: dpa

Der Ärger um den Biosprit E10 nimmt an Schärfe zu und wird nun auch mit juristischen Mitteln ausgefochten. Der ADAC zeigte die Ölmultis an und will Aral, BP, Jet, OMV und Shell dazu bringen, an ihren Tankstellen mit E10 auch weiter herkömmliches Super anzubieten - und nicht nur das deutlich teurere Super Plus. Tanken wollen die Autofahrer den mit Ethanol versetzen Kraftstoff noch immer nicht. Und auch abseits des E10-Streits gibt es an den Zapfsäulen derzeit nichts zu lachen: Die Benzinpreise klettern kräftig und erreichen fast wieder ihre alten Rekordstände vom Sommer 2008. An vielen Tankstellen in Deutschland kostete Super am Dienstag 1,58 oder 1,59 Euro je Liter, wie eine Internet-Recherche ergab.

Mit ihrer E10-Politik verstoßen die Mineralölkonzerne nach Ansicht des ADAC gegen die gesetzlichen Regelungen für den Biosprit, wie der Autoclub in München mitteilte. Demnach böten die Konzerne nach der Einführung von E10 an manchen Tankstellen kein herkömmliches Super mehr als E10-Alternative an, sondern nur das teurere Super Plus. Das hätten Stichproben an Tankstellen in München ergeben. Vor allem aber sei dies ein Bruch der Vorschriften, sagte ein ADAC-Sprecher. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe des Verbands allerdings mit Nachdruck zurück, alles bewege sich im Rahmen der Regelungen. Wer Recht hat, müssen in einem ersten Schritt nun bayerische Behörden klären. Denn dort erstattete der Autoclub Anzeige, und zwar beim für München zuständigen Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt. Die Beamten dort reichten die Anzeige mittlerweile an das Landesamt für Umwelt weiter, sagte eine Sprecherin.

Teures Upgrade

Wann entschieden werde, sei offen. Falls die Beamten dort zu dem Schluss kommen, dass die Praxis gegen geltendes Recht verstößt, könnte etwa ein Bußgeld verhängt werden. „Uns geht es aber darum, dass die Unternehmen ihre Praxis ändern“, sagt ein ADAC-Sprecher. Grund für den Ärger ist die „10. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“. Dort ist geregelt, welche Alternativen an Tankstellen geboten werden müssen, damit auch Autos, die E10 nicht vertragen, betankt werden können. Der Streit dreht sich um den Paragrafen 3 und dessen Absätze 2 und 3. Nach Auffassung des ADAC müssen die Mineralölkonzerne, die E10 mit 95 Oktan verkaufen, auch einen herkömmlichen Sprit genau dieser Qualität anbieten. Vielfach werde aber stattdessen als Ersatz Super Plus mit 98 Oktan angeboten, was den Autofahrer je Liter sechs bis acht Cent mehr kostet. Der Autoclub sieht darin einen Verstoß gegen die Bestandsschutzregelung, wonach es an Tankstellen neben Super E10 auch weiterhin Superbezin in E5-Qualität geben muss.  Die Unternehmen verhalten sich aber prinzipiell gesetzeskonform, weil sie eine Schutzsorte anbieten. Ob die Klage Erfolg haben wird, ist deshalb zweifelhaft. In besagter Verordnung steht kein Wort darüber, wie hoch die Oktanzahl des Schutztreibstoffes zu sein hat beziehungsweise um wie viel Oktan sich die Treibstoffe unterscheiden. Nach Einschätzung der Ölgesellschaften erfüllt Super Plus die Anforderungen - es hat mehr als 95 Oktan. „Der Sprit ist also besser, das ist ein Upgrade“, sagt Esso-Sprecherin Gabriele Radke. Er ist eben teurer.

Doch auch ohne diesen Rechtsstreit klettern die Preise. Die Tankstellenketten machen vor allem das hohe Preisniveau an den Öl-und Produktmärkten für die Rekordpreise verantwortlich. Ob auch die missglückte Einführung des Biosprits E10 und künftige Strafzahlungen für die Mineralölfirmen zu den hohen Preisen beitragen, ist nicht eindeutig zu klären. „Die gesamte Logistik ist gestört; das verursacht hohe Kosten“, meint Radke.

Mineralkönzerne bleiben gelassen

Entsprechend gelassen sehen die Mineralölkonzerne der Klage entgegen, wie Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands, Klaus Picard,sagte. Der Verbraucher wisse sehr wohl, ob er sein Auto mit E10 betanken könne, lehne den neuen Kraftstoff aber trotzdem ab. Dabei spiele auch die „Teller-Tank-Diskussion“ eine Rolle, also die Debatte über die Nutzung landwirtschaftlicher Rohstoffe für die Benzinherstellung. Hierzu eine öffentliche Diskussion zu führen, sei Aufgabe der Politik, so Picard. Allgemein fühlen sich die Konzerne von der Politik im Stich gelassen. Die Einführung des Biosprits werde durch einen fehlenden gesellschaftlichen Konsens erschwert, sagte Picard. Außerdem erfolgte die Einführung durch Staatsauflagen und nicht auf Wunsch der Konzerne. Man könne E10 nun nicht mehr zurücknehmen, sagt eine Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV). Im Gegenzug wirft die Politik den Mineralölkonzernen Versagen in der Informationsstrategie vor: Es wäre genug Zeit gewesen, vor der Einführung von E10 Informationskampagnen für die Verbraucher zu starten, so Verkehrsminister Ramsauer (CSU).Gegenwärtig wird E10 im Süden und Osten Deutschlands angeboten, aber unverändert nur wenig getankt. Im Norden und Westen ist der Bio-Sprit bislang nicht eingeführt und es ist unklar, ob es noch dazu kommt. Die Mehrheit der Autofahrer will kein E10 tanken. Dafür ist in den betroffenen Ländern die Nachfrage nach Super plus höher, als sie von den Tankstellen bewältigt werden kann. Doch auch das schöne Wetter treibt den Spritpreis: „Wir merken die anziehende Nachfrage. Das schöne Wetter am vergangenen Wochenende hat die Fahrsaison eingeleitet“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber. Regelmäßig im Frühjahr, wenn in ganz Europa und in den USA die Reisesaison beginnt, machen auch die Benzinpreise einen Sprung.

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