
Steile Hügel, schiefe Fachwerkhäuser und viele gemütliche Gaststuben – für Touristen ist Braubach bei Koblenz am Mittelrhein ein Idyll, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Auch bei der Metallhütte Berzelius rund einen Kilometer bergauf rinnt wie seit fast 400 Jahren heißes Blei aus gewaltigen Öfen.
Nebenan im Bürotrakt der Berzelius-Holding im Schatten der Marksburg jedoch kämpft Rohstoffeinkäufer Thomas Babilon einen für das Unternehmen neuen Kampf. Es geht gegen die Shanghai Futures Exchange (SHFE), eine Börse in der 9000 Kilometer entfernten chinesischen Metropole Shanghai.
Auf dem Papier ist die SHFE ein Ort, an dem wie an der Londoner LME oder der New Yorker Comex etwa Metalle auf Termin gehandelt werden und sich der Preis frei nach Angebot und Nachfrage bildet. Faktisch dient die in den Neunzigerjahren gegründete Institution jedoch dem chinesischen Staat und seinen Unternehmen, um Rohstoffe zu hamstern.
Verkäufer schlagen Rohstoffe lieber in China los
Und das funktioniert, weil die Preise sowohl für Rohstoffe als auch für Endprodukte an der SHFE immer wieder höher sind als in Europa – und Verkäufer deshalb ihre Ware lieber dort als im Westen losschlagen. Im ersten Halbjahr 2009 etwa, als Chinas Unternehmen besonders viel Rohstoffe brauchten, lagen die Handelspreise an der SHFE in der Spitze bis zu 15 Prozent über denen in London oder New York. Das ist ungewöhnlich, denn zwischen Börsen gibt es in der Regel nur minimale Preisunterschiede. Der Ausgleich klappt in diesem Fall jedoch nicht, weil an der SHFE im Gegensatz zu LME und Comex faktisch nur vom Staat zugelassene Einheimische handeln dürfen.

Berzelius und andere Hütten außerhalb Chinas können gegen die exklusive Runde so gut wie nichts unternehmen. „Das verzerrt den Handel genauso wie Zölle, ist aber kaum angreifbar, weil es so marktwirtschaftlich wirkt“, sagt Berzelius-Rohstoffeinkäufer Babilon.
Chinesischen Hütten macht der höhere Preis nichts, weil sie staatliche Hilfen für die Verarbeitung erhalten – den europäischen Konkurrenten kaufen sie auf diese Weise jedoch die Rohstoffe weg. „Jeder Händler und jeder Produzent von Vorprodukten bietet zuerst in China an und dann erst in Europa“, sagt Babilon.
So bekommt er nur noch Erze oder Vorprodukte, wenn er höhere Preise zahlt oder aber schlechtere Erze mit weniger erwünschten Nebenelementen nimmt, was wiederum die Produktionskosten nach oben treibt. Könnten die Rheinländer ihre fertigen Bleibarren oder -brammen an der SHFE zu den höheren Preisen verkaufen, wäre ihnen sehr geholfen. Doch das dürfen sie eben nicht, sondern müssen ihre Ware zu den niedrigeren Preisen in London oder New York losschlagen.
Der ungleiche Kampf hat den europäischen Anbietern bereits zugesetzt. In Deutschland gibt es nur mehr zwei Primär-Bleihütten, obwohl die Betriebe dank moderner Technik effizienter und umweltfreundlicher arbeiten als ihre Konkurrenten im Ausland. „Und bei anderen Metallen sieht es kaum besser aus“, sagt Babilon. Noch macht sich der Einkäufer keine Sorgen, weil sein Unternehmen dank überlegener Technologie besonders reines und hochwertiges Blei produziert. Das ist den Kunden der Aufpreis wert ist. Doch ewig geht das nicht so weiter. Es sei denn, die Welthandelsorganisation knöpft sich die Preispolitik an der SHFE so vor wie andere Handelshemmnisse Chinas.