China Die Sponsoren der Spiele im olympischen Fegefeuer

Die Chinakritische Stimmung im Westen hat Olympia-Sponsoren wie Adidas, Coca-Cola und McDonald's kalt erwischt. Statt wie erhofft mit schönen, bunten Bildern von Sportlern aus aller Welt bei Konsumenten auf der ganzen Welt zu punkten, droht den Sponsoren ein PR-Desaster.

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Der Sportartikelhersteller Quelle: dpa

Der Mount Everest ist mit seinen 8848 Metern der höchste Berg der Welt. Eine Herausforderung für jeden Bergsteiger – und ein gefundenes Fressen für einen Autokonzern, um die Fähigkeiten seines Geländewagens vorzuführen. Nach dem Motto: Wenn er hier hochkommt, schafft er es überall. Doch jetzt verzichtet der deutsche Autobauer Audi auf die verlockenden Bilder mit seinem Geländewagen Q5, die sich geboten hätten, wenn das olympische Feuer am Fuße des Berges in Tibet vorbeikommt. „Wir wollen nicht noch Öl ins Feuer gießen“, heißt es aus dem Konzern-Umfeld.

Doch dafür ist es inzwischen zu spät. Es brennt längst an allen Ecken und Enden von Olympia. Die weltweiten Proteste gegen die Tibet-Politik des Olympia-Gastgebers China, garniert mit prügelnden chinesischen Helfern in blau-weißer Adidas-Kluft während des Fackellaufes durch westliche Metropolen, haben innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, dass die Stimmung im Vorfeld der Spiele gekippt ist, bevor sie überhaupt begonnen haben. Aus der olympischen Fackel wurde die Flame of Shame, die Flamme der Schande, aus den heiteren Spielen drohen hässliche zu werden – und die weltweit aktiven Konzerne, die mit Millionensummen diese Spiele sponsern, stecken mitten drin im Schlamassel.

Statt wie erhofft mit schönen, bunten Bildern von Sportlern aus aller Welt bei Konsumenten auf der ganzen Welt zu punkten, droht ihnen ein PR-Desaster. Noch, sagt der Sportvermarktungsexperte Hartmut Zastrow vom Kölner Unternehmen Sport+Markt, fällt das den Unternehmen zwar nicht direkt auf die Füße: „Es gibt ein gewisses Verständnis beim Verbraucher für die Situation der Firmen.“ Noch sei in deren Augen „China der Bösewicht“.

Doch niemand könne die Dynamik der kommenden Wochen abschätzen. Und erst recht niemand kann Adidas, Coca-Cola, McDonald’s oder einem der anderen der mehr als 60 Sponsoren und Ausrüster von Olympia garantieren, dass nicht während der Spiele ein Polizist einem Demonstranten vor laufender Kamera einen Schlagstock über den Schädel zieht. Und dass dabei nicht gleichzeitig das Firmenlogo mit um die Welt geht, wie es Adidas in der vergangenen Woche passierte.

Thorsten Hofmann, dem Geschäftsführer der auf Krisen-Kommunikation spezialisierten Berliner Unternehmensberatung PRGS, schwant bereits: „Für die Unternehmen selbst kann es noch ganz dicke kommen – es kann noch viele Situationen geben, in denen sie Stellung beziehen müssen, etwa beim Thema Menschenrechte.“

Spätestens dann stecken sie in der Klemme. Denn bislang fahren die Olympia-Sponsoren – darunter neben Adidas auch Volkswagen und die Bahn-Tochter Schenker eine Vogel-Strauß-Politik – Sport ist Sport, und Politik ist Politik. Denn genau wie Coca-Cola, McDonald’s, Visa und Co. werden sie angelockt von 1,3 Milliarden potenziellen Konsumenten, zugleich lassen sie wie Adidas und VW viele Turnschuhe und Autos in China herstellen. Daher wollen sie es sich mit dem Riesenreich nicht verderben – zumal nicht nur die Regierenden in China, sondern auch große Teile der Bevölkerung äußerst empfindlich auf jegliche Kritik von außen reagieren.

Vor einigen Tagen erst machten im Reich der Mitte die ersten Boykott-Aufrufe gegen französische Produkte die Runde – wegen der Tibet-Demonstranten in Paris, die sogar die Fackel auslöschten. Entsprechend wächst in der deutschen Wirtschaft die Sorge: Deutsche Exporte nach China stiegen zuletzt um fast zehn Prozent auf 54 Milliarden Euro – mehr als 3000 deutsche Unternehmen, vom Weltkonzern wie VW bis zu Hunderten von Mittelständlern, haben allein im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro in China investiert.

Auf der anderen Seite wächst der Druck von Politikern, Menschenrechtsaktivisten, Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) sowie Persönlichkeiten wie dem US-Schauspieler und Tibet-Lobbyisten Richard Gere. Sie alle fordern von Unternehmen, sich bei Chinas Machthabern für eine Besserung stark zu machen. „Peking ist eine der größten Marketinggelegenheiten, die es gibt – sowohl für Unternehmen als auch für Aktivisten“, sagt Bill Shireman, Präsident der Future 500, einer Organisation, die Sponsoren und Interessengruppen an einem Tisch zusammenbringt.

Zweifelhaft ist allerdings, ob die Unternehmen auf diese Situation wirklich vorbereitet sind – die Konzerne haben sich in den vergangenen Jahren zwar an Proteste und Kritik von Nichtregierungsorganisationen gewöhnt, die die Arbeitsbedingungen in zahlreichen Produktionsstätten der Sportartikelkonzerne anprangern. Sie haben entsprechende Stellen im Konzern geschaffen, die an den Problemen arbeiten.

Doch jetzt, vor Peking, erreicht der Druck eine völlig neue Dimension und enthüllt eine entscheidende Schwachstelle: Vielen Unternehmen fehlt es an Krisen-PR und Erfahrung mit politischen Ereignissen und Konfliktsituationen. „Wenn ich Geld in die Hand nehme, um meine Marke aufzubauen, muss ich mir auch überlegen, wie ich sie im Krisenfall schütze“, sagt Experte Hofmann. „Und da muss man den meisten deutschen Unternehmen schlicht ein Armutszeugnis ausstellen.“

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