Deutsche Bahn Wie viel Bahn können wir uns leisten?

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Personenfernverkehr Quelle: DB AG/Andreas Mann

Die Sensibilität für die Zukunft des Eisenbahnverkehrs hierzulande, wie sie im Schwabenland täglich erlebbar ist, bietet der Politik die einmalige Chance, über ein Weiter-so oder einen Neuanfang abzustimmen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gab zumindest die Richtung schon vor: „Mehr Schiene und mehr Straße für jeden eingesetzten Euro.“

Der Vorsatz wäre durchaus erfüllbar. Denn auch mit weniger Geld hätte die Bahn eine aussichtsreiche Zukunft. Einige wenige einschneidende Schritte, und die Bahn würde keineswegs darben, sondern effizienter, für die Volkswirtschaft nützlicher und für die Kunden besser: 

Schritt 1: Kisten vor Personen

Experten erwarten eine Explosion etwa des Stahl-, Auto- und Containertransports auf der Schiene. Die Unternehmensberatung ProgTrans sagt bis 2025 hier ein Plus von 35 Prozent voraus. Damit wüchse der Schienengütertransport fünf Mal stärker als der Personenverkehr.

Doch obwohl seit 1998 der Etat für die Bahn kräftig aufgestockt wurde, flossen die Milliarden nicht in die Beseitigung bekannter Flaschenhälse. Der Güterverkehr wurde „sträflich vernachlässigt“, sagt Werner Rothengatter, emeritierter Professor für Verkehrspolitik an der Uni Karlsruhe. Seit der Bahnreform 1994 flossen 60 Milliarden Euro in das Netz — ein Drittel davon in Neubaustrecken wie Nürnberg–München und Köln–Frankfurt, die für Güterbahnen ungeeignet sind. Ähnliches Schicksal droht der Strecke Wendlingen–Ulm, auf der nur wenige leichte Güterzüge bis 1000 Tonnen fahren können.

Für Experten ist der Albaufstieg daher eine Fehlinvestition, weil zugleich auf der Strecke Karlsruhe–Basel der Kollaps droht. Schon kommendes Jahr könne es dort „zu Engpässen kommen, die dazu führen, dass zwischen Güterzug und Personenzug entschieden werden muss: Wer darf zuerst fahren, und wer muss warten“, sagt Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Auch wenn Stuttgart 21 sowie Wendlingen–Ulm für die Region von Gewinn sein mögen und das Projekt nicht mehr gestoppt wird – die Lehren aus dem vor 15 Jahren gefassten Vorhaben sind eindeutig. „Die Politiker müssen Prestigeprojekte kritisch überprüfen lassen und die Mittel verstärkt in den Güterverkehr lenken“, sagt Rothengatter. Oft schafft ein investierter Euro im Güterverkehr höheren Nutzen als im Personenverkehr.

Das muss nicht heißen, dass Züge deswegen langsam umherzuckeln. Statt Milliarden für den Neubau von Strecken für den Personenverkehr auszugeben, böte sich der Bau von Umgehungen an, auf denen Züge die Engpässe meiden.

Gelegenheiten für solch einen Neuanfang gibt es genug. So sieht eine Planung aus den Neunzigerjahren vor, die Städte Hannover, Bremen und Hamburg über eine y-förmige Hochgeschwindigkeitstrasse für Tempo 300 zu verbinden. Die Kosten dafür beliefen sich nach Schätzungen auf drei Milliarden Euro, die Fahrtzeit von etwa einer Stunde würde um 13 Minuten verkürzt. Doch die geplante Y-Trasse könnte die wachsende Anzahl an Containern, die von den Häfen Hamburg und Bremen durchs Hinterland geschleust würden, „nicht im Ansatz absorbieren“, heißt es in einer Studie der Beratung KCW für das Umweltbundesamt.

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