Chemie Wer wird Hambrechts Nachfolger bei BASF?

Die BASF sucht einen neuen Vorstandschef. Vier Eigengewächse des Chemiekonzerns können sich Hoffnungen machen. Die besten Chancen hat, wer ähnlich gestrickt ist wie der Amtsinhaber.

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Jürgen Hambrecht bleibt noch genug zu tun. Die Kanzlerin wird weiterhin seinen Rat suchen. In den Aufsichtsrat der deutschen Industrie-Ikone Daimler ist er bis zum Jahr 2013 gewählt. Der Top-Manager wird auch künftig für neue Technologien – von Elektroautos bis zur grünen Gentechnik – trommeln und als Gründungsmitglied der Unternehmensinitiative „Wissensfabrik“ mit dafür sorgen, dass sich Kinder für Naturwissenschaften begeistern.

Hambrecht wird es nicht langweilig, wenn er im Frühjahr 2011 seinen wichtigsten Posten abgibt: Als Vorstandschef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF (Umsatz 2008: über 60 Milliarden Euro; weltweit etwa 100 000 Mitarbeiter) ist für ihn nach zwei Amtszeiten – aus Altersgründen – Schluss. Hambrecht ist jetzt 63 Jahre alt, er führt das Unternehmen seit 2003. Eine Verlängerung seines Vertrages hat er selbst ausgeschlossen – und sich ebenso klar festgelegt: „Der nächste BASF-Chef kommt auch wieder aus der BASF“, sagte Hambrecht im Interview mit der WirtschaftsWoche im vorigen August. Dass, wie beim langjährigen Konkurrenten Bayer, ein konzernfremder US-Manager mit holländischen Wurzeln den Posten bekommt, ist im Traditionshaus BASF undenkbar.

Damit ist das Rennen um die Hambrecht-Nachfolge eröffnet. Die BASF sucht den Vorstandschef – und vier Kandidaten aus dem aktuellen Leitungsgremium dürfen sich Hoffnungen machen. Noch ist nichts entschieden. Intern werden am häufigsten Asien-Vorstand Martin Brudermüller und Finanzchef Kurt Bock genannt. Mit im Rennen sind aber auch die Vorstandskollegen Hans-Ulrich Engel und Harald Schwager. Alle Kandidaten sind um die 50 Jahre alt und seit etwa zwei Jahrzehnten bei der BASF beschäftigt.

Eindeutiger Favorit ist Asienkenner Brudermüller, 48. Sein Vorteil: Er ist – was Ausbildung, Herkunft und beruflichen Werdegang betrifft – Amtsinhaber Hambrecht sehr wesensverwandt.

Hambrecht und Voscherau entscheiden

Natürlich entscheidet am Ende der BASF-Aufsichtsrat – und insbesondere dessen Vorsitzender Eggert Voscherau – über die Besetzung des wichtigsten Führungspostens. Voscherau kennt alle Kandidaten aus nächster Nähe. Der Hamburger Kaufmann, ein Bruder des früheren Hansestadt-Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD), saß lange Jahre, von 1996 bis 2008, selbst im BASF-Vorstand, etwa als Arbeitsdirektor und Standortleiter für Ludwigshafen. Neben Hambrecht agierte Voscherau als stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

Gerne gab der Hanseat den BASF-Außenminister: Voscherau trat in Talkshows auf und pflegte im Sinne des Konzernsseine Drähte zu Politik und Verbänden. Intern kam der zweitwichtigste Mann im Vorstand vor allem dann zum Einsatz, wenn irgendwo im Konzern geräuschlos Arbeitsplätze abgebaut werden mussten. Der 66-jährige kann es gut mit Mitarbeitern und Betriebsräten; er gilt als „Menschenfänger“.

Gemeinsam haben Hambrecht und Voscherau die BASF in den vergangenen Jahren durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gesteuert. Zuletzt stabilisierte der Konzern sich wieder. Zuvor mussten die Ludwigshafener – wie andere Konkurrenten auch – bei Umsätzen und Gewinnen Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen.

Chemiker bevorzugt

Hambrecht und Voscherau sind nicht unbedingt Freunde. Hambrecht gilt als fordernd, Voscherau als jovial im Umgang mit Mitarbeitern. Hambrecht ist Techniker; Voscherau Marketingmann. Die beiden so unterschiedlichen Typen haben sich jedoch miteinander arrangiert, sichern sich gegenseitig ihre Macht. So wird Hambrecht auch bei der Suche nach seinem Nachfolger ein gewichtiges Wort mitreden. Über Voscherau heißt es im Werk, ihm sei ohnehin egal, wer unter ihm als Vorstandschef arbeite.

In Brudermüller erkennt sich vor allem Hambrecht wieder. Beide stammen aus Baden-Württemberg – Hambrecht aus Reutlingen am Rande der Schwäbischen Alb, Brudermüller wurde in Stuttgart geboren. Der Nachfolge-Favorit ist zudem promovierter Chemiker – wie Hambrecht. Derzeit leitet Brudermüller von Hongkong aus das Asien-Geschäft der BASF – einer seiner Vorgänger auf diesem Posten war Hambrecht, der es anschließend zum Konzernchef brachte.

Wie sein Förderer hatte Brudermüller bei der BASF unterschiedlichste Positionen inne. Im Zwei-Jahres-Takt wechselte er die Jobs: Brudermüller kümmerte sich in Italien um den Vertrieb von Pharmachemikalien, organisierte die Produktion fettlöslicher Vitamine, leitete die strategische Planung der BASF, führte schließlich eine Kunststoffeinheit.

brudermüller

Bei seinen Untergebenen gilt der promovierte Chemiker als „Chef zum Anfassen“. Brudermüller wird schon mal in der Mitarbeiterkantine gesichtet. Für einen BASF-Vorstand ist das nicht selbstverständlich, manche Führungskräfte plagen da Berührungsängste. Brudermüller ist musisch, praktisch veranlagt und hemdsärmelig zugleich, er spielt Klavier und kann schreinern. All das dürfte auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden Voscherau gefallen.

Seit 1988 arbeitet Brudermüller bei der BASF, seit 2005 sitzt er im Vorstand. Die Aufgabe in Asien hat er zufriedenstellend erledigt. Er profitiert auch davon, dass die Geschäfte in der Region nach der Krise schneller als anderswo wieder in Schwung gekommen sind.

Brudermüllers Rivale Kurt Bock tritt intern zurückhaltender und formeller auf. Der 51-jährige Westfale ist der Herr der Zahlen: Seit 2003 führt Bock das Finanzressort; 2007 übernahm er zusätzlich die Leitung des US-Geschäfts. Seither pendelt Bock regelmäßig zwischen dem Stammsitz in Ludwigshafen und der US-Dependance in Florham Park im Bundesstaat New Jersey.

Dabei galt das US-Geschäft lange als die Problemzone der BASF. Bock hat geholfen, dass die Ludwigshafener in Nordamerika – unter anderem durch die Übernahme des Katalysatoren-Herstellers Engelhard und des Harzspezialisten Johnson Polymers – wieder besser aufgestellt sind. Die Meriten dafür kann Bock allerdings nicht allein reklamieren. Sie gebühren auch dem früheren Leiter des US-Geschäfts Klaus Peter Löbbe und Bocks Vorstandskollegen Hans-Ulrich Engel.

Verbotene Liebe

Bock begann im Jahr 1985 bei der BASF, arbeitete zwischen 1992 und seiner Rückkehr 1998 allerdings beim Autozulieferer Bosch. Die Stuttgarter gelten zwar als befreundetes Unternehmen, trotzdem dürfte die jahrelange Absenz dem Kandidaten Bock einige Minuspunkte einbringen. „Bei der BASF sieht man es gern, wenn einer 40 Jahre im Unter- » » nehmen tätig und 30 Jahre mit der gleichen Frau verheiratet ist“, sagt ein Kenner der Ludwigshafener Verhältnisse.

Noch nie hat es zudem ein Finanzmanager – Bock studierte Betriebswirtschaft in Münster, Köln und Pennsylvania – an die BASF-Spitze geschafft. Der Konzern wird traditionell von Chemikern geführt – was für Brudermüller spricht. Bislang ist er seit dem Zweiten Weltkrieg nur einmal einen Nicht-Chemiker gelungen, den Chefposten zu ergattern: Dem Juristen Jürgen Strube, der das Chemieunternehmen in den Neunzigerjahren führte.

Intern befehden sich die Finanzexperten seit Jahrzehnten mit den Strategie-Spezialisten. Der Konflikt sitzt tief – auf Konferenzen streiten sich beide Gruppen mit Vorliebe etwa darum, wer nun eine Kapitalberechnung für Investitionen machen darf. Die Rollen der Spitzenkandidaten sind klar verteilt: Bock zählt zu den Finanzleuten, Brudermüller zu den Strategen. Und Konzernchef Hambrecht steht auf Seiten der Strategen – voilà.

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Für den Fall, dass ein Kompromisskandidat zwischen den verfeindeten Machtblöcken gefunden werden muss, steht Hans-Ulrich Engel bereit. Der 50-jährige Jurist, seit 1988 im Konzern, hat sich sowohl bei strategischen als auch bei Herausforderungen finanzieller Art bewährt.

Engel arbeitete als Vorstandsassistent von Strube. Er leitete das Werk im brandenburgischen Schwarzheide – auf Bitten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, der in der Nachbarschaft, in Ludwigshafen-Oggersheim wohnt, übernahm die BASF das frühere Chemiekombinat nach dem Mauerfall. Als Finanzchef bei BASF Nordamerika half Engel schließlich, das schwächelnde US-Geschäft nach vorn zu bringen.

In jüngster Zeit kümmerte sich der Jurist dann um die Integration von Ciba. Die BASF hat das Schweizer Chemieunternehmen vor eineinhalb Jahren für umgerechnet 3,8 Milliarden Euro übernommen. Durch den Kauf wollte sich die BASF in der Spezialitätenchemie verstärken.

Doch das Timing war miserabel: Hambrecht verkündete den Kauf ausgerechnet am 15. September 2008 – als die Investmentbank Lehman Brothers kollabierte und die Weltwirtschaft mit in den Abgrund riss. Nicht nur deswegen hat sich der Kaufpreis inzwischen als deutlich überhöht erwiesen. Viele Analysten sehen in Ciba einen Problemfall. Bereits kurz nach der Übernahme schrieb der Hersteller von Papierchemikalien und Kunststoff-Additiven rote Zahlen. Doch BASF-Chef Hambrecht wollte den Deal unbedingt.

Entscheidung erst im Sommer

Engel muss die Kärrnerarbeit leisten, Synergien heben und Tausende Jobs streichen. Weltweit stehen 23 der 55 Ciba-Werke auf dem Prüfstand. Bald soll feststehen, welche Produktionsstätten geschlossen oder verkauft werden. Bislang, heißt es intern, habe Engel den Job gut erledigt.

Die Integration des Schweizer Chemieunternehmens ist nicht Engels einziges Betätigungsfeld. Im BASF-Vorstand ist er zudem für das Öl- und Gasgeschäft sowie für die Region Europa zuständig. Engels größter Nachteil gegenüber den Mitbewerbern dürfte darin liegen, dass er erst relativ kurz, seit März 2008, dem Vorstand angehört.

Dort sitzt auch noch Arbeitsdirektor Harald Schwager, 49, der zudem das Werk in Ludwigshafen leitet. Der Chemiker kann sich jedoch allenfalls Außenseiterhoffnungen machen. Ähnlich wie sein Kollege, Forschungsvorstand Andreas Kreimeyer, 54, hat Schwager wenig spektakuläre Projekte vorzuweisen.

Definitiv chancenlos und zu alt für die Nachfolge von Hambrecht sind die zwei verbleibenden BASF-Vorstandsmitglieder Stefan Marcinowski und John Feldmann. Marcinowski ist Mitte 50, Feldmann Anfang 60. Beide haben schon vor Jahren gegen Hambrecht den Kampf um die Spitze verloren.

Die Top-Kandidaten Brudermüller, Bock und Engel dagegen müssen bis zur Entscheidung, die womöglich erst im Sommer dieses Jahres fällt, weiter vor Hambrecht und Voscherau schaulaufen – und aufpassen, keine Fehler zu machen. Nicht, dass es ihnen so geht wie ihrem früheren Managerkollegen Wolfgang Büchele.

Der Feinchemie-Spezialist, ein Protegé Hambrechts und durchaus Kandidat für den höchsten BASF-Posten, sollte zum 1. Januar 2008 in den Vorstand einrücken. Wenige Tage zuvor musste er überraschend gehen. Aus persönlichen Gründen, wie es hieß.

Büchele hatte eine Liaison mit einer BASF-Mitarbeiterin – die genauen Umstände der Affäre sind bis heute unbekannt. Sie soll jedoch gegen die konzerninternen Richtlinien verstoßen haben.

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