
Es gibt Zeitungen, die schreiben in solchen Fällen Pressemitteilungen und stellen Nachrichten aus dem eigenen Verlag ins Intranet. Bei Axel Springer dagegen stehen Unternehmensneuigkeiten gern mal als Schlagzeilen auf Seite 1 von „Bild“ und „Welt“, den hauseigenen Mitteilungsblättern. Die Nachricht, die dort jüngst prominent platziert wurde, hat das Zeug, Mediengeschichte zu machen – wenn sie denn Erfolg hat: Springer-Chef Matthias Döpfner startet für „Bild“ und „Welt“ den ernsthaften Versuch, mit sogenannten Apps Geld zu verdienen.
Apps sind Applikationen, derzeit schwer angesagte Mini-Programme, die sich Besitzer von Apples Kult-Mobiltelefon iPhone gratis oder gegen Bezahlung aufs Gerät laden können, um von dort aus direkt auf bestimmte Internet-Seiten zu gelangen. „Wir haben die Verpflichtung auszuprobieren, ob die Nutzer zu zahlen bereit sind“, sagt Döpfner. Das Boulevardblatt „Bild“ ist seither auch Abo-Zeitung – „Bild“-Leser können sich ihre Zeitung bereits am Vorabend des Erscheinungstages aufs iPhone laden und zahlen dafür nach einer Einführungsphase 3,99 Euro im Monat. Springer will wissen, ob Bezahlinhalte im bislang strikt auf Gratis-Kultur eingestellten Netz Abnehmer finden – und ob Verlage hier neben der Werbung auch mit redaktionellen Angeboten Geld verdienen können.
Große Mehrheit will Web-Inhalte kostenlos
Noch überwiegt Skepsis. Lediglich neun Prozent der deutschen Internet-Surfer sind bereit, für Web-Inhalte zu bezahlen, ergab eine Studie von GfK und Rupert Murdochs „Wall Street Journal“. Die große Mehrheit will – wenig überraschend – Web-Inhalte weiter kostenlos. Medienexperten wie Frank Mackenroth vom Beratungsunternehmen PricewaterhoseCoopers sehen dennoch in Paid Content eines der Megathemen der Medienindustrie im kommenden Jahr: „Medienhäuser sind dringend darauf angewiesen, sich neue Erlösquellen zu erschließen, denn es wird noch Jahre dauern, ehe die Werbeeinnahmen wieder das Niveau erreichen, das sie vor der Wirtschafts- und Finanzkrise hatten.“
Die Krise hat die Medienbranche 2009 überproportional hart getroffen: Viele Unternehmen kürzten ihre Werbeausgaben. Erstmals seit Jahren sanken die Werbeeinahmen deutscher Medien unter die 20-Milliarden-Euro-Marke. Und das in einer Situation, in der wesentliche Teile des alten Geschäftsmodells durch das Internet beeinträchtigt wurden. Immer mehr traditionelle Nutzer traditioneller Bezahlmedien wandern ab ins kostenlose Internet. „Die Krise hat diesen Wandlungsprozess massiv beschleunigt “, sagt Mackenroth.
In einer ersten Phase reagierten viele Medienhäuser mit massiven Sparprogrammen – die Essener WAZ-Gruppe etwa strich Hunderte von Stellen. Im kommenden Jahr dürfte das nicht mehr reichen. Es gehe eher darum, die Kernkompetenzen der Medien zu erhalten und neue Erlösmodelle zu entwickeln, erwartet Mackenroth: „Medienunternehmen müssen sich darauf einstellen, viel mehr unterschiedliche Quellen anzuzapfen als früher.“ Dazu zählen Investitionen in benachbarte Geschäftsfelder wie bei RTL: Der Kölner Privatsender bietet längst mehrere Pay-TV-Kanäle an, die schwarze Zahlen schreiben.
Auch eine Investition in Nischenprodukte könnte eine wirkungsvolle Strategie sein, glaubt der Berater – er erwartet in den kommenden Jahren eine zunehmende Zweiteilung des Medienmarktes: Auf der einen Seite frei verfügbare Basisinformationen. Auf der anderen aufwändig recherchierte Hintergrundberichte und Kommentare, die dem Nutzer Orientierung verschafften – und für die er auch zu zahlen bereit sei.
Nicht nur bei Springer dreht sich die Stimmung weg von Untergangsszenarien hin zum Ärmel hochkrempeln: „Vor einem Jahr war Moll angesagt, jetzt besinnen sich viele auf ihre Kernkompetenzen und kommen raus aus der Starre“, sagt Mackenroth.