Boehringer Ingelheim Arbeitstier vor dem Herrn

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Im Unternehmen gilt Barner als umgänglich; Mitarbeiter beschreiben ihn als bescheiden und zurückhaltend. Small Talk mag er nicht gern – bei geselligen Runden hält es der passionierte Klavierspieler nie lange aus. "Ein unglaubliches Arbeitstier", sagt ein früherer Mitarbeiter über seinen Ex-Chef. Zunehmend engagiert sich Barner auch außerhalb von Boehringer Ingelheim – beim Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beim Bundesverband der Deutschen Industrie und schließlich beim Evangelischen Kirchentag.

Mit seinem Bekenntnis zum Glauben hielt sich Barner im Unternehmen lange zurück. "Ich war ganz überrascht, als ich hörte, dass er ins Präsidium des Evangelischen Kirchentages gewählt worden ist", sagt ein langjähriger, enger Weggefährte, "dass er ganz stark ethisch motiviert ist, war aber immer klar."

Inzwischen lädt er schon mal den evangelischen Präses Nikolaus Schneider gemeinsam mit rheinland-pfälzischen Unternehmern zum Gedankenaustausch in die Boehringer-Zentrale nach Ingelheim ein. Oder er bringt Präsidiumsmitglieder des Evangelischen Kirchentages mit Managern etwa aus der Energie- und Nahrungsmittelbranche zusammen, um gegenseitige Vorurteile abzubauen.

Kritik in der Dritten Welt

Barner, ein makelloser Christ? Drei Stunden lang hat Christiane Fischer mit ihm diskutiert, etwa über Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Die Ärztin gehört zur pharmakritischen Dritte-Welt-Organisation Buko Kampagne, die sich für eine bessere Medikamentenversorgung in Entwicklungsländern einsetzt.

"Barner möchte der Gute unter den Bösen sein", sagt Fischer. Ihr imponiere, dass der Boehringer-Chef in der Dritten Welt im Gegensatz zu anderen Unternehmen nicht auf die Achtung seiner Patente auf Aids-Medikamente pocht. Dadurch können Nachahmer die lebenserhaltenden Mittel zu erschwinglichen Preisen anbieten.

Gleichwohl hält die Ärztin viele Mittel, die Boehringer in Entwicklungsländern anbietet, für überflüssig oder gar schädlich. Dazu zähle das Schmerzmittel Buscopan compositum in Brasilien, dessen Wirkstoff Metamizol lebensgefährliche Blutbildveränderungen hervorrufen könne und daher in vielen Ländern verboten sei. "Diese Mittel sollten dringend vom Markt verschwinden", fordert Fischer.

Boehringer überprüfe ständig den Nutzen und das potenzielle Risiko von Buscopan und Metamizol, entgegnet das Unternehmen. Sowohl die Zulassungsbehörde in Brasilien als auch Boehringer halten die Anwendung für angemessen.

Doch trotz aller Kritik am Geschäftsgebaren von Boehringer in der Dritten Welt: Barner, sagt Pharmakritikerin Fischer, sei "kein schlechter Mensch".

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