Daimler Elektroautos: Mehr Volt im Tank

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Apple statt Porsche

Bei den Sparplänen helfen soll ein neues Hybridbaukasten, dessen Komponenten von der kleinen C-Klasse bis zur S-Klasse in fast alle Baureihen passen. Für Bain-Experte Matthies der richtige Weg: „Wenn Hersteller es nicht schaffen, diese sehr anspruchsvolle Technik zu vereinheitlichen und modular aufzubauen, laufen ihnen die Komplexität und die Kosten in der Entwicklung, im Einkauf und in der Produktion aus dem Ruder.“

Das erste Fahrzeug, das sich aus dem neuen Baukasten bedienen kann, wird in diesem Herbst der Mercedes S 400 sein. Die Mercedes E-Klasse, deren Nachfolgemodell in Detroit Weltpremiere feiert, wird es voraussichtlich von 2011 an mit dem neuen Hybridantrieb geben, mit dem das Auto dann auch rein elektrisch fahren kann.

Wie viel Geld Daimler für den Techniksprung ausgeben muss, will in Stuttgart noch niemand verraten. Aber sicher scheint: Es werden Milliarden sein.

Und wie ernst es die Stuttgarter meinen, zeigt die kürzlich geschlossene Kooperation mit dem Essener Chemie- und Technologiekonzern Evonik. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen eine Massenproduktion hochziehen für die besonders leistungsfähigen Lithium-Ionen Batterien für den automobilen Einsatz. Energiespeicher, die für den Einsatz im Auto geeignet, also hinreichend sicher und langlebig sind, gehen bisher richtig ins Geld: Ein mittelgroßer Batteriepack, wie er in der Elektro-A-Klasse zum Einsatz kommen könnte, kostet derzeit noch mehr als 10.000 Euro.

Diese – noch – hohen Kosten sind für deutsche Hersteller aus Sicht der Experten sogar ein Wettbewerbsvorteil: „Die Premium-Hersteller können die Kosten deutlich besser an ihre weit weniger preissensiblen Kunden weitergeben als Massenhersteller“, sagt Bain-Experte Matthies.

Jeder fünfte dieser Premium-2.0-Kunden würde allerdings ohne Weiteres auch ein Auto von Apple kaufen

Die Bain-Berater haben im Rahmen ihrer Studie sogar einen neuen Autokäufertyp ausgemacht, zu dem zumindest kurzfristig fast zwei Drittel der potenziellen Käufer von Elektroautos gehören dürften.

Bain nennt ihn den Premium-2.0-Kunden und beschreibt ihn ungefähr so: Er verdient mit 7100 Euro durchschnittlichem Netto-Haushaltseinkommen etwa zweieinhalbmal so viel wie der deutsche Durchschnittshaushalt. Er schätzt Markenprodukte und moderne Technik. Er ist aber auch bereit, für ein umweltfreundliches Produkt mehr Geld zu bezahlen, und er macht für seinen Erstwagen durchschnittlich mehr als 60.000 Euro locker. Ein Kunde also, wie ihn Audi, BMW und Daimler lieben.

Jeder fünfte dieser Premium-2.0-Kunden würde allerdings ohne Weiteres auch ein Auto von Apple kaufen. „Diese Leute sind vor allem von der neuesten Technologie und coolem Design wie beim Apple iPhone fasziniert. Das ist für sie im Zweifel sogar noch wichtiger als die Marke, solange sie dieser grundsätzlich vertrauen“, warnt Experte Matthies.

Das eröffne Unternehmen die Chance auf einen Markteintritt, die noch gar nicht in der Autoindustrie vertreten sind. Mit den richtigen Modellen könnte zudem die etablierte Konkurrenz den deutschen Premium-Marken Kunden wegschnappen, etwa die japanische Toyota-Tochter-Lexus: „Wenn ich mir als Mercedes-Kunde ein Elektro-Zweitauto von Toyota kaufen würde, wäre der Verkäufer ja dumm, wenn er mir nicht über das Wochenende mal eine Lexus-Hybridlimousine vor die Tür stellen würde. Und vielleicht wäre das dann auch mein nächstes Erstauto“.

Daimler wird nicht mehr zeitgemäße Modellvarianten beerdigen

Apropos Erstauto: Daimler wird im Zuge seines Strategie-Schwenks auch die ein oder andere nicht mehr zeitgemäße Variante beerdigen. So wird schon jetzt der zwölfzylindrige und besonders durstige Mercedes S 600 in den meisten europäischen Ländern nicht mehr angeboten.

Selbst unter den sparsameren Autos gibt es ein erstes potenzielles Opfer: die Hybridversion des Geländewagens Mercedes ML. Der Geländewagen, dessen Antrieb gemeinsam mit General Motors und dem Münchner Rivalen BMW entwickelt wurde, sollte eigentlich im Herbst 2009 auf den Markt kommen.

Doch inzwischen sind in Stuttgart deutliche Zweifel zu vernehmen, ob das Auto noch in Serie geht. So verwende der ML eine längst überholte Batterietechnologie. Damit sei das Auto, wie ein Daimler-Manager verrät, "schon jetzt nicht mehr zeitgemäß".

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