Continental/Schaeffler Trügerische Ruhe durch doppelte Ablösung bei Continental

Im Kampf um Continental lenkt Schaeffler nun ein und will sich friedlich einigen. Zuvor hatte Schaeffler die Propagandamaschine angeworfen und sorgte für einen nie gesehenen Showdown. Der Zwist dürfte für Continental unangenehme Folgen haben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Für die Entmachtung des Continental-Chefs Neumann kämpften Aufsichtsratchef Koerfer, Großaktionärin Schaeffler sowie Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger Quelle: dpa, AP, dpa

Üblicherweise taugen Aufsichtsratssitzungen nicht als Vorlage für Telenovelas. Bei dem, was sich am vorvergangenen Donnerstag in der Continental-Zentrale in Hannover abspielte, war das jedoch anders.

Stundenlang fetzten sich die Teilnehmer der Runde schon vor dem offiziellen Sitzungsbeginn über die Absetzung von Vorstandschef Karl-Thomas Neumann, die der Continental-Aufsichtsratsvorsitzende Rolf Koerfer ohne die übliche Ankündigung im Handstreich durchsetzen wollte. Neumann hatte Schaeffler in einem Brief, der an die Öffentlichkeit gelangte, zuvor scharf angegriffen. Nach rund acht Stunden musste Koerfer jedoch einsehen, dass die Continental-Arbeitnehmervertreter ihm die Gefolgschaft verweigerten. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit gegen Neumann kam nicht zustande.

Koerfer will morgen einen zweiten Anlauf nehmen - es dürfte gleichzeitig sein letzter Akt bei Continental sein. Wie sich einen Tag vor der Sitzung abzeichnet, sind Koerfers Tage als Aufsichtsratsvorsitzender gezählt. Denn der Familienkonzern Schaeffler dürfte in der Kontroverse nun einlenken und neben Neumann auch Koerfer abberufen.

Showdown steht bevor

Damit zeichnet sich in der niedersächsischen Landeshauptstadt ein Showdown ab, wie ihn Konzerne dieser Größe in Deutschland bisher kaum gesehen haben. Neumann wird nach nicht einmal einem Jahr aus dem Amt gedrängt. Dafür muss Schaeffler aber den engen Vertrauten Koerfer opfern. Dieser Doppelrücktritt dürfte auch die aufgebrachten Arbeitnehmer bei Continental beruhigen - denn immerhin muss dann auch ein Schaeffler-Mann seinen Hut nehmen.

Unklar bleibt, ob Neumann sofort abtritt oder erst nach einigen Monaten die Geschäfte an seinen designierten Nachfolger Elmar Degenhart übergibt. Mit dem Schaeffler-Manager Degenhart  erhält der kleinere Zulieferer aus dem  fränkischen Herzogenaurach den direkten Durchgriff auf das operative Geschäft des Konkurrenten in Hannover. Großaktionärin Maria-Elisabeth Schaeffler und Sohn Georg sowie Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger könnten das Zusammengehen mit den Niedersachsen nach eigenem Gusto steuern – Zerschlagung von Continental und Verlagerung des Konzernsitzes nach Herzogenaurach nicht ausgeschlossen.

Eigentlich sollten bei dem Ex-Dax-Konzern Konflikte solchen Kalibers künftig nicht mehr vorkommen. Nachdem Schaeffler im vergangenen Jahr durch geschicktes Anschleichen die Mehrheit an Continental erlangt hatte, einigten sich nach heftigem Streit alle Beteiligten auf eine sogenannte Investorenvereinbarung. Die sollte Frieden zwischen den Niedersachsen und den Franken schaffen, indem Continental seine weitgehende Eigenständigkeit behalten und Schaeffler nicht gegen den Willen von Continental ins operative Geschäft in Hannover eingreifen sollte.

Der Nichtangriffspakt ist Makulatur

Doch der Nichtangriffspakt ist mit dem Plan, Neumann durch Degenhart zu ersetzen, Makulatur. Mehr noch: Es scheint. als fühle Schaeffler sich an den niedersächsischen Frieden von 2008 gar nicht mehr gebunden.

Die Investorenvereinbarung zum Schutz von Continental vor Schaeffler, so der Tenor im engsten Schaeffler-Umfeld, sei im Kern überholt. Ihr Sinn habe unter anderem darin bestanden, gegenüber den Banken zu versichern, dass es keine neue mehrheitliche Kontrolle über Continental durch den neuen Großaktionär Schaeffler geben werde. Diese Erklärung habe verhindern sollen, dass die Banken die Milliardenkredite für Continental für die Übernahme des Zulieferers VDO fällig stellen und Continental damit existenziell gefährden könnten. Doch diese Gefahr sei passé. „Wir sind längst an dem Punkt, dass eine Fusion von Continental mit Schaeffler aus Sicht beider Parteien gar nicht schnell genug gehen kann, um das neue Gebilde voranzubringen“, heißt es aus dem Umfeld des Herzogenauracher Zulieferers.

Seit Monaten fragen sich Banker allerdings, wie lange sie noch Zeuge eines der aufregendsten Dramen der deutschen Industriegeschichte sein werden. Denn ganz offenkundig zwingt das überschuldete Unternehmen Schaeffler einige Banken zum Stillhalten. Der Grund: Ein Ausfall der Milliardenkredite an Schaeffler für die Übernahme von Continental würde den Geldhäusern in der gegenwärtigen Finanzkrise bedrohliche Abschreibungen bescheren.

Für die Schaeffler-Truppe sind dies lediglich „reißerische Vermutungen“, die „nicht auf dem aktuellen Stand“ seien. Das fränkische Familienunternehmen mit seinen rund elf Milliarden Euro Bankenschulden stehe sogar „kurz davor“, mit den Banken eine Refinanzierung der Kredite abzuschließen. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens habe sich „dramatisch verbessert“. Alle Welt werde erleben, dass bald für „die nächsten vier, fünf Jahre Ruhe an der Kreditfront“ einkehren werde. Genaue Zahlen und Belege gibt es dafür bisher nicht.

Kritik an dem gescheiterten Handstreich gegen Continental-Chef Neumann übten Tui-Chef Frenzel, Nord/LB-Chef Dunkel und Ex-Dresdner Bank Vorstand Voss (von links) Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche, dpa

Für echte Entspannung würde die jüngst vom Aufsichtsrat – auch mit Zustimmung von Schaeffler – beschlossene Kapitalerhöhung für Continental sorgen. Doch Frankfurter Banker bezweifeln inzwischen, ob Anleger eine Kapitalerhöhung mit einem Schaeffler-Mann an der Continental-Spitze mitmachen würden.

Auch Schaeffler kann die Kapitalerhöhung wie geplant um bis zu 1,5 Milliarden Euro nicht nur freuen. Derzeit hält der Konzern rund 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile an Conti, weitere 40 Prozent sind bei den Banken geparkt. Nach einer Kapitalerhöhung sänke der Anteil jedoch auf 30 bis 40, respektive knapp über 60 Prozent mit den geparkten Aktien.

Gerüchte um Staatsbürgschaft

Dass sich die Schaeffler-Eigentümer Maria-Elisabeth und ihr Sohn Georg gegen eine Kapitalspritze stemmen, sei dennoch „eine Mär“, tönt es aus dem unmittelbaren Umfeld der beiden. Sie von der Aktion zu überzeugen, habe gerade mal „zehn Sekunden“ gedauert. Aus dem Kreis der Conti-nahen Banken klingt das anders: Schaeffler habe im ersten Anlauf Neumanns Vorstoß für eine Kapitalerhöhung über bis zu 1,5 Milliarden Euro abgelehnt. Außerdem hatte Neumann Schaeffler in seinem Brief eine Blockadehaltung vorgeworfen. Umso überraschender wirkt, dass es in Herzogenaurach nun heißt, die Summe könnte vielleicht „sogar zu wenig sein“. Die eigentliche Größenordnung hänge von den Projekten und der Strategie ab, wie „aggressiv“ sich Continental künftig auf dem Markt bewegen wollte.

Wer die weiteren Milliarden in Continental stecken soll, darüber herrscht allerdings Stillschweigen. Der Verdacht, dass Mutter, Sohn oder Statthalter Koerfer deswegen demnächst beim Staat nach einer Bürgschaft oder sonstigen Hilfe fragen, kontert einer der Betroffenen auffällig kleinlaut: „Ich hoffe, nicht.“

Schaeffler ist Geldgebern ausgeliefert

Für Aufhorchen dürfte in Hannover allerdings eine ganz andere Botschaft aus Franken sorgen. Ihnen sei es „schnurz“, sagt einer der Schaeffler-Vertreter im Aufsichtsrat, der seinen Namen nicht in der WirtschaftsWoche lesen möchte, wo der künftige Konzernsitz von Continental sei – in Hannover oder in Herzogenaurach. Eine von den Niedersachsen befürchtete Verlagerung nach Süddeutschland sei „nicht kriegsentscheidend“. In einer Präsentation von Schaeffler-Geschäftsführer Geißinger am vorvorigen Donnerstag vor dem Aufsichtsrat klang das anders, wie Teilnehmer berichten. Geißinger habe keinen Zweifel gelassen, dass der Sitz der verschmolzenen Konzerne in Herzogenaurach sein solle.

Nur zwei Parteien könnten den Durchmarsch von Schaeffler in Hannover noch bremsen: zum einen die Banken, bei denen Continental und Schaeffler Milliarden Schulden haben. Sie müssen den gemeinsamen Schuldenberg abtragen. Schaeffler besitzt zwar die Aktienmehrheit an Continental, hat aber sämtliche Continental-Aktien verpfändet und mehr Schulden als Eigenkapital. Damit sind die Franken in der Hand ihrer Geldgeber. Zum anderen bleibt abzuwarten, ob Arbeitnehmervertreter und Kapitalvertreter, darunter Ex-Dresdner-Bank-Vorstand Bernd Voss, Nord/LB-Chef Gunter Dunkel und TUI-Chef Michael Frenzel, Neumanns designierten Nachfolger Degenhart wählen.

Ganz kampflos wird sich wohl auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) nicht ergeben, auch wenn Niedersachsen anders als an VW keine Anteile an Continental hält. Sollte der Streit weiter eskalieren, könnte aus der Übernahmeschlacht ein Politikum werden. Denn Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) lässt keinen Zweifel daran, dass er Schaeffler mit Staatshilfe unterstützen möchte. Schließlich gehe es um „zutiefst bayrische Interessen“.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%