
Der Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse Euronext zur weltgrößten Börse rückt in greifbare Nähe. Die Aufsichtsräte der beiden Konzerne stimmten den Plänen eines Zusammenschlusses per Aktientausch am Dienstag zu, wie beide Unternehmen in Frankfurt und New York mitteilten. Der neue Börsenriese mit einem Umsatz von zusammen 4,1 Milliarden Euro und einem Marktwert von rund 26 Milliarden Dollar werde globaler Marktführer im Derivatehandel, Risiko-Management, sowie der bekannteste und größte Börsenplatz für Aktienplatzierungen und Aktienhandel sein.
Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni könnte damit endlich der ganz große Wurf gelingen - nach dem Scheitern der Übernahme der Euronext und der 2008 schon einmal ins Auge gefassten Fusion mit der Wall Street. Doch wichtige Details wie der Name der neuen Mega-Börse sind noch ungeklärt - und sorgten bereits im Vorfeld für Gezanke.
Formal soll die Gruppe unter dem Dach einer neu gegründeten Holding in den Niederlanden zusammengeführt werden und Zentralen in New York und Frankfurt haben. Gelistet wird der Börsenkonzern in Frankfurt, New York und Paris. Die Altaktionäre der Deutschen Börse sollen 60 Prozent der Anteile, die der Nyse Euronext 40 Prozent halten. Eine Nyse-Euronext-Aktie soll in 0,47 Aktien der neuen Gesellschaft getauscht werden. Kreisen zufolge sieht die Einigung einen zehnprozentigen Aufschlag auf den Aktienkurs der Nyse Euronext vor. Der amerikanische Marktbetreiber werde damit mit gut zehn Milliarden Dollar bewertet.
„Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG sind der Meinung, dass ein strategischer Zusammenschluss zwischen der Deutsche Börse AG und NYSE Euronext im Unternehmensinteresse der Deutsche Börse AG und im Interesse ihrer Aktionäre ist“, warb der deutsche Marktbetreiber für die Transaktion, die bis Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein soll. Es seien Kostensynergien von 300 Millionen Euro und große Chancen auf Umsatzsteigerungen zu erwarten.
Leiten soll die Mega-Börse Nyse-Chef Duncan Niederauer in New York. Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni soll als Verwaltungsratchef von Frankfurt aus arbeiten. Stellvertretender CEO soll der Eurex-Chef Andreas Preuß werden, den Finanzchef stellt die Deutsche Börse mit Gregor Pottmeyer. Auch über die Besetzung des Boards ist man sich einig. „Die Transaktion wird Frankfurt und New York als bedeutende Finanzzentren stärken, die wichtige Rolle anderer Standorte inklusive Paris, London sowie Luxemburg bleibt erhalten“, teilte die Börse mit. Jede nationale Börse des neuen Unternehmens, inklusive denen in Amsterdam, Brüssel und Lissabon, werde ihren Namen in ihrem jeweiligen Markt behalten und auch weiterhin unter der lokalen Regulierung und Aufsicht operieren.
Doch nationale Interessen und regulatorische Einwände machen Börsen-Zusammenschlüsse zu einer heiklen Angelegenheit. Die Kartellbehörden haben noch ein gewichtiges Wort mitzureden: Analysten erwarten vor allem Einwände bezüglich des Derivategeschäfts, das durch einen Zusammenschluss von Eurex und Liffe von der neuen Gruppe dominiert würde. Auch die hessische Börsenaufsicht hat ein Vetorecht. Sie betonte bereits im Vorfeld, die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt wahren zu wollen.
Potentielle Streitpunkte werden ausgeklammert
Durch das Ausklammern kritischer Punkte wollen die beiden Fusionspartner erst einmal verhindern, dass die Megafusion von Frankfurt und New York wie beim letzten Anlauf scheitert. So ist neben dem Namen auch noch unklar, wie genau die Kosten gesenkt und welche Technologien bevorzugt würden. Doch den beiden Börsenbetreibern bleibt kaum eine andere Wahl, als sich zusammenzuraufen: Steigender Kostendruck und zunehmende Konkurrenz von alternativen Handelsplattformen, die ihnen mit günstigen Preisen die Butter vom Brot nehmen, zwingen die Börsen zu einem Schulterschluss.
Auch an anderen Handelsplätzen wird deshalb fieberhaft an Zusammenschlüssen gefeilt: So kauft die Londoner LSE die kanadische TMX, die Konkurrenz aus Singapur buhlt um die australische ASX. Die Anleger zeigten sich wenig begeistert: Die Aktien der Deutschen Börse rutschten um 1,7 Prozent ins Minus auf 60,27 Euro, die der Nyse an der New Yorker Wall Street um über drei Prozent auf 38,05 Dollar. Nur die zeitweise vom Handel ausgesetzten Nyse Euronext-Aktien in Paris lagen rund ein Prozent höher.