Datendiebstahl Erstes Opfer durch Datenskandal

Seite 2/2

Web-Seite von Deutscher Lotto Pool: Das Logo des Anbieters mit Sitz in Nordzypern erinnert an die staatliche Glücksspirale

Die entscheidende Lücke in dieser Argumentation: Die Rentnerin konnte sich gar nicht auf der Internet-Seite www.mp3player-gewinnspiel.de anmelden, weil sie überhaupt keinen Computer besitzt. Offenbar muss dies jemand an ihrer Stelle getan haben. Wer, das ist die große, ungeklärte Frage. Ihr Sohn Nico jedenfalls scheidet, wie er versichert, 100-prozentig aus. Eine Möglichkeit, demjenigen auf die Schliche zu kommen, der sich als Gerda Bäumler ausgab und sich unter ihrem Namen als Teilnehmer bei www.mp3player-gewinnspiel.de eintrug, bietet die sogenannte IP-Nummer, mit der die angebliche Registrierung Gerda Bäumlers via Internet als Glücksspielerin erfolgte. Die IP-Nummer ist die Adresse, die jeder Rechner im Internet besitzt. Doch die IP-Nummer des PCs, über den Gerda Bäumlers Registrierung erfolgte, führt ins Leere. Sie gehört zu einem Internet-Anbieter in der Schweiz und ist gegenwärtig nicht weiter verfolgbar.

Daraus ergibt sich eine wichtige Schlussfolgerung aus dem Datenskandal, über den die WirtschaftsWoche im Dezember berichtete: Offenbar ist die illegale, nur schwer verfolgbare Eingabe fremder Daten unter dem Namen der Betroffenen ein bisher unbeachtetes Einfallstor, durch das die auf dem Schwarzmarkt kursierenden Kontonummern in den legalen Wirtschaftskreislauf gelangen. Denn G-Winnjagd war nicht das einzige Unternehmen, das offenbar auf diese Weise Gerda Bäumler als vermeintliche Kundin keilte.

Auf ähnliche Art kam offenbar auch die Abbuchung durch die CML Telekommunikations GmbH aus dem niederrheinischen Voerde zustande, für die der G-Winnjagd-Wettbewerber Aktion-Happy-Winner arbeitet. Auf Anfrage erklärt der Anwalt von CML, Andreas Klodt, Gerda Bäumler habe sich auf der Internet-Seite des Gewinnspielanbieters www.das-sport-gewinnspiel.de eingetragen, der ebenfalls von CML betrieben wird. Doch das stimme nicht, versichert die Betroffene. Befragt, ob CML überprüfen könne, wer die Eintragung stattdessen vorgenommen habe, antwortet CML-Anwalt Klodt: „Eine Identitätsfeststellung ist bei der Eingabe der Daten nicht möglich.“

Betrugsringe waschen illegale Datenbestände rein

Für Experten nährt dies den Verdacht, dass so manche Gewinnspiel-Web-Site auch dazu dient, illegal erworbene persönliche Daten zu legalisieren, ohne dass Rückschlüsse auf die wahre Identität des Eingebenden möglich sind. „Es gibt Betrugsringe, die auf diesem Wege Adress- und Bankdaten vom Schwarzmarkt waschen und mit einer Zustimmung für Werbung versehen“, sagt Hans Gliss, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Datenschutz-Berater“.

Zu den Firmen, die bei Gerda Bäumler Geld abbuchten, gehört auch ein Anbieter namens Deutscher Lotto Pool. Wer mit dem Unternehmen in Kontakt treten will, verliert sich ebenfalls schnell im Cyberspace. Denn die Web-Site von Deutscher Lotto Pool endet auf „.com“, nicht auf „.de“. Das Logo der Firma erinnert stark an das Emblem der staatlichen Glücksspirale. Registriert ist die Domain freilich auf eine Firma namens Yacoo Trading Ltd. in Girne, einer Stadt in der nur von der Türkei anerkannten Republik Nordzypern. Auf schriftliche Fragen nach den Hintergründen der Abbuchung in Höhe von 60,80 Euro bei Gerda Bäumler erhielt die WirtschaftsWoche von dort keine Antwort.

Auch bei der Firma Winners49 aus Potsdam, die monatlich 29,90 Euro von Gerda Bäumlers Konto abbuchte, verlieren sich die Spuren im Ausland. Befragt nach dem Zustandekommen des Vertrages und weiteren Details, antwortete Winners49 schriftlich, Frau Bäumler habe die Teilnahme an dem Gewinndienst Ende Juni 2008 telefonisch bestellt. Die übermittelten Kundendaten stammten jedoch nicht von Winners49 selbst, sondern von einem Callcenter namens AS-Call Ltd. STI, ansässig in Mecidiyeköy bei Istanbul. Woher jenes Callcenter wiederum die gesetzlich erforderliche Zustimmung von Gerda Bäumler für Telefonwerbung habe, das konnte oder wollte Winners49 auf erneute Anfrage nicht beantworten.

Nico Bäumler hat längst reagiert. „Ich habe alle dubiosen Lastschrifteinzüge zurückbuchen lassen“, sagt er. Das funktioniert sogar über die Frist von sechs Wochen hinaus, die Banken üblicherweise gewähren. Denn die Sechs-Wochen-Frist gilt nur für Lastschriften, für die eine Einzugsermächtigung vorlag. Bei ungenehmigten Abbuchungen können Kontobesitzer die Beträge gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofs auch länger zurückholen (Aktenzeichen XI ZR 258/99). Obergrenze dabei ist die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren. Gegen die Rückholaktion von Nico Bäumler hat sich kein Anbieter gewehrt. „Offenbar“, sagt Nico Bäumler, „weil es dafür eben keine Grundlage gibt.“

*Name geändert

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%