
Stuttgart Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche will auch künftig die Geschicke der Pkw-Marke Mercedes-Benz steuern und den Posten nicht für seinen Vertrauten Wolfgang Bernhard räumen. Auch sechs Jahre nach der Berufung an die Spitze von Daimler und von Mercedes-Benz Pkw stellt Zetsche die machtvolle Doppelrolle nicht in Frage: „Das war eine der besten Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe“, sagte Zetsche der Nachrichtenagentur Reuters.
Damit schwinden die Hoffnungen für den 2009 zu Daimler zurückgekehrten einstigen Shootingstar Bernhard, Zetsche bald als Boss der wichtigsten Daimler-Sparte und Ertragsperle des Konzerns beerben zu können.
Der 58-jährige Zetsche dämpfte zudem die Erwartung, dass Bernhard eine besondere Stellung im sechsköpfigen Daimler-Vorstand zukomme. „Es gibt bei uns keine Kronprinzen“, sagte Zetsche, dessen Vertrag noch bis Ende 2013 läuft. Der Vertrag von Mercedes-Produktionschef Bernhard läuft bereits im Februar 2013 aus. In wenigen Monaten dürfte der Aufsichtsrat daher über eine mögliche Verlängerung entscheiden, da gewöhnlich ein Jahr vor Ende der Laufzeit darüber befunden wird.
Zetsche steht seit Anfang 2006 an der Daimler-Spitze, nachdem sich der langjährige Konzernchef Jürgen Schrempp vorzeitig in den Ruhestand verabschiedete. Bereits wenige Monate früher - im Herbst 2005 - hatte Zetsche den Chefposten bei der Kernsparte Mercedes-Benz Pkw übernommen. Zuvor hatte sein im Rennen um die Konzernführung unterlegener Rivale, Eckhard Cordes, als Mercedes-Chef entnervt das Handtuch geworfen. Cordes wechselte später zum Handelskonzern Metro.
„Kein Frühtstücksdirektor“
An seiner Doppelrolle als Daimler- und Mercedes-Chef will Zetsche nicht rütteln: „Ich bin überzeugt, dass ich ein erheblich schlechterer Konzernchef wäre, wenn ich nicht tief im Unternehmen, in seinen operativen Geschäften verankert wäre“, sagte er im Reuters-Interview. „Und umgekehrt wäre ich ein viel schlechterer Mercedes-Chef, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, ohne Stufen direkt die Geschicke des Mercedes-Geschäfts dann auch in letzter Konsequenz zu bestimmen“, fügte er hinzu.
„Dass die Mehrzahl derjenigen, die in den Automobilkonzernen Verantwortung haben, im operativen Geschäft tätig sind und nicht als Frühstücksdirektoren herumlaufen, ist glaube ich eine gute Entwicklung“, fügte Zetsche unter Verweis auf die Führungsstrukturen bei VW, Renault und Fiat hinzu.
Analysten spekulierten bisher auf einen Generationenwechsel bereits im Frühjahr kommenden Jahres, auch um bei Mercedes-Benz für mehr Drehmoment zu sorgen: „Als ein Startpunkt dafür sollte Wolfgang Bernhard die Position als CEO bei Mercedes einnehmen, der als Manager eine hohe Reputation genießt, Geschäft umzubauen und zu verbessern“, schrieb die Bank Credit Suisse unlängst an ihre Kunden. Denn die wichtigste Daimler-Sparte zuckelt im laufenden Jahr den Oberklasse-Konkurrenten BMW und Audi bei der Rendite deutlich hinterher.
Schon einmal stand der 51-jährige Bernhard kurz vor dem Wechsel an die Spitze von Mercedes-Benz. Im Jahr 2004 war er bereits als Sparten-Chef auserkoren, wurde dann aber überraschend aufs Abstellgleis gestellt: Sein Förderer Schrempp setzte den Wirtschaftsingenieur nach Querelen im Vorstand und mit dem Betriebsrat an die Luft, da Bernhard öffentlich Qualitätsmängel bei Mercedes kritisiert hatte.
Keine Vorschusslorbeeren
Nicht weniger spektakulär wechselte Bernhard nur ein halbes Jahr nach seinem Abschied bei Daimler zu Volkswagen, wo der als Sanierer geltende Manager schon bald als Nachfolger des damaligen Konzernchefs Bernd Pischetsrieder gehandelt wurde. Als der Bayer und frühere BMW-Chef im Zuge des Konzernumbaus bei Volkswagen seinen Job verlor, musste auch Bernhard gehen.
Er wechselte zum Finanzinvestor Cerberus, der Daimler die verlustreiche US-Tochter Chrysler abkaufte. An der Sanierung des US-Autobauers, der mittlerweile zu Fiat gehört, hatte sich Bernhard zusammen mit Zetsche jahrelang versucht - letztlich erfolglos.
Anfang 2009 holte Zetsche seinen langjährigen Kollegen wieder zurück zu Daimler - zunächst als Chef der Transporter-Sparte eine Etage unterhalb des Vorstands. Im Februar 2010 rückte Bernhard mit dem Segen der Arbeitnehmervertreter in den obersten Entscheidungszirkel auf. Seite an Seite mit Zetsche könne sich Bernhard damit für den Vorstandsvorsitz warmlaufen, hieß es im Unternehmen. Auf Sonderbehandlung kann Bernhard aber nicht hoffen. „Ich habe sechs Kolleginnen und Kollegen, die alle einen exzellenten Job machen“, betont Zetsche.
Damit hält er das Rennen um seine Nachfolge offen: „Es gibt bisher weder Vorüberlegungen noch Festlegungen in dieser Frage, insofern stellt sie sich nicht.“ Vertrauten zufolge liebäugelt Zetsche mit einer dritten Amtszeit, womit Bernhards Geduld auf eine harte Probe gestellt würde. Denn bei einer vorzeitigen Wiederbestellung Anfang 2012 für weitere drei Jahre würde Zetsche Daimler bis Ende 2016 führen und danach als 63-jähriger in den Ruhestand wechseln.