Biotechnologie Der Aids-Tester

Roland Göhde und seine Biotech-Firma Partec machen Geschäfte mit den Armen und Kranken – zu beiderseitigem Nutzen.

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Roland Göhde Quelle: Jürgen Lösel für WirtschaftsWoche

Es ist heiß im Labor des Beatrice-Road-Infectious-Desease-Hospital in Southerton, einem staubigen Vorort von Simbabwes Hauptstadt Harare. Roland Göhde steht vor einem kleinen Apparat, nicht viel größer als ein Schuhkarton, schiebt ein kleines Röhrchen mit Blut und Reagenzien in eine Öffnung, drückt den Startknopf und gibt die Patientennummer über den Tastbildschirm ein. Eine Minute später hält er einen Ausdruck im Format eines Kassenzettels in der Hand. "Die Messung zeigt einen guten Immunstatus des Patienten", sagt er zu dem einheimischen Arzt, dem er das Gerät vorführt.

Göhde ist Chef von Partec, einem Biotech-Unternehmen aus Görlitz an der polnischen Grenze. Kundenbesuche in Afrika oder Indien gehören für ihn zum Alltag. „Ich bin öfter im Ausland unterwegs als an unseren deutschen Standorten“, sagt der Sohn des Firmengründers Wolfgang Göhde. Den breitschultrigen, schwergewichtigen Hünen treibt eine doppelte Mission: Als Geschäftsmann will er Diagnosegeräte verkaufen und zugleich armen Menschen helfen, zu tragbaren Kosten zuverlässige Diagnosen von Aids, Malaria oder Tuberkulose zu bekommen.

Es begann als Nebenaktivität

Durchflusszytometer heißen die Geräte. Sie spüren bestimmte Zellen mit Laserstrahlen auf und zählen sie. Die Zahl der definierten Zellen gibt Auskunft über den Krankheitsstatus. So lässt sich bei Aids-Patienten aus der Zahl der CD4-Zellen im Blut schließen, wie weit die Krankheit fortgeschritten und welche Therapie geboten ist. Das HI-Virus nutzt die CD4-Zellen, um sich zu vermehren. Die Zellen sterben dabei ab. Die Technik wird auch in der Lebensmittelindustrie für Qualitäts- und Haltbarkeitsanalysen genutzt.

Anfangs war das Unternehmen eine Nebenaktivität von Göhdes Vater Wolfgang, der als Professor für Strahlenbiologie an der Universität Münster lehrte. Nach der Entwicklung des ersten Durchflusszytometers 1968 lötete der Vater die Geräte in einem Schuppen zusammen, die vier Kinder halfen. Die Mutter, eine Biologin, führte das kleine Geschäft.

Für Göhde, der in seiner Freizeit Horn und Klavier spielt, ist die Arbeit als Unternehmer eine Fortsetzung seiner Jugenderfahrungen auf höherer Ebene. In der Familie drehten sich die Tischgespräche oft um den Betrieb. Göhde bestückte schon als 14-Jähriger Leiterplatten, mit 16 kümmerte er sich um die Buchhaltung, mit 19 auch um das Controlling. "Damals habe ich gelernt, was es heißt, Teil eines Familienunternehmens zu sein", sagt er.

Noch in den Neunzigerjahren beschäftigte Partec am Standort Münster nur rund 30 Mitarbeiter. Doch zur Jahrtausendwende startete die Familie eine weitere Produktionsstätte in Görlitz, wo seitdem weitere 90 Arbeitsplätze entstanden sind. Göhde brach damals zugunsten der Firma sein Studium der Mineralogie ab. Heute ist Partec ein Doppelunternehmen: Um den Standort in Münster kümmern sich die Eltern, um das Werk in Görlitz Roland Göhde, der dort auch Hauptgesellschafter ist.

Der große Durchbruch von Partec kam 2002, nachdem der US-Wissenschaftler Howard Shapiro Laborunternehmen und Forscher weltweit aufforderte, günstige Aids-Diagnostikverfahren zu entwickeln. Damals kostete eine HIV-Diagnose noch 40 Euro. Göhde sah seine Chance und setzte alle verfügbaren Forscher und Mittel ein, um die vom Vater entwickelte Technik an die finanziellen Möglichkeiten der Entwicklungsländer anzupassen. Das Ergebnis war das Minilabor im Schuhkarton-Format, einfach bedienbar auch von angelernten Kräften. Die Kosten pro Aids-Test sanken mit dem neuen Gerät unter zwei Euro.

Unternehmerisches Handeln mit humanem Effekt

In der Branche ist Göhde seit dem von ihm verursachten Preisrutsch nicht nur beliebt. "Da gibt es viele Neider", sagt ein Entwicklungsexperte. Rund 50 Prozent der Partec-Umsätze stammen aus dem Verkauf von Geräten und Reagenzien für die Aids-Analyse. Gut ein Drittel des Umsatzes erzielt Partec in der Dritten Welt.

"Wir ziehen einen Großteil unserer Motivation daraus, dass unser unternehmerisches Handeln einen humanen Effekt hat", sagt Göhde. Er versteht sich aber nicht nur als Gutmensch: "Wir hätten mit den herkömmlichen hohen Preisen nie den Umsatz erreicht, den wir heute haben." In den vergangenen fünf Jahren hat der Umsatz um 100 Prozent zugelegt.

Nun hat der Biotech-Unternehmer neue Zielgruppen im Visier: Künftig will er verstärkt Pathologen, Genforscher, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie als Abnehmer der Durchflusszytometer gewinnen, in Görlitz sollen neue Lager und Produktionshallen entstehen. Göhde: "Unser Ziel ist es, den Umsatz bis 2016 mindestens zu verdoppeln."

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