
Der Wechsel vollzieht sich ohne großes Tamtam. Knapp 200 Gäste, darunter nur eine Handvoll Chefs von großen Konzernen, dafür aber viele ehemalige und aktive Henkelaner, werden nach der Hauptversammlung am 14. April ins Fritz-Henkel-Haus auf dem Werksgelände im Düsseldorfer Arbeiterstadtteil Holthausen pilgern.
Timing und Regie beim lange vorbereiteten Wechsel an der Henkel-Spitze verlaufen in altbekannter Henkel-Manier, etwas betulich und ohne laute Begleitmusik. Nur eine kleine Jazzkapelle im Hintergrund wird für etwas Stimmung beim eher bescheidenen Abendessen sorgen, wenn Ulrich Lehner nach acht Jahren das Amt als Henkel-Chef an seinen Nachfolger Kasper Rorsted übergibt. Sorgsam vorbereitet, das Ganze: Henkel präsentierte den Dänen bereits im Dezember 2006 als Nachfolger. Und die beiden hielten ganz sauber bis zum Schluss ihre Rollenverteilung durch; Lehner war der Chef im Haus, Rorsted sortierte sich als Vorstand in der zweiten Reihe ein.
Die Leisetreterei ist Henkel-typisch, und doch findet an diesem Abend am Düsseldorfer Konzernsitz ein Wandel statt, der im weitverzweigten Henkel-Reich einer Revolution gleichkommt: Rorsted ist der erste Konzernchef, der nicht aus dem deutschsprachigen Raum stammt. Der 46-Jährige ist überhaupt der allererste Vorstandsvorsitzende in der 132-jährigen Firmengeschichte – alle seine Vorgänger waren Geschäftsführer. Auf der Hauptversammlung werden die Aktionäre beschließen, dass eine erst im Januar gegründete Management AG künftig als persönlich haftende Gesellschafterin des Konzerns fungiert. Damit wird künftig kein Henkel-Chef mehr persönlich mit seinem Vermögen für den Konzern geradestehen müssen.
Doch damit nicht genug: Rorsted ist auch noch ein Quereinsteiger, Stallgeruch fehlt ihm. Die Vorgänger – Ulrich Lehner, Hans-Dietrich Winkhaus, Helmut Siehler oder Konrad Henkel – brachten Jahrzehntelange Erfahrung mit, bevor sie an die Spitze traten. „Rorsted hat eine ganz andere Sozialisation, als man das bei Henkel bisher gewohnt war“, sagt ein Kenner des Unternehmens und der Personen.
Als ob das für Henkel nicht schon Umbruch genug wäre, hat Rorsted seine Sozialisierung auch noch in einer Industrie erfahren, die mit Waschmitteln und Industrieklebern so gar nichts zu tun hat; die Paarung Rorsted-Henkel wirkt auf den ersten Blick wie die Hochzeit zwischen einem Mammut und einem Opossum: Rorsted kam erst vor drei Jahren zu Henkel, nachdem er zuvor ausschließlich in der IT- und Softwarebranche für Unternehmen wie Hewlett-Packard, Compaq, Oracle oder Digital Equipment tätig war. Ein Techi an der Spitze des altehrwürdigen Persil-Herstellers – kann das funktionieren? Ab einer bestimmten Managementebene spiele die Branche nur noch eine untergeordnete Rolle, heißt es aus dem Henkel-Konzern. Viel entscheidender seien Führungsquali-täten, Umsatzverantwortung und strategisches Denken.
Das traut man Rorsted ganz offensichtlich zu. Bei Henkel für Personal, Einkauf und IT zuständig, legte er in Düsseldorf eine Blitzkarriere hin. Vom Start weg besuchte er fast alle wichtigen Standorte des in über 125 Ländern tätigen Konzerns mit einem Umsatz von gut 13 Milliarden Euro. Dabei fiel er, so heißt es, immer wieder als angenehmer Gesprächspartner auf. Bei einem Abendessen mit Journalisten gibt sich Rorsted locker und kommunikativ. Distanziertheit ist nicht seine Sache.
Ein kumpelhafter Typ zum „Schulterklopfen“ sei er aber nicht, berichten Mitarbeiter. Den Willen zur Veränderung hat Rorsted beim Dax-Konzern Henkel be-reits unter Beweis gestellt. Gleich nach seinem Einstieg krempelte er den Einkauf um, installierte 55 global agierende Beschaffungsteams und ließ Zulieferer durchleuchten.
Dass es ihm gelingen wird, aus dem Schatten Lehners zu treten, dessen Name sowohl für tief greifende Spar- und Umbauprogramme als auch für die Internationalisierung, die Trennung vom Chemiegeschäft und die Konzentration auf die drei Kernbereiche Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik- und Körperpflege sowie Kleb- und Dichtstoffe steht, daran werden keine Zweifel laut. Das hängt vielleicht auch mit seinem Vater Bernd Rorsted zusammen, einem der renommiertesten dänischen Wirtschaftsprofessoren.
Kasper Rorsted wird am 24. Februar 1962 in der dänischen Küstenstadt Aarhus geboren. Er schließt sein Studium an der International Business School in Kopenhagen als Bachelor of Art ab und studiert nebenbei noch einige Semester an der Georgia University in den USA. Nach ersten Stationen in Marketing und Vertrieb bei den Software- und Computerherstellern Digital Equipment und Oracle wechselt er 1995 zum US-Computerkonzern Compaq.
Nach verschiedenen Führungspositionen bei Compaq betreibt er ab 2002 dessen Integration in den Konkurrenten Hewlett-Packard (HP) als Europachef. Gegenüber der Konzernchefin Carly Fiorina verantwortet er mehr als ein Drittel des Umsatzes des zweitgrößten IT-Konzerns der Welt – 40.000 Mitarbeiter und rund 20 Milliarden Euro Umsatz.
Doch die Fusion ist ein Desaster und Fiorina zieht Konsequenzen. Drei Top-Manager, darunter auch Rorsted, müssen das Unternehmen verlassen. Zufall oder Kalkül? Alle drei geschassten Manager arbeiteten früher bei Compaq und stießen erst durch dessen Übernahme durch HP zum Unternehmen. Nach internen Auseinandersetzungen mit dem Verwaltungsrat von HP musste auch Fiorina 2005 gehen.
Rorsteds Karriere hat das abrupte Ende bei HP nicht geschadet. Er musste nicht lange nach einem neuen Arbeitgeber mit Perspektive suchen. Bei Henkel steht Ror-sted, der sich trotz seines unrühmlichen Abschieds aus der IT-Branche seine Begeisterung für moderne Computersysteme oder Smartphones bewahrt hat, vor der Herausforderung, das Erbe seines Vorgängers fortzuführen. Der Respekt vor der Tradition des Unternehmens und der Einfluss der Gesellschafter werden ihn jedoch vor einem allzu radikalen Kurswechsel abhalten.