Deutsche Bahn Die Schonfrist für den Bahnchef ist vorbei

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Die Nachwirkungen des ICE-Unglücks werden die Kunden noch lange spüren. Die Bahn erwägt derzeit den Austausch der Achsen der Neigetechnikzüge ICE-T. „Durch die Beschaffung und den sukzessiven Einbau neuer Radsatzwellen wird dann planerisch ab 2013 das Angebot wieder auf das Niveau vor dem Wellenbruch angehoben werden können.“ Soll heißen: Auf einigen Strecken könnten weiter verkürzte Züge oder Intercitys statt ICEs eingesetzt werden.

Wenn Grube in der Öffentlichkeit auf das leidige Thema eingeht, wird er laut. Dann trommelt er mit seinen Händen auf dem Rednerpult und wettert mit lautem Bass gegen die Industrie. Die Hersteller müssten ihrer Verantwortung nachkommen und Züge liefern, die halten. Es ist eine Mischung aus ehrlichem Groll und PR-Botschaft. Grube wird den Konflikt mit der Industrie ausfechten müssen, die bisher jede Verantwortung für das Desaster ablehnt.

Neue Ertragsquellen sollen Defizite ausgleichen

Dabei könnte Grube seinen größten Trumpf ausspielen: sein Verhandlungsgeschick. Der ehemalige Daimler-Manager gilt als hervorragender Taktierer. Er zog die Strippen, als Daimler und Chrysler die Pläne zur Welt AG schmiedeten, und war auch maßgeblich daran beteiligt, die Liaison wieder zu lösen. Als Strategievorstand bei Daimler und Verwaltungsratsmitglied beim Luftfahrtkonzern EADS sammelte er Erfahrungen bei internationalen Deals.

Um die von Mehdorn hinterlassenen Verlustbringer auszugleichen, muss der Ingenieur für Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik jetzt neue Ertragsquellen auftun. Den nächsten Wurf gibt er möglicherweise schon diese Woche bekannt. Offenbar plant die Deutsche Bahn beim Schienengüterverkehr eine enge Kooperation mit der russischen Staatsbahn RZD. Grube will die Deutsche Bahn zum internationalen Mobilitätskonzern ausbauen.

Das gilt auch für DB Regio. So setzt der Konzern „weiterhin auf das strategische Ziel, sich zum weltweit führenden Nahverkehrsunternehmen zu entwickeln“, heißt es in der Mittelfristprognose. Derzeit bewerbe sich das Unternehmen um einen Auftrag in Stockholm und prüft „aktuell weitere Markteintrittsmöglichkeiten in verschiedenen Ländern“. So verfolge die Bahn auch „grenzüberschreitende Projekte in Polen“.

Protektionismus erschwert internationale Projekte

Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass Grube bei der Internationalisierung das Tempo drosselt. „Ich halte es für fragwürdig, sich an ausländischen Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr zu beteiligen“, sagt Transnet-Chef Kirchner. Die Bahn dürfe nicht auf Konkurrenz, sondern müsse vor allem auf Kooperationen auf der Schiene setzen und das Netzwerk in Deutschland stärken.

Zudem kehrt im wichtigsten Verkehrsmarkt neben Deutschland derzeit der Protektionismus ein. Frankreich macht die Grenzen dicht, obwohl die Eisenbahnmärkte europaweit von 2010 an liberalisiert sein sollen. Staatspräsident Nicolas Sarkozy verschob die Öffnung eigenmächtig nach hinten, angeblich wegen der Krise. Grube setzt nun auf seine Kontakte und erzählt, er sei schon bei Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Bundeskanzlerin Angela Merkel vorstellig geworden, um Druck auf den Nachbarn zu erbitten.

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