Die Begrüßung der Moderatorin auf der Bühne im Instandhaltungswerk Berlin-Rummelsburg quittierte Volker Wissing mit einem leichten Kopfschütteln. Der Bundesverkehrsminister wurde zuvor mit dem Sondershuttle ICE 1144 für die Präsentation des neuen ICE3 Neo vom Hauptbahnhof der Hauptstadt in das Werk gefahren, zusammen mit Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn, und Siemens-CEO Roland Busch. Es komme sicherlich eher „selten vor“, sagte die Moderatorin, dass Wissing mit der Bahn zu einem Termin fahre. Der Minister schüttelte ansatzweise den Kopf, als wolle er sagen: So ganz stimmt das nicht.
Der Bundesverkehrsminister ist nun qua Amt für die Deutsche Bahn zuständig – und es dauerte nicht lange, da wirkte es so, als lege er die schützende Hand über den Staatskonzern. Zwar sei die Pünktlichkeit oft mangelhaft, aber man müsse sich schon „die Gründe dafür anschauen“. Es gebe punktuelle Ereignisse wie Streiks, Sturm und Hochwasser, aber auch strukturelle Probleme wie „die Überlastung der Schienenwege“. Dies führe zu Staus und Verspätungen. Und nicht immer sei die Schuld bei der Deutschen Bahn zu suchen. Im Gegenteil: Mit den neuen Zügen könne die Bahn Erleichterung schaffen. „Wir sind kürzer unterwegs und schaffen Platz für weitere Züge“, so Wissing.
„Wir“ – das ist also die neue Tonlage der Bundesregierung gegenüber der Deutschen Bahn. Die FDP war mal bekannt für ihre Zerschlagungsfantasien gegenüber dem Staatskonzern. Nun wirkt alles deutlich softer, kooperativer, fast schon harmonisch. Die drei Männer stehen auf der Bühne und sind sich ihrer Sache sicher: Wir schaffen den Deutschlandtakt, wir vernetzen die Republik.
Tatsächlich schafft die Deutsche Bahn gerade Fakten, die man im entfernten München sehr genau zur Kenntnis nehmen wird. Die Berliner haben die bisherige Order von 30 ICE-Zügen der dritten Generation still und heimlich noch einmal um 43 weitere erhöht. Damit sendet die Deutsche Bahn ein klares Signal an potenzielle Wettbewerber, die sich Hoffnung machen, in den deutschen Fernverkehrsmarkt auf der Schiene einzusteigen – allen voran Flixtrain. Es gibt das Gerücht, dass Flixtrain 60 neue Züge beschaffen will. Die Deutsche Bahn kontert selbstbewusst schon im Vorfeld.
Im Fokus steht der künftige Deutschlandtakt, den auch die Politik zum neuen Mantra der Bahnpolitik erklärt hat. Metropolen sollen im Halbstundentakt verbunden werden, mittelgroße Zentren mindestens alles zwei Stunden angefahren werden. Dafür hat die Deutsche Bahn nun die Voraussetzungen geschaffen. Ein ICE3 fährt bis zu 300 Kilometer pro Stunde und kann perspektivisch auch auf den neuen Schnellstrecken eingesetzt werden, die in den nächsten Jahren auf bis zu 300 km/h ausgelegt sein werden, Teilstücke wie Bielefeld-Hannover etwa oder die Strecke zwischen Hannover und Berlin. Insgesamt erhält die Deutsche Bahn von Siemens sukzessive 73 Züge bis 2029. Und da ist sich Verkehrsminister Wissing mit Bahnchef Lutz einig: „Unser Ziel ist die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030.“
Noch ist politisch nicht entschieden, wie Wettbewerber in den Deutschlandtakt hineinpassen. Soll die Schienenmaut gesenkt oder Teilnetze im Fernverkehr ausgeschrieben werden? Ersteres scheint möglich, das zweite eher eine theoretische Möglichkeit. Aber das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat noch keine Entscheidungen dazu getroffen. Man wird also abwarten müssen, ob und wie sich der Wettbewerb im Fernverkehr auf der Schiene verändern wird.
Technisch gesehen setzt die Deutsche Bahn beim ICE3 Neo auf ein bekanntes Produkt, das bereits Städte wie Frankfurt mit dem Ruhrgebiet oder München und Nürnberg über die Hochgeschwindigkeitsstrecken verbindet. Die Innovationen im ICE3 Neo erklären sich oft erst auf dem zweiten Blick. Die Details sehen Sie in der Bildergalerie:




