
Der Telekom-Manager hatte lange überlegt, ob er die streng vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit bringen sollte. Doch dann gab er sich den entscheidenden Ruck. „Mir geht es keineswegs darum, der Deutschen Telekom zu schaden“, schrieb er an die WirtschaftsWoche. „Vielmehr bin ich zutiefst davon überzeugt, dass mehr Wahrheit, Klarheit, Offenheit und Ehrlichkeit nottut, um weiteren Schaden von dem Unternehmen abzuwenden.“
Die geheimen Unterlagen, die bei der Telekom für ein reinigendes Gewitter sorgen sollen, geben den Datenskandalen der jüngsten Vergangenheit eine völlig neue Wendung. Tauchten in den vergangenen Monaten Hunderttausende sensibler Kundendaten mit Adressen und Bankverbindungen in der Öffentlichkeit auf, bestritten Telekom-Chef René Obermann und sein Datenschutz-Vorstand Manfred Balz jedes Mal eigenes Fehlverhalten.
Die Ursache für die Datenlecks, so ihre Erklärung, seien geldgierige Callcenter mit „kriminogenen Strukturen“ gewesen, die Sicherheitslücken bei der telefonischen Kundenakquise ausgenutzt hätten. Inzwischen ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft in Missbrauchsfällen mit Daten von 20 Millionen Telekom-Kunden.
Rechtlich zweifelhafte Vereinbarungen mit "The Phone House"
Die vorliegenden Unterlagen werfen jetzt jedoch erstmals konkret die Frage nach der Mitverantwortung des Telekom-Top-Managements auf, an seiner Spitze Konzernchef Obermann, Finanzvorstand Timotheus Höttges und der damalige T-Mobile-Deutschland-Chef Philipp Humm. Denn eine Ursache für die immer wieder an die Öffentlichkeit gelangten sensiblen Daten von Telekom-Kunden waren, wie sich jetzt zeigt, rechtlich höchst zweifelhafte Vereinbarungen der Telekom mit der Ladenkette The Phone House (TPH), in die vermutlich zumindest Teile der Konzernspitze eingeweiht waren. Vor allem aber legen die Vereinbarungen den Verdacht nahe, dass die Telekom dadurch massiv gegen die Datenschutzbestimmungen im Telekommunikationsgesetz verstoßen hat.
Im Zentrum der dubiosen Vorfälle steht ein Kooperationsvertrag, den die Konzerntochter T-Mobile am 2. August 2007 mit TPH abschloss. Darin besiegelten beide Unternehmen, dass TPH künftig kein selbstständiger Mobilfunk-Anbieter mit eigenen Kunden und Tarifen mehr ist, der das Handynetz der Telekom nutzt. Stattdessen sollte TPH künftig als (Groß-)Händler für T-Mobile arbeiten. Bis zum Auslaufen ihrer Zweijahresverträge, also bis etwa Anfang 2010, sollte TPH die eigenen Kunden unter Beibehaltung von Rufnummer und SIM-Karte in T-Mobile-Kunden umwandeln. So kündigten es beide Unternehmen jedenfalls im Sommer 2007 in einer gemeinsamen Erklärung an.
"The Phone House" bekam uneingeschränkten Zugriff auf Telekom-Daten
Das allein wäre nicht die geringste Erwähnung wert, hätte die Deutsche Telekom dabei nicht ein Vertragswerk mit TPH geschlossen, das rechtlich höchst fragwürdige Sonderabsprachen enthält.
TPH ist nicht irgendein Telekommunikationsladen. Die Kette erhielt schon 2006 von Obermann den Auftrag, T-Shops im Namen der Telekom zu betreiben. Hinter 50 T-Shops steht als Inhaber nicht mehr die Deutsche Telekom, sondern TPH. Der Kunde merkt davon nichts.
Zu dem kurzen Draht kam es, weil Obermann 1986 als Student ein Handelsunternehmen namens ABC Telekom mit Sitz in Münster gründete, aus dem später The Phone House hervorging. Ähnlich gut sind die Verbindungen zu Telekom-Finanzvorstand Höttges. Der kennt Geschäftsführer Ralf-Peter Simon aus Studienzeiten, beide besuchten gemeinsam die Betriebswirtschafts-Seminare an der Universität Köln.
In dieser Gemengelage schloss die Telekom am 2. August 2007 mit TPH einige als „streng vertraulich“ gekennzeichnete Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden, die es in sich haben. Danach räumte T-Mobile TPH einen Sonderstatus ein, den es in dieser Form selten gibt. Alle mit dem Kundenservice betrauten Callcenter von TPH bekamen uneingeschränkten Zugriff auf die gesamte Datenbank von T-Mobile mit allen persönlichen Daten von 16 Millionen Kunden. Begründet wurde diese ungewöhnliche Öffnung der kompletten Kundendatenbank im Vertragstext damit, dass TPH eine „bestmögliche Anbindung an die existierenden Kundenservice-Systeme“ brauche. Sogar im Vertrag wurde festgehalten, dass die für ein externes Unternehmen vorgeschriebene Sperre fehlt, die den Zugriff von TPH auf die eigenen Kunden beschränkt hätte. Weil die Programmierung eines solchen neuen Berechtigungssystems den Verantwortlichen der Telekom offenbar zu lange dauerte, bekam TPH „die Sicht“ (Vertragstext) auf alle Kunden von T-Mobile.