China Das Ende für chinesische Billig-T-Shirts

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Löhne eilen davon

Gesetzliche monatliche Mindestlöhne in ausgewählten chinesischen Provinzen und Städten

Vor dem Werkstor verkauft eine alte Frau Nudelsuppe und geröstete Maiskolben. Ein paar Passanten bleiben stehen und blicken auf das Transparent. Ganz attraktive Bedingungen seien das, lautet das einhellige Urteil. Ein Fabriklohn von 2500 Yuan war bis vor Kurzem in China undenkbar. Und doch: Neue Arbeiter findet Mengdi kaum. „Im letzten Jahr war es ganz schlimm“, sagt Zhou Yong, der für den Textilhersteller den Einkauf leitet, „in diesem Jahr läuft es nur wenig besser.“ Dabei braucht Mengdi dringend mehr Leute, denn die Kapazitäten der Fabriken sind voll ausgelastet. Die Folge: Das Unternehmen muss fast permanent die Löhne erhöhen. „Im vergangenen Jahr sind unsere Kosten um 30 Prozent geklettert“, klagt Zhou. Zwar haben auch die hohen Rohstoffpreise dazu beigetragen. Doch vor allem die steigenden Lohnkosten bereiten Zhou Kopfzerbrechen.

Li & Fung, eine der größten Einkaufsgesellschaften der Welt mit Sitz in Hongkong, empfiehlt den Herstellern in China, mehr in ihre Fabriken zu investieren, um die Produktivität und Qualität der Produkte zu erhöhen. Die meisten Analysten gehen allerdings davon aus, dass die erzielbaren Produktivitätssprünge mit den Lohnsteigerungen nicht Schritt halten können. Viele Regionen in China wollen in diesem Jahr die gesetzlichen Mindestlöhne um 20 Prozent oder mehr erhöhen.

Suche nach Billiglöhnern

Um durch Synergien Einsparungen zu realisieren, hat Mengdi bereits die Fertigungstiefe erhöht und betreibt nun auch eigene Webereien und Spinnereien. Doch den Kostenanstieg haben die Maßnahmen nicht auffangen können. Jetzt planen Zhou und seine Kollegen eine neue Fabrik weiter im Westen Chinas. Rund 500 Arbeiter haben sie bereits in der Südprovinz Jiangxi rekrutiert. Doch echte Entlastung bringt dieser Schritt nicht. Zwar sind die Löhne in Jiangxi um rund 20 Prozent niedriger. „Gleichzeitig entstehen neue Kosten, weil wir die Textilien zu den Häfen an der Küste transportieren müssen“, sagt Zhou. Mengdi fertigt nur für den Export.

Für zusätzliche Verwerfungen sorgen in China in jüngster Zeit die Zulieferer, die etwa Accessoires, Knöpfe oder Reißverschlüsse produzieren. Wegen extrem schwankender Preise unter anderem durch steigende Rohstoffnotierungen haben sie die Lagerhaltung heruntergefahren. „Wenn es drauf ankommt, können sie oft nicht liefern“, klagt Mengdi-Manager Zhou. Die Fertigung sei äußerst kompliziert geworden. Laufend müssen Mengdi und andere Hersteller die Preise für ihre Hosen und Hemden neu kalkulieren.

Angebote im Stundentakt

Die Abnehmer in Deutschland beschweren sich daher, dass ihr Geschäft dadurch immer weniger planbar wird. Früher hätten Preisangebote chinesischer Fabriken meist für mehrere Wochen gegolten, heißt es bei Discountern und Modefirmen. Heute gelten sie manchmal nur für Stunden.

Anders als viele andere Hersteller in China hat Mengdi die höheren Kosten bisher nicht an die Kunden in Deutschland und anderen Ländern weitergegeben. Doch das dürfte sich bald ändern. „Unsere Fabrik wird immer größer, aber der Gewinn steigt nicht mehr“, sagt Manager Zhou. Das zeige, so der Chinese, dass die Preise von Mengdi eigentlich zu niedrig sind. In begrenztem Umfang müssten die Kunden eine Erhöhung akzeptieren.

Um die Kosten durch stark steigende Löhne aufzufangen, lassen sich viele Hersteller in China aber auch andere Dinge einfallen. Statt für deutsche Abnehmer zu fertigen, nehmen sie vermehrt Aufträge von Kunden in China oder aus Russland an. „Die sind weniger anspruchsvoll bei den Sozialstandards in den Fabriken und der Qualität und zahlen inzwischen auch gut“, hat Gerd van Roye beobachtet.

Der Deutsche kauft von Hongkong aus in China Textilien unter anderem für den Sportartikelhändler Intersport ein. Mit steigenden Preisen bei den Herstellern hat auch er zu kämpfen. „Für eine Skijacke“, sagt van Roye und zeigt auf den Kleiderständer in der Ecke seines Büros, „muss Intersport in diesem Jahr 19 US-Dollar zahlen. Nächstes Jahr werde ich 21 US-Dollar verlangen müssen.“

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