Deutsche Telekom Prüfbericht zur Telekom-Spitzelaffäre enthüllt brisante Details

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Sprechzettel für Obermanns Treffen mit Zumwinkel: Zahl der Mitwisser bereits sehr groß

1. Kapitel: Das große Versprechen. René Obermann löst am 13. November 2006 Kai-Uwe Ricke als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom ab und übernimmt die Zuständigkeit für die Konzernsicherheit. Mehrmals erklärte der Vorstandschef nach Bekanntwerden der Spitzelvorwürfe im Mai 2008, dass „eine lückenlose Aufklärung stattfindet“ und er das gesamte Ausmaß erst wenige Wochen zuvor im April 2008 erfahren habe.

Ende November 2006: Wenige Tage nach Amtsantritt wird Obermann in die Praktiken der Konzernsicherheit der Telekom eingeweiht. In einer E-Mail legt Harald Steininger, der Leiter des Bereichs Konzernsicherheit, Obermann ein Konzept für die Ermittlungen von Indiskretionen durch Mitarbeiter vor. Steininger schlägt Obermann unter anderem folgende Maßnahmen vor: „Erstellen von Profilen“ sowie das „Erkennen von Beziehungsgeflechten“ und nennt als Ziel, „vom Getriebenen zum Treiber“ zu werden, damit man „agieren statt reagieren“ könne. Wie Obermann darauf reagierte, lässt der Bericht offen.

23. November 2006 Die von der Telekom beauftragte Berliner Firma Network Deutschland stellt dem Konzern für ein Projekt mit dem Kodenamen „Clipper“ 309 000 Euro in Rechnung. „Clipper“ steht für die groß angelegte Auswertung der Verbindungsdaten von bis dato über 60 Aufsichtsräten, Betriebsräten und Journalisten. Der Auftrag war schon Ende 2005 vergeben worden.

Rechnung über 309.000 Euro

6. Dezember 2006 Klaus Trzeschan, der Leiter der mit den Sonderermittlungen beauftragten Abteilung KS 3 der Konzernsicherheit, bestätigt die Zusammenarbeit mit Network Deutschland in einem Vermerk: „Der Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Ricke hatte in 2005 das Corporate Office und die Konzernsicherheit mit der Durchführung eines Projektes beauftragt, in dem prozessorientierte Lösungsansätze im Umgang mit hochsensiblen Informationen untersucht werden sollten. Dieses Projekt wurde unter dem Arbeitstitel ,Clipper‘ fachlich von der Konzernsicherheit gesteuert.“ Dabei erweckt Trzeschan den Eindruck, als stehe nun eine Zäsur bevor: „Durch die Vorstandsumbildung soll dieses Projekt nicht mehr fortgeführt werden. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Aufwendungen in Höhe von 309.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer sind mit Rechnung vom 23. November 2006 durch Network geltend gemacht worden. Der Beitrag ist richtig berechnet, angemessen und fällig. Das Corporate Office wird gebeten, die beiliegende Rechnung zu begleichen.“

Trzeschan ist die Schlüsselfigur in der Spitzelaffäre. Der Beamte ist ein altgedienter Telekom-Kämpe, der bereits seit über einem Jahrzehnt vermeintlichen Hackern, Journalisten und anderen nachspürt, die der Telekom lästig sind. Völlig abseits der üblichen Hierarchien konnte Trzeschan schon Millionen verausgaben.

7. Dezember 2006 Ein Tag, nachdem Trzeschan den Eindruck erweckt, als wäre „Clipper“ Vergangenheit, findet ein Gespräch zwischen Trzeschan und Ralph Kühn, dem Geschäftsführer von Network Deutschland, über die geplante Weiterführung und Ausdehnung des Projekts „Clipper“ statt: Neben der Auswertung von Verbindungsdaten von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat und Journalisten sollen jetzt auch wichtigste Entscheidungsträger der Bundesnetzagentur und der Chef der US-Anteilseignerin Blackstone, Stephen Schwarzman, einbezogen werden.

14. Dezember 2006 Auf Basis des Vermerks von Trzeschan vom 6. Dezember weist Markus. L. vom Corporate Office, dem Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden, für „Clipper“ nach eigener Aussage die Zahlung von 309.000 Euro ohne weitere Prüfung und ohne entsprechende Anweisung durch Vorstände oder Aufsichtsräte an. Die zweite notwendige Unterschrift für die Zahlungsanweisung unter der Feststellung „sachlich und rechnerisch festgestellt“ erfolgt am gleichen Tag auf Anweisung von Herrn L. durch seine Mitarbeiterin. Die Aktion markiert nicht den Schlusspunkt, sondern die Fortsetzung der Zusammenarbeit der Telekom mit Network.

4. Januar 2007 Die Deutsche Telekom schickt Network Deutschland einen neuen, großzügigen Rahmenvertrag, der am 13. März 2007 von beiden Seiten unterschrieben wird. Geschäftsführer von Network bekommen für ihre Ermittlungsdienste 1600 Euro, Fachkräfte 1200 Euro pro Tag.

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