Deutschland Karrieren nach dem Mauerfall

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Peter Melkus: Der Sportwagen RS 1000 entstand einst in der familieneigenen Werkstatt Quelle: Jürgen Jösel für WirtschaftsWoche

Der Konstrukteur: Peter Melkus führte schon zu DDR-Zeiten eine private Fahrschule, nach der Wende war er der erste BMW-Händler. Inzwischen baut er exklusive Luxus-Sportwagen.

Die Geschichte von Peter Melkus ist eine Geschichte von Gelegenheiten, die er ergreift, wenn er sie sieht. Und von Gewohnheiten, die er abschüttelt, sobald sie nicht mehr in die Zeit passen. Dreimal hat Melkus sein Leben auf den Kopf gestellt – und mehr Flexibilität bewiesen als mancher Westler.

November 1989. Die Mauer ist gerade zwei Wochen weg, da steht Melkus vor der silbernen BMW-Zentrale in München. Noch betreibt er als Fahrlehrer in Dresden eine der wenigen teilprivaten Fahrschulen der DDR. Man könnte auch sagen: Er ist der heimliche Kapitalist im offiziellen Sozialismus. Doch nun will er ein Autohaus eröffnen. Ganz Ostdeutschland träumt damals von Autos – und zwar von VW Golf, Audi 100 oder 3er-BMW. Sie sind der Inbegriff der Marktwirtschaft, des Erfolgs. Und Melkus ist der Erste, der sie in Ostdeutschland verkauft – entsprechend rasant wächst sein Geschäft. In den ersten Wochen verkauft er die Wagen in der eigenen Garage, fünf Jahre später setzt er knapp 15 Millionen Mark um — gerade rechtzeitig, denn 1992 geht seine Fahrschule pleite.

Bei Melkus ist ständig Wende

Bereits deren Geschichte ist ein Wendeerfolg. Mitte der Siebzigerjahre arbeitet Melkus bei seinem Vater in der Autowerkstatt, in der auch ein familieneigener Sportwagen entsteht. 50 Stück verkauft die Familie vom RS 1000 pro Jahr, zusammen mit dem Werkstattbetrieb ein einträgliches Geschäft. Als jedoch die DDR-Staatsbetriebe an ihre Produktionsgrenzen stoßen, bleiben Melkus’ Lieferungen immer öfter aus. Also beschließt die Familie, ein zweites Standbein zu schaffen, Vater Heinz und Sohn Peter konzentrieren sich auf die Fahrschule, die der Vater 1955 als Zuverdienst gegründet hatte. Die entwickelt sich schnell zum lukrativen Geschäft: Als 1979 die Fertigung des RS 1000 eingestellt werden muss, arbeiten für Melkus bereits mehr als ein Dutzend Fahrlehrer.

Melkus im Jahr 1985

Nach dem Mauerfall jedoch entstehen in Dresden reihenweise Fahrschulen, zum Großteil gegründet von erfahrenen westdeutschen Unternehmern. 1992 gibt Melkus seinen Betrieb auf und konzentriert sich auf das BMW-Autohaus. Zu dieser Zeit verkauft er die Wagen reihenweise – acht Jahre lang geht das so. Im Sommer 2000 ist die Euphorie der Neunzigerjahre jedoch verflogen, das Autohaus läuft schlechter, Melkus hat zu viel investiert – in der Hoffnung, der Boom werde ewig so weitergehen. Die BMW werden zu Ladenhütern. Stattdessen fragen ihn viele Kunden, ob Melkus den RS 1000 noch produziere. Da wittert er ein neues Geschäft.

Melkus überzeugt einige der alten Mitarbeiter und lernt seinen Sohn an. Gemeinsam nehmen sie die Konstruktion des RS 1000 wieder auf – mit Erfolg. Mit dem ersten marktreifen Exemplar explodiert die Nachfrage nach dem Flügeltürer. Mehr und mehr Motorsportfans melden sich, Hunderte von Bestellungen gehen ein. Doch schon nach einem Dutzend Exemplaren kommt Melkus die Bürokratie in die Quere: Der TÜV bemängelt Abgaswerte des Zweitakters und die Unfallsicherheit – zu viele Argumente sprechen gegen eine serienmäßige Zulassung.

Aufgeben? Keinesfalls. Melkus entscheidet sich wieder für das Risiko: Er verkauft das Autohaus und steckt den Erlös in Designstudien für ein Nachfolgemodell. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt präsentiert er in diesem Jahr den RS 2000 zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Gut 150 Bestellungen hat er seitdem erhalten, 25 Stück will er pro Jahr produzieren – zum Preis von gut 100 000 Euro.

Autoproduzent, Fahrlehrer, Autohändler und wieder Autoproduzent – Peter Melkus hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn seine ewige Wende bald mal ein Ende nähme.

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