Deutsche Bahn Die Schonfrist für den Bahnchef ist vorbei

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DB-Zentrale Berlin: Quelle: AP

Grube punktet auch durch seine einnehmende Art. In Gesprächen wirkt er aufgeschlossen und interessiert, fast schon kumpelhaft, spricht offen über sich und seine Ideen. Bei seinen engsten Mitarbeitern gilt er als Mannschaftsspieler, der zuhört und schnell entscheidet. Nicht ohne sich auf Fakten zu stützen: Grube ist ein Zahlenfreak, der sich bis tief in die Nacht im Büro im 25. Stock des Bahn-Towers in Berlin in die Materie hineinfuchst: „Manchmal frage ich mich abends, ob ich tagsüber überhaupt aus dem Fenster geschaut habe.“

Die Sympathien der obersten Bahn--Gewerkschafter Klaus-Dieter Hommel (GDBA) und Alexander Kirchner (Transnet) eroberte Grube gleich beim ersten Treffen in Berlin, als er sich entschuldigte, um abends den letzten Flieger nach Stuttgart zu seiner Familie zu bekommen. Journalisten hatten Grubes Töchtern aufgelauert, nachdem seine Personalie als Mehdorn-Nachfolger erstmals die Runde machte. Da durfte der Papa abends nicht fehlen. Das kam gut an bei Hommel und Kirchner.

Börsengang der Bahn ist vom Tisch

Doch die Nähe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern hat eine geringe Halbwertszeit bei der Eisenbahn, besonders wenn es um Lohnzugeständnisse geht. Da sei mit ihm nichts zu machen, sagte Hommel. Auch beim Thema Börsengang verläuft eine klare Front. Bisher hält Grube an den Privatisierungszielen fest. Angesichts der Krise ergebe der Gang an die Börse zurzeit zwar „keinen Sinn“, doch wenn es 2010 oder 2011 wieder bergauf gehe, „sieht das anders aus“, sagte Grube noch Anfang Juni. Kirchner von Transnet kontert: „Ich hoffe, er hat sich da versprochen.“

So scheint es. Bei seinem Auftritt in Berlin vergangene Woche nickte der Bahn-Chef zu Wowereits Worten, Grube habe ihm versichert, dass der gescheiterte Börsengang auf Jahre hinaus kein Thema sei. Aus der Mittelfristprognose geht klar hervor, dass die Teilprivatisierung nicht kommen wird. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (ROCE) — eine interne Kennzahl, die vor allem Investoren interessiert und die Mehdorn zum Mantra des Börsengangs ausrief — wird auch in vier Jahren nicht das einst für die Privatisierung definierte Ziel von zehn Prozent erreichen. So steht es in dem geheimen Dokument. Derzeit liegt der Wert bei 6,2 Prozent. Der Börsengang ist also vom Tisch.

Dramatischer Einbruch bei den Aufträgen

Dazu wird auch die Krise beitragen, die den Logistikkonzern nicht nur kurzfristig, sondern über Jahre hinaus zurückwirft. In der internen Prognose, die im Mai dieses Jahres an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst wurde, geht die Bahn davon aus, bis 2013 pro Jahr rund zwei Milliarden Euro weniger Umsatz zu machen.

Grube stellte zwar jüngst Maßnahmen zur Ergebnissicherung vor. Das Milliarden-Sparprogramm React09 sieht vor, das Insourcing, also das Zurückholen ausgelagerter Aufgaben, zu verstärken. Statt Dienstleistungen einzukaufen, sollen eigene Mitarbeiter ran, die teilweise in Kurzarbeit stecken. Stellenabbau gibt es zunächst bei den Logistiktöchtern von DB Schenker im Ausland. Sparziel: 900 Millionen Euro pro Jahr.

Ob das reicht, ist fraglich. Die Rezession trifft die Schienengütersparte mit voller Wucht — und heftiger als die Wettbewerber. Die Bahn transportiert über die Gleise vor allem Autos und Stahl. Wegen der fallenden Nachfrage sind die Aufträge aus diesen Branchen dramatisch eingebrochen. So sank die transportierte Menge im ersten Quartal dieses Jahres bei DB Schenker Rail um fast 26 Prozent. Private Wettbewerber mussten ihre Fahrleistung um lediglich 13 Prozent kappen. Intern rechnet der Konzern daher 2009 mit einem „Rückgang des Marktanteils“, heißt es in der Mittelfristprognose.

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