BVB-Chef Watzke "Wir werden Spieler abgeben"

Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund über den Börsenkurs des Bundesliga-Tabellenführers, den möglichen Meistertitel und steigende Ausgaben für seine Profi-Kicker.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hams-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche

Herr Watzke, Borussia Dortmund greift zum ersten Mal seit fast zehn Jahren wieder nach der Meisterschale, aber unten in Ihrem Fanshop gibt es kein einziges Spielertrikot zu kaufen – wie kann das sein?

Watzke: Bei unserem Ausrüster Kappa gab es im Dezember einen Lagerbrand, bei dem eine große Menge Trikots vernichtet wurden. Neue Ware kommt erst Ende dieses Monats. Die Trikots werden in China hergestellt, der Transport dauert bis zu acht Wochen. Und seit in China die Binnenkonjunktur brummt, ist es sehr schwer, dort noch freie Produktionskapazitäten zu bekommen.

Sie machen also beim Trikotgeschäft weniger Umsatz als möglich?

Ja, das werden wir sicher spüren, aber wir können es nicht ändern. Zum Glück steuern wir aber auch ohne die verbrannten Trikots auf einen Rekord zu: Wir haben heute schon mit 130.000 Shirts so viele verkauft wie im bisherigen Top-Jahr 2009 und werden am Ende der Saison sicher bei mehr als 150.000 Trikots landen.

Vor fünf Jahren kämpfte der BVB nach horrenden Ausgaben für Stars und Stadionausbau ums Überleben; seither haben Sie mehr als 100 Millionen Euro Schulden abgebaut bei zuletzt 110 Millionen Euro Jahresumsatz. Wann ist der BVB schuldenfrei?

Wir könnten morgen schuldenfrei sein, wenn wir stille Reserven im Kader heben würden. Die liegen bei über 120 Millionen Euro. Das ist aber nicht unser Ziel, sondern der maximale sportliche Erfolg, ohne je wieder einen Euro neue Schulden zu machen. Ein Spieler wie Mario Götze, der aus unserer Jugend kommt, hat in unserer Bilanz einen Buchwert von einem Euro. Jetzt ist er Nationalspieler, sein Marktwert liegt weit über zehn Millionen. Aber Mario ist unverkäuflich. Wir planen langfristig mit diesem Kader. Nachdem der Schuldenabbau ein brutaler Kraftakt war, sind wir auf einem guten Weg.

Haben Sie den Abstieg riskiert, als Sie Leistungsträger verkaufen mussten? 

Ja, das war eine Gratwanderung. Allein 2005/06 haben wir den Gehaltsetat von 57 auf 25 Millionen Euro mehr als halbiert. Aber trotzdem standen wir nie schlechter als im Mittelfeld der Liga. Im Nachhinein war es eine große Leistung, 2007 nicht abzusteigen.

Die alten Sünden sorgen aber bis heute dafür, dass Sie für noch 72 Millionen Euro Konzern-Schulden jedes Jahr Millionen an Zinsen zahlen müssen. Schuldenfreie Vereine wie der HSV können höhere Gehälter bieten, sind attraktiver für Spieler.

Wir haben unsere Restschulden jetzt solide refinanziert mit einem gewichteten Durchschnittszins von 6,6 Prozent und werden sie in kleineren Schritten weiter tilgen. Operativ kosten uns die Schulden jetzt noch fünf Millionen Euro im Geschäftsjahr, das ist im Wesentlichen die Stadionfinanzierung. Und ob der HSV schuldenfrei ist, müssen Sie die Verantwortlichen dort selber fragen.

Sie haben keine Angst, dass Ihnen finanzkräftigere Vereine Ihre Talente abwerben?

Nein, nur der FC Bayern hat einen Vorsprung vor uns. Wir halten mit einem Paket aus Gehalt, leistungsabhängigen Prämien und sportlichen Entwicklungsmöglichkeiten dagegen. Mit Erfolg: Talente wie Mats Hummels, um den die Bayern geworben haben, oder Mario Götze haben gerade bis 2014 verlängert. Außerdem: Wer zehn Jahre lang bei der Borussia spielt, hat danach auch ein ordentliches finanzielles Polster.

Grafik: Aktienkurs, Schuldenlast und Bundesliga-Platzierung von Borussia Dortmund 2000-2011

Dennoch wird Ihr Gehaltsetat steigen müssen, wollen Sie nicht ins sportliche Mittelmaß zurückfallen – Entwicklungsmöglichkeiten allein reichen doch nicht?

Dieser Herausforderung stellen wir uns. Der Etat von derzeit 34,5 Millionen Euro steigt allein wegen der Erfolgsprämien für die Spieler schon in dieser Saison mit jedem Punkt, den wir über den ursprünglich einkalkulierten 57 Punkten landen. Aber auch ohne Prämien wird unser Etat kommende Saison bei gut 40 Millionen Euro liegen, wenn wir Champions League spielen.

Den BVB erwarten netto 20 Millionen Euro Zusatzeinnahmen – wohin fließen die?

Zehn Millionen gehen für Gehälter und Zukäufe in den Lizenzspielerkader. Und zwar netto – wir werden im Sommer einige Spieler abgeben, die nicht so häufig gespielt haben...

...die Ihnen deswegen aber am Transfermarkt nicht mehr viel einbringen...

 ...wodurch aber Gehälter frei werden, Geld, das ebenfalls in den Kader fließt. Die anderen zehn Millionen fließen etwa je zur Hälfte in die Schuldentilgung und die Renovierung des Stadions. Wir erneuern die Business- und VIP-Bereiche und werden dafür dort die Preise moderat anheben.

Haben Sie eigentlich ein schlechtes Gewissen Ihren Aktionären gegenüber?

Wieso?

Wer beim Börsengang Ende 2000 dabei war, hat 66 Prozent Verlust erlitten. Die BVB-Aktie lief lange Zeit so schlecht, dass keine einzige andere deutsche Fußball--Aktie mehr an den Markt kommen konnte.

Ja, andere Vereine könnten uns wirklich dankbar sein, denen ist einiges erspart geblieben... Im Ernst: Unsere Performance erholt sich gerade. Die Aktie ist seit dem Tiefstand 200 Prozent im Plus.

Würden Sie heute noch an die Börse gehen? Sie stehen doch permanent im Interessenkonflikt zwischen Aktionären, die Dividenden sehen wollen, und sportlichen Zielen, die Investitionen erfordern?Watzke: Ja, das ist so. Vielleicht würden wir es heute anders machen. Heute hat man als Club auch andere Möglichkeiten.

Wurmt es Sie, dass der BVB sich nicht mehr scheibchenweise an Großinvestoren verkaufen kann, wie etwa der FC Bayern an Audi und Adidas?

Wir haben andere Möglichkeiten, etwa Kapitalerhöhungen, die wir uns auf unserer Hauptversammlung haben genehmigen lassen. Allerdings brauchen wir derzeit kein neues Geld von außen.

Wirklich? In der Champions League stoßen Sie auf Chelsea, Manchester, Real, die vielfach teurere Kader und mächtige Mäzene haben; Sie kämpfen mit denen doch nicht auf Augenhöhe.

Langsam. Dank der Financial-Fairplay-Regelung des europäischen Fußballverbandes UEFA ändern sich die Kräfteverhältnisse: Die schreibt ab 2014 Vereinen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben vor und beschneidet Möglichkeiten für Gönner und Sponsoren, ohne Ende Geld in bestimmte Clubs zu pumpen.

Sie zielen damit auf Clubs wie Wolfsburg mit Sponsor Volkswagen, Bayer Leverkusen oder Dietmar Hopps TSG Hoffenheim?

Ja, Werksvereine wie Wolfsburg profitieren in Deutschland von der zentralen Verteilung der TV-Einnahmen, besitzen aber sonst keine sehr große Erlösstärke. Die haben nicht die großen Umsätze durch Merchandising oder Tickets, weil sie weniger Fans haben. Trotzdem leistet sich Wolfsburg einen der teuersten Kader der Liga. Financial Fairplay wird das ändern.

Was bedeutet das für Wolfsburg?

Die müssen die Kosten den Erlösen anpassen. Die UEFA wird in Zukunft sehr genau hinschauen, ob Sponsorverträge nach marktüblichen Kriterien gerechnet sind. VW könnte dann nicht sagen: Wir zahlen jetzt dem VfL 40 Millionen Euro für Trikotwerbung.

Gelingt Wolfsburg das nicht, droht ihnen der Abstieg?

Ja, das ist ja keine Schande. Bayern München hat in der zweiten Liga angefangen, und der BVB hat dort auch schon gespielt. Wolfsburg muss einfach mehr Erlöse generieren. Die Knochenarbeit, die wir jede Woche machen, kommt dann auf diese Clubs auch zu.

2011 schreibt die Liga die TV-Rechte ab 2012/13 neu aus, einzelne Vereine verlangen bereits hohe Einnahmesteigerungen – wo sollen die herkommen?

Mehr als die Frage, ob wir nun drei oder fünf TV-Millionen mehr erzielen, treibt mich die gerechte Verteilung dieser Einnahmen um. Da muss sich etwas ändern.

Sie fordern, dass nicht nur der sportliche Erfolg, sondern auch weiche Faktoren wie der Markenwert von Vereinen einfließen sollen in den Verteilschlüssel, berechnet etwa nach der Zahl der Fans. Auf viel Gegenliebe stieß Ihr Modell in der Liga allerdings nicht.

Diejenigen, die den größten Input an Einnahmen und Fans in die Liga geben, sollten auch einen größeren Output bekommen. Jeder Club müsste sich dann darum bemühen, zu einer Marke zu werden. Das täte der gesamten Liga gut. Unser Modell liegt beim Vorstand der DFL, der wird darüber entscheiden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%