
Adrian von Hammerstein genoss den gemütlichen Abend in der Bibliothek des Berliner Luxushotels Adlon sichtlich. Bei Häppchen und Rotwein wollte der Chef von Kabel Deutschland sein Mauerblümchendasein abstreifen und sich im Stil von Marktführern wie Deutsche Telekom und Vodafone präsentieren. „Krise? Die spüren wir nicht“, sagt von Hammerstein stolz und legt den Journalisten Rekordzahlen vor. „Jeden Werktag installieren wir bei 2000 Kunden einen schnellen Internet-Anschluss.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Zahl der Haushalte, die über den viel schnelleren TV-Kabelanschluss im Internet surfen, auf 700.000 fast verdoppelt. In diesem Jahr sollen es noch mehr werden.
Was in der entspannten Atmosphäre im Adlon noch niemand ahnte: Die tollen Zahlen erreichte Hammerstein, indem er eine gigantische Vertriebsmaschinerie anwarf – und dabei den Datenschutz bei den Vertriebspartnern zu wenig beachtete.
1200 Mitarbeiter im eigenen Callcenter und mehrere Hundert Agenten bei externen Callcenter-Betreibern telefonieren tagtäglich den Bestand von 9,1 Millionen Kabel-TV-Kunden ab. Möglichst viele Haushalte sollen ihren Telekom-Anschluss aufgeben und auf die deutlich günstigeren Komplettpakete mit Telefon- und InternetAnschluss von Kabel Deutschland umsteigen. Ohne eine eigene Shop-Kette ist Kabel Deutschland mehr als andere Telekom-konzerne darauf angewiesen, dass aggressive Callcenter den Kabel-Kunden, die bisher lediglich TV-Signale aus der Kabelbuchse beziehen, viel einträglichere Produkte wie Telefon und Internet verkaufen. Das gelingt ihnen, wie die jüngsten Absatzzahlen zeigen, immer öfter. Und das ist im Prinzip auch ganz legal.
Fahrlässiger Umgang mit Kundendaten
Mit den Kundendaten ging Kabel Deutschland jedoch offensichtlich äußerst fahrlässig um. Bis vor wenigen Wochen setzte das Unternehmen diverse externe Callcenter ein. Viele dieser Partner wiederum bedienten sich je nach Größe eines Auftrags der Hilfe von sogenannten Poolern. Derartige Mittelsmänner bündeln ihrerseits die Kapazitäten von weiteren kleineren Callcentern im In- und Ausland. Kabel Deutschland wiederum stellte seinen Vertriebspartnern die eigenen Kundendaten als Excel-Dateien zur Verfügung – geradezu eine Einladung zum Datenmissbrauch, weil die nur schwach gesicherten Dateien leicht in dem Dickicht aus Callcentern, Poolern und Subunternehmern versickern konnten. „Mehrere Millionen Kundendaten kursieren seitdem bei Callcentern im In- und Ausland“, berichtet ein Insider.
Durch derartige Nachlässigkeiten im Umgang mit sensiblen Daten trug Kabel Deutschland letztlich dazu bei, dass Missbräuche wie der von der WirtschaftsWoche im Dezember des vergangenen Jahres aufgedeckte Datenskandal überhaupt möglich werden: Danach kursieren schon länger die Namen, Adressen, Geburtstage sowie Kontonummern und Bankleitzahlen von 21 Millionen Deutschen auf dem Schwarzmarkt. Diese Daten stammen zumeist aus kleineren Callcentern mit geringeren Sicherheitsstandards. Dort ist es für Mitarbeiter mit krimineller Energie ein Leichtes, Daten von Auftraggebern wie eben Kabel Deutschland zu kopieren und auf eigene Rechnung in dubiosen Kanälen verschwinden zu lassen.