Design Designbranche erlebt harte Zeiten

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Red Dot best of the best: Schuhkarton für Görtz, Design: Gürtlerbachmann, Hamburg

Die Schuhhandelskette Görtz etwa verließ sich auf eine Idee des Newcomers Gürtlerbachmann. Die 2006 gegründete Hamburger Agentur kreierte für die Kinderschuhmarke gonuts by Görtz vier Schuhkartons, die sich dank bunten Innenlebens zum Spielzeug umfunktionieren lassen. Görtz-Marketingchef Michael Jacobs will damit „Kundenloyalität aufbauen“. Die Agentur zählt zu den Red-Dot-Siegern beim Verpackungsdesign.

Den „Red Dot best of the best“ erhält auch die Hamburger Agentur Groothuis, Lohfert, Consorten. Die „Gesellschaft für Formfindung und Sinneswandel“ war mit dem Geschäftsbericht des zum japanischen Kyocera-Mita-Konzern gehörenden Nürnberger Drucker-Herstellers TA Triumph-Adler erfolgreich. „Wir haben gelernt“, steht auf dem Deckblatt. Innen stehen die Verluste von Marktanteilen und „rechtswidrige und kriminelle“ Maßnahmen von Führungskräften. Ex-Manager wollten ein Konkurrenzunternehmen gründen und Kunden abwerben. Triumph-Adler-Vorstandssprecher Robert Feldmeier wollte das, „was 2008 nicht gut gelaufen ist, im Geschäftsbericht offensiv ansprechen. Layout und Material sollten im Einklang mit dieser Aussage stehen“ – deshalb wählte die Agentur das einfache Papier und die billige Drahtklammerheftung.

Werber wildern im Designterrain

Selters statt Sekt ist auch bei vielen Designagenturen angesagt. Fast alle haben Jobs abgebaut, manche arbeiten kurz. Um die reduzierten Budgets rangeln neben den Markenstrategie- und Markendesignspezialisten verstärkt Werbeagenturen, denen im Stammgeschäft ebenfalls Aufträge fehlen. Die Werber wildern im Designterrain, weil viele Unternehmen heute überlegen, ob es besser ist, nachhaltig in Marken und kurzfristig in Werbung zu investieren. „Die Controller haben dabei ein starkes Gewicht“, weiß Agenturchefin Mayer-Johanssen.

In der ohnehin schwierigen Lage drängen aus Unis und Designschulen gleichzeitig Scharen neuer Absolventen, die „für wenig Geld vom Küchentisch aus arbeiten“, klagt Justus Oehler, Partner der internationalen Designagentur Pentagram mit Büro in London und Berlin: „Design studieren viele, die nicht wissen, was sie machen sollen, aber meinen, sie seien in Kunst ganz gut gewesen. Wer nichts wird, wird Designer.“ Red-Dot-Juror Oehler, der für die Fluglinienpartnerschaft Star Alliance um die Deutsche Lufthansa herum Name und Erscheinungsbild schuf, kritisiert auch das Lehrpersonal des Berufsstandes: „Gehen diejenigen ins Lehramt, die am Markt erfolgreich sind, oder die anderen? Wir brauchen Professoren, die auch mal bereit sind, jemanden durchfallen zu lassen.“

Hauptproblem zurzeit ist der ruinöse Wettbewerb. Metadesign-Chefin Mayer-Johanssen sagt: „Sehr gute Leute arbeiten inzwischen fürn Appel und ’n Ei. Der Anspruch ist riesig, das Budget winzig.“ Deshalb wird Strichpunkt-Chef Rädeker das unsittliche Angebot des Maschinenbauers ablehnen – eine Frage der Designerwürde. Am Ende, so Rädeker, könne es passieren, dass der Auftraggeber gar den acht Teilnehmern der Ausschreibung komplett absagt, deren Gratis-Vorlagen ausschlachtet und ihre Ideen klaut. Kollege Oehler hält eine Marktbereinigung für überfällig: „Ich hoffe, dass es ein Agentursterben gibt – zu viele Schlechte haben in den guten Zeiten überlebt.“

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