43 neue ICE3 Neo Die Deutsche Bahn meint es ernst mit dem Deutschlandtakt

Der neue Europäer bei der Vorstellung in Berlin: Der neue ICE3 Neo von Siemens ist für eine Geschwindigkeit von bis zu 320 km/h ausgelegt und kann auch auf dem Schienennetzen in Belgien, den Niederlanden und Österreich fahren. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Deutsche Bahn bestellt 43 weitere ICE3 Neo. Damit sendet der Konzern ein klares Signal an mögliche Konkurrenten, die ihn herausfordern wollen – allen voran Flixtrain.

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Die Begrüßung der Moderatorin auf der Bühne im Instandhaltungswerk Berlin-Rummelsburg quittierte Volker Wissing mit einem leichten Kopfschütteln. Der Bundesverkehrsminister wurde zuvor mit dem Sondershuttle ICE 1144 für die Präsentation des neuen ICE3 Neo vom Hauptbahnhof der Hauptstadt in das Werk gefahren, zusammen mit Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn, und Siemens-CEO Roland Busch. Es komme sicherlich eher „selten vor“, sagte die Moderatorin, dass Wissing mit der Bahn zu einem Termin fahre. Der Minister schüttelte ansatzweise den Kopf, als wolle er sagen: So ganz stimmt das nicht.

Der Bundesverkehrsminister ist nun qua Amt für die Deutsche Bahn zuständig – und es dauerte nicht lange, da wirkte es so, als lege er die schützende Hand über den Staatskonzern. Zwar sei die Pünktlichkeit oft mangelhaft, aber man müsse sich schon „die Gründe dafür anschauen“. Es gebe punktuelle Ereignisse wie Streiks, Sturm und Hochwasser, aber auch strukturelle Probleme wie „die Überlastung der Schienenwege“. Dies führe zu Staus und Verspätungen. Und nicht immer sei die Schuld bei der Deutschen Bahn zu suchen. Im Gegenteil: Mit den neuen Zügen könne die Bahn Erleichterung schaffen. „Wir sind kürzer unterwegs und schaffen Platz für weitere Züge“, so Wissing.

„Wir“ – das ist also die neue Tonlage der Bundesregierung gegenüber der Deutschen Bahn. Die FDP war mal bekannt für ihre Zerschlagungsfantasien gegenüber dem Staatskonzern. Nun wirkt alles deutlich softer, kooperativer, fast schon harmonisch. Die drei Männer stehen auf der Bühne und sind sich ihrer Sache sicher: Wir schaffen den Deutschlandtakt, wir vernetzen die Republik.

Tatsächlich schafft die Deutsche Bahn gerade Fakten, die man im entfernten München sehr genau zur Kenntnis nehmen wird. Die Berliner haben die bisherige Order von 30 ICE-Zügen der dritten Generation still und heimlich noch einmal um 43 weitere erhöht. Damit sendet die Deutsche Bahn ein klares Signal an potenzielle Wettbewerber, die sich Hoffnung machen, in den deutschen Fernverkehrsmarkt auf der Schiene einzusteigen – allen voran Flixtrain. Es gibt das Gerücht, dass Flixtrain 60 neue Züge beschaffen will. Die Deutsche Bahn kontert selbstbewusst schon im Vorfeld.

Im Fokus steht der künftige Deutschlandtakt, den auch die Politik zum neuen Mantra der Bahnpolitik erklärt hat. Metropolen sollen im Halbstundentakt verbunden werden, mittelgroße Zentren mindestens alles zwei Stunden angefahren werden. Dafür hat die Deutsche Bahn nun die Voraussetzungen geschaffen. Ein ICE3 fährt bis zu 300 Kilometer pro Stunde und kann perspektivisch auch auf den neuen Schnellstrecken eingesetzt werden, die in den nächsten Jahren auf bis zu 300 km/h ausgelegt sein werden, Teilstücke wie Bielefeld-Hannover etwa oder die Strecke zwischen Hannover und Berlin. Insgesamt erhält die Deutsche Bahn von Siemens sukzessive 73 Züge bis 2029. Und da ist sich Verkehrsminister Wissing mit Bahnchef Lutz einig: „Unser Ziel ist die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030.“



Noch ist politisch nicht entschieden, wie Wettbewerber in den Deutschlandtakt hineinpassen. Soll die Schienenmaut gesenkt oder Teilnetze im Fernverkehr ausgeschrieben werden? Ersteres scheint möglich, das zweite eher eine theoretische Möglichkeit. Aber das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat noch keine Entscheidungen dazu getroffen. Man wird also abwarten müssen, ob und wie sich der Wettbewerb im Fernverkehr auf der Schiene verändern wird.

Technisch gesehen setzt die Deutsche Bahn beim ICE3 Neo auf ein bekanntes Produkt, das bereits Städte wie Frankfurt mit dem Ruhrgebiet oder München und Nürnberg über die Hochgeschwindigkeitsstrecken verbindet. Die Innovationen im ICE3 Neo erklären sich oft erst auf dem zweiten Blick. Die Details sehen Sie in der Bildergalerie:

Das ist neu im ICE3 Neo
Mehr Türen:Eine Tür ist eine Tür ist eine Tür. Aber der ICE3 Neo hat davon mehr als sein Vorgänger, nämlich zwölf statt zehn Türen. Damit soll sich die Einsteige- und Aussteigezeit um bis zu 30 Prozent verkürzen. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Das neue WC:Es werde Licht. Die Deutsche Bahn verändert das Innendesign in in den Toiletten. Nüchternes LED-Design ersetzt den Blumenaufdruck der Vorgängergeneration. Wasser, Seife und Desinfektionsmittel kommen berührungsfrei. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Platz für Räder: Hört, hört. Die Deutsche Bahn schafft Platz für acht Fahrräder – und reagiert damit auf den Wunsch vieler Reisenden. Für die Fahrradmitnahme gilt wohl dann eine Reservierungspflicht. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Mehr Kapazität: Durch die Mitnahme der Fahrräder ist die Zahl der Sitzplätze etwas niedriger als bei den Vorgänger-ICE. 439 Personen lassen sich in dem ICE3 Neo transportieren – sitzend. 99 von ihnen sitzen in der ersten Klasse. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Infoschalter:Die neuen Anzeigetafeln an der Decke sind gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass der ICE ein moderneres WLAN-System mit sich führt. Es soll zuverlässiger und leistungsfähiger sein. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Ruhe vor dem Ansturm:Die Deutsche Bahn will die Zahl der Fahrgäste bis 2030 verdoppeln. Dafür sollen auch die 32.000 zusätzlichen Sitzplätze der neuen ICE3-Neo-Flotte sorgen. Einzelne Wagen werden in Ruhebereiche unterteilt. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Das Herzstück der neuen ICE3 Neo: Mobilfunkdurchlässige Fenster sollen für besseren Handyempfang sorgen. Die Scheiben sind mit einer besonderen Siemens-Technologie beschichtet. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) setzen schon seit längerem auf eine ähnliche Technik. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche


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