Der Paulaner-Tyrann Wie Bier-Erbe Schörghuber sein Imperium ins Chaos manövriert

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Paulaner-Inhaber Stefan Schörghuber Quelle: AP

Vor einigen Jahren schien der Generationswechsel sogar gelungen. Schörghuber und Salewski ordneten das Firmen-Sammelsurium unter der Schörghuber Stiftung & Co. Holding KG. Joint Ventures mit internationalen Partnern im Bier- und im Hotelbereich eröffneten dem überwiegend deutschen Geschäft bessere Perspektiven als manchem Konkurrenten. Die Mehrheit dabei hält jeweils Schörghuber. Zuletzt wurden die in den Einzelunternehmen agierenden Finanzabteilungen zur Schörghuber Corporate Finance gebündelt, was die Finanzierungskosten gesenkt haben soll. Seit der Konzern nach dem internationalen IFRS-Standard bilanziert, kann das Management jederzeit auf Knopfdruck feststellen, wo es Werte vernichtet oder aufbaut – nicht selbstverständlich für ein deutsches Familienunternehmen.

Schörghuber hätte gerne das Renommee anderer großer deutscher Familienunternehmer, nach dem Vorbild der Bielefelder Oetker-Gruppe, heißt es in München, habe der Junior-Chef das Unternehmen aufgestellt: mit einer Holding als Dachgesellschaft, zwei Vorständen und vier sauber getrennten Sparten, die sich gegenseitig kaum befruchten. Tatsächlich gibt es weitere Parallelen zwischen Schörghuber und Oetker. Beide Clanchefs sammeln alte Karossen – wobei Schörghubers Oldtimersammlung dreimal so groß ist wie die von August Oetker. Beide schmücken ihr Privatvermögen mit Luxushotels. Bier ist in beiden Konzernen ein wichtiges Geschäft.

Doch auf das Image von Oetker kann Schörghuber nur neidvoll schauen wie der Neureiche auf den Adel. In Bielefeld sind die wichtigsten Manager oft seit Jahrzehnten im Amt, selbst als Pensionäre behalten sie Büro und Sekretariat im Holdinggebäude. In München werden langjährige Weggefährten vom Hof gejagt und Vorstände öffentlich gedemütigt.

Die vierte Etage der Konzernzentrale an der Denninger Straße in München-Bogenhausen ist zweigeteilt. Tritt man aus dem Aufzug, liegen rechts die Büroräume des Unternehmenschefs. Kamerakontrolle, Sicherheitstechnik versperrt den Zugang. Stefan Schörghuber schottet sich ab. Selbst Top-Manager beschreiben es als extrem schwer, eine Audienz zu bekommen. Außer für einen: Finanzvorstand Hoh.

Der 44-Jährige ist der vielleicht Einzige im Unternehmen, dem Schörghuber derzeit vertraut und der ständigen Zugang zu ihm hat. Schörghuber hat den Juristen vom kleinen Sekretariatsleiter der Brausparte zum Finanzvorstand im Machtzentrum der Holding gemacht und lässt ihn nach Gutdünken agieren. Hoh spielt die Rolle des Vollstreckers und die der grauen Eminenz.

Der Mann fürs Grobe: Hans-Peter Hoh

Hoh residiert als einziger Top-Manager wie Schörghuber auf Etage vier – links vom Aufzug. Wer ihm zum ersten Mal begegnet, ist überrascht. Den charmanten Small Talk beherrscht er locker, der Blick durch die braune Hornbrille mit dicken Gläsern ist freundlich. Das soll der Mann sein, der einem Dutzend ehemaliger Kollegen Schweißperlen auf die Stirn treibt und Angst einjagt? Der herumbrüllt, dass die Wände vibrieren? Dessen Führungsstil angeblich gestandene Manager „destabilisiert“? Schörghubers Mann fürs Grobe?

Mitglieder der Führungsetage bezeichnen Hoh als „bücherschlau“, aber ohne eigene Managementerfahrung. Das Getränkemagazin „Inside“ charakterisiert den Finanzexperten wahlweise als „zahlenfixierten Schreibtischtäter“, „Controllingdogge“ oder „Zahlenknecht“.

Die Schörghuber-Geschassten, mit denen die WirtschaftsWoche gesprochen hat, erlebten die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses als Tiefpunkt der Karriere. Alles daran erscheint ihnen unberechenbar und verletzend. Warum er überhaupt gehen musste, kann auch im Nachhinein kaum einer sachlich nachvollziehen.

Die Geschassten erkennen in der Dramaturgie der Trennung ein Muster: Zuerst werden neue Top-Manager mit allen Insignien der Macht ausgestattet, „es gibt ein Spitzengehalt, einen Dienstwagen mit Fahrer und wann immer man will sogar den Firmenjet“. „Quasi über Nacht und ohne ersichtlichen Grund ändert sich das Verhältnis“, berichtet ein Betroffener. „Die Kommunikation bricht ab, man bekommt keine Termine mehr.“ Ein sicheres Zeichen, dass STS, wie Stefan Schörghuber intern genannt wird, das Interesse an der Person verloren hat und deren Abgang betreibt.

Dann beginnt der aufreibende Teil: In die Schusslinie geratene Manager berichten von vorwurfsvollen Briefen Schörghubers, „meist versteht man nicht mal, was er überhaupt will“, In der vorletzten Phase übernähmen Controlling und Revision das Weichklopfen der zum Abschuss Freigegebenen – angeblich unterstützt vom Konzern-Sicherheitsdienst, den ein ehemaliger GSG-9-Mann leitet.

Ein Betroffener sagt: „Wenn Führungskräfte dort Vertrauliches besprechen wollen, treffen sie sich in einer Kneipe.“ Intern nennen leitende Mitarbeiter ihr Unternehmen „Die Firma“ – in Anlehnung an den John-Grisham-Thriller über eine Kanzlei, die ihre Angestellten tyrannisiert.

Die letzte Phase ist der Vollzug der Trennung via Aufhebungsvertrag – offiziell „einvernehmlich“, tatsächlich aber nicht selten begleitet von juristischen Auseinandersetzungen, bei denen schweres Geschütz aufgefahren wird. Seit ein Ex-Manager berichtet, ihm würde eine Schadensersatzforderung in Millionenhöhe angedroht, geht unter allen Trennungskandidaten die Angst vor horrenden Anwaltskosten um. Berichte über spektakuläre Entlassungen verbreitet der Flurfunk.

Dem Ex-Chef der Brau Holding, Friedrich Georg Hoepfner, etwa wurde nach dessen Ausscheiden der Kontakt mit Mitarbeitern und Kunden verboten. Zusätzlich erhielt er Hausverbot. Bei einem anderen wurden angeblich ohne Ankündigung das Türschloss ausgewechselt und die Sekretärin versetzt. Das Unternehmen bestreitet, jemals solche Methoden praktiziert zu haben. In einem Statement heißt es aber: „Bei Trennungen im Konflikt ergreifen wir selbstverständlich die in solchen Fällen in allen Unternehmen dieser Welt üblichen Maßnahmen, um Schaden vom Unternehmen abzuwehren.“

Auch wenn die Schörghuber-Pressestelle emsig bemüht ist, das Führungsproblem herunterzuspielen. Fakt ist: Fast alle Top-Manager aus der Unternehmensleitung – nach dem zweiköpfigen Vorstand das wichtigste Leitungsgremium – haben das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verlassen. Das Getränkegeschäft wird seit vergangenem Herbst kommissarisch von Schörghuber und Hoh verantwortet; ein neuer Brauchef ist nicht in Sicht. Auffallend: Der Aderlass begann just, nachdem Hoh 2006 als Finanzchef in den Vorstand aufgestiegen war. Weitere Führungskräfte stehen nach WirtschaftsWoche-Informationen vor dem Absprung – oder Abschuss.

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