Flix hat dieser Tage Grund zu feiern: Das Bus- und Zugunternehmen wird nicht nur zehn Jahre alt, sondern hat nach eigenen Angaben auch erstmals seit seiner Gründung einen Gewinn erwirtschaftet – jedenfalls vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Flix bezifferte den Überschuss zwar nicht. Auch der veröffentlichte Umsatz zeigt zum Ende der Pandemie aber deutlich nach oben: Die Erlöse stiegen im Jahr 2022 um 185 Prozent auf mehr als 1,5 Milliarden Euro. „2022 war unser bisher erfolgreichstes Jahr“, sagte Firmenchef und Mitgründer André Schwämmlein kürzlich bei der erst dritten Pressekonferenz der Firmengeschichte.
An den Erfolg will das Unternehmen in diesem Jahr anknüpfen. 2023 wolle Flix mit seinen Marken Flixbus, Flixtrain und Greyhound den Umsatz um mindestens 20 Prozent steigern, sagt Schwämmlein. „Wir werden unsere Marktposition in den etablierten Märkten weiter stärken und gleichzeitig unser Angebot in neuen Ländern ausbauen“, erklärte der 41-Jährige. Nachdem der Konzern bereits in Südamerika Fuß gefasst hat, soll die Expansion etwa durch den Markteintritt in Chile vorangetrieben werden. „Wir sehen, dass sich alle unsere Märkte sehr gut von der Pandemie erholt haben“, fügte der Unternehmer hinzu. Trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nutzten im vergangenen Jahr mehr als 60 Millionen Reisende die Angebote des Konzerns und seiner Partner.
Praktisch ein Monopol
Auf seinem Heimatmarkt Deutschland aber muss das Unternehmen um seine Bedeutung fürchten – denn Stand heute sind die grünen Fernbusse des Unternehmens in dem ab Mai bundesweit erhältlichen 49-Euro-Ticket nicht inbegriffen. Bleibe das so, müsse Flix einen Teil seines deutschen Bus-Netzwerks ausdünnen, warnte Schwämmlein. Vor allem Strecken zwischen 50 und 300 Kilometern wären nach seinen Worten betroffen.
Einfach, aber teurer: Was kann das geplante Nahverkehrsticket?
Ob sich die Monatskarte für 49 Euro für Stammkunden rechnet, hängt von Ort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Frankfurt kostet das Abo in der günstigsten Variante rund 77 Euro, in Berlin um die 63 Euro und in Paderborn nur etwa 55 Euro.
Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: Je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat. Kommt der Einheitspreis, dann gilt: Je weiter, desto größer die Ersparnis.
Viele haben sich daran gewöhnt: allmorgendlich Stau, Nervenprobe auf Einfallstraßen der Großstadt. Ein neues, dauerhaft günstiges Ticket für Busse und Bahnen könnte da manche ins Grübeln bringen - und vielleicht zum Umstieg bewegen. Jedoch: Bus- und Bahnfahren ist in den meisten Fällen schon jetzt günstiger als ein eigenes Auto. Denn dieses schlägt jeden Monat mit mehreren hundert Euro zu Buche. Viele fahren trotzdem Auto, der Preis ist für sie nicht das Hauptargument.
Das 9-Euro-Ticket hat sich vor allem an touristischen Zielen bemerkbar gemacht. Viele nutzten die Gelegenheit für günstige Ausflüge. Das dürfte sich bei einer Nachfolgelösung für 49 Euro ändern. Denn für gelegentliche Tagesausflüge, gerade mit mehreren Reisenden, sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweiten Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.
Wenn in der Nähe selten Busse oder Züge halten, bringt auch die günstigste Fahrkarte nicht viel - so wie in vielen Dörfern. An mehr als jeder dritten Haltestelle in Deutschland kann man nach Berechnungen der Bahn-Tochter Ioki nicht mal einmal pro Stunde in die eine oder die andere Richtung fahren. Auch der Autofahrerclub ADAC mahnt an, weiterhin Lücken im öffentlichen Angebot zu schließen.
Es müsse nicht nur Geld für günstigere Fahrkarten geben, sondern auch für mehr Busse und Bahnen, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Andernfalls müssen im kommenden Jahr umfassend Leistungen abbestellt werden, da diese mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr finanziert werden können“, ergänzt der Bundesverband Schienennahverkehr.
„Es fehlt die Familienkomponente“, kritisiert Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Denn eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher jedenfalls nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen. „Für den Autofahrer macht es bei den Kosten aber keinen Unterschied, ob er seine Kinder mitnimmt.“
Eine gute Stunde fährt der ICE morgens von Berlin nach Wolfsburg, eine Verbindung, die auch Berufspendler nutzen. Wollten sie das neue Ticket nutzen, müssten sie mehr als drei Stunden in Nahverkehrszügen verbringen - keine gute Alternative. Das gleiche gilt für Fernreisen durch Deutschland, sofern man nicht sehr viel Zeit hat. Doch wer viel Zeit hat, kann sich auch rechtzeitig Sparpreis-Tickets für den Fernverkehr ab 17,90 Euro sichern und mit dem ICE fahren.
Solche vergleichsweise kurzen Strecken etwa zwischen größeren Städten eines Bundeslandes sind ein essenzieller Teil des Geschäftsmodells von Flixbus – und das Hauptargument, mit dem das Unternehmen die Integration von Fernbussen in das 49-Euro-Ticket fordert: „Wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, wir bringen auch Kuchen mit“, sagte der Firmenchef und verwies auf die eigene Marktmacht. Mit 95 Prozent Marktanteil hat das Unternehmen auf dem deutschen Fernbusmarkt praktisch eine Monopolstellung. Seit der Gründung von Flixbus hat der Konzern zahlreiche Wettbewerber wie Mein-Fernbus, Postbus und das europäische Geschäft von Megabus übernommen.
Mit der Forderung, am 49-Euro-Ticket teilzuhaben, strebt Flix nach eigener Darstellung kein Zusatzgeschäft an. Fernbusse würden das Ticket allenfalls noch attraktiver machen und brächten klimapolitischen Mehrwert, erklärte das Unternehmen. Die Gespräche mit der Politik in Bund und Ländern würden bereits laufen. Es gehe dem Start-up vor allem darum, den Kunden ein noch attraktiveres Angebot zu machen und eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Eine Aufnahme von Fernbussen in das künftige Angebot schaffe einen „Mehrwert für Millionen“ zu vergleichsweise geringen Kosten.
Schon das 9-Euro-Ticket brachte Flix Verluste
Tatsächlich allerdings hat Flix ein gehöriges Eigeninteresse daran, am 49-Euro-Ticket beteiligt zu werden. Das zeigt die Zeit, in der das deutschlandweite Nahverkehrsticket für neun Euro erhältlich war: Damals erlitt Flix erhebliche Verluste. „Wir haben auf bestimmten Strecken deutlich an Fahrgästen verloren, die Zahlen sind dort um ein Drittel bis um die Hälfte zurückgegangen“, sagte Schwämmlein im Oktober dem „Spiegel“. Als Beispiele nannte er die Strecken Berlin-Leipzig, München-Nürnberg und Hamburg-Hannover. Reisende stiegen im betroffenen Zeitraum von Juli bis August des vergangenen Jahres auf Regionalzüge um.
Auf Anfrage der WirtschaftsWoche bestätigte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, dass die Einbindung von Fernbussen in das Deutschlandticket noch diskutiert werde. Erklärtes Hauptziel des Deutschlandtickets ist es allerdings, die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs zu steigern. Es ist nicht als Angebot für den Fernverkehr konzipiert.
Konkurrent fordert Zuschuss für Fahrgemeinschaften
Ob auch andere Fernbusunternehmen in Deutschland eine Beteiligung am 49-Euro-Ticket anstreben, ist momentan nicht bekannt. Zwei der drei größten Rivalen von Flixbus auf dem deutschen Fernbusmarkt, Pinkbus und Roadjet, äußerten sich auf Anfrage der WirtschaftsWoche nicht dazu.
Der Konkurrent BlaBlaCar Bus, die Fernbusmarke der französischen Carsharing-Plattform BlaBlaCar, äußerte sich hingegen ganz anders als Flix: Busse und Bahnen seien zwar großartige Transportmöglichkeiten, erfüllten jedoch nicht alle Bedürfnisse von Menschen in sehr abgelegenen Regionen. Mit der Begründung fordert das Unternehmen nicht die Subventionierung von Fernbussen, sondern Zuschüsse für Fahrgemeinschaften. Diese würden neben anderen öffentlichen Verkehrsmitteln einen erheblichen Anteil zur Energieeinsparung und grüner Mobilität leisten.
Wie genau sich BlaBlaCar die Umsetzung einer solchen Subventionierung vorstellt, gibt das Unternehmen nicht an. Mit über 65 Millionen registrierten Nutzern ist BlaBlaCar der größte Carpooling-Service in Deutschland.
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