Crazy America Heizen bis die Butter schmilzt

Wie reagieren die Amerikaner auf hohe Energiepreise? Mehr Off-Shore-Bohrinseln, mehr Atomkraft, mehr Subventionen. Dabei wäre Sparen die schnellere und einfachere Lösung. Mit Geschichten über Energieverschwendung in Amerika könnte man Bibliotheken füllen. Unser Korerspondent Andreas Henry aus New York über ein selbst erlebtes Beispiel.

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Ich suche eine neue Wohnung in New York. Die Maklerin zeigt uns einen großen Gebäudekomplex am East River -  Stuyvesant City. Gebaut nach dem Zweiten Weltkrieg, für Soldaten und Offiziere, ein typischer Ziegelsteinbau, aber sehr nett renoviert, mit großen Wohnungen, schönem Parkettboden und einer für Manhattan sehr ruhigen Umgebung. Zwischen den rund 13 Stock hohen Häusern jagen sich die Eichhörnchen die Platanen hoch, Bänke laden zum Verweilen ein, der Lärm der First Avenue verstummt fast, auf einem Basketballfeld spielen ein paar Jungs, Frauen schieben Kinderwägen durch die gepflegte Parkanlage zwischen den 110 Häusern. Sieht sehr nett aus und ist nur ein paar Minuten zu Fuß vom Union Square entfernt, wo wir unser neues Büro haben. Die Preise für die hellen Wohnungen sind auch ok, gut 4000 Dollar pro Monat für drei Zimmer/Küche/Diele/2 Bäder. Sogar einen Monat mietfrei bieten die neuen Eigentümer an. Das ist für Manhattan fast günstig.  

Doch dann der Schock: In der Drei-Zimmer-Wohnung, die wir besichtigen, herrscht eine Hitze wie in einer Sauna. Obwohl das Fenster bereits einen Spalt offen steht. Alle Heizkörper bollern wie verrückt Heißluft in jeden Raum. Wie kann man die Heizung abstellen, frage ich die junge Frau von der Vermietungsgesellschaft. Gar nicht, antwortet sie. Es sei eine Zentralheizung, die in der Heizsaison durchgängig läuft. Wenn es einem zu warm wird, soll man das Fenster öffnen. Wie bitte? Das Fenster ist bereits offen, entgegne ich. Dann stellen Sie die Klimaanlage an, erwidert sie. Offenbar denkt sie, ich hätte eine Frischluft-Allergie. Das würden alle machen, schließlich seien die kompletten Strom- und Heizkosten in der Pauschalmiete bereits enthalten, wirft die Maklerin ein. Woww! Hier sind 11250 Apartments, in denen keiner der rund 25000 Einwohner auch nur einen Minimalanreiz hat, Energie zu sparen. In vielen  Wohnungen kämpft jeden Tag zwischen Oktober und April die Klimaanlage 24 Stunden lang tapfer gegen die Heizung um eine erträgliche Raumtemperatur. In vielen Wohnungen stehen den ganzen Tag die Fenster offen. Kein Wunder, dass in Manhattan kein Schnee mehr liegen bleibt. Wird alles mit Heißluft aus Stuyvesant City weg geföhnt. Die Private-Equity-Gesellschaft, die den gewaltigen Komplex für 5,4 Milliarden Dollar von einer Versicherungsgesellschaft gekauft hat, investierte zwar in schicke Bäder und moderne Küchen mit Granitplatten. Doch darüber, wie man hier die Temperatur regeln könnte und so Energie einspart, hat niemand einen Gedanken verschwendet.

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