A320neo Dieser Flieger macht die Billig-Langstrecke möglich

Lufthansa hat den ersten A320neo empfangen. Die Auslieferung des Airbus-Fliegers beendet eine lange Hängepartie - und ist ein deutliches Signal. Trotz einiger Probleme wird der Mittelstreckenjet die Fliegerei gründlich verändern.

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Der neue Airbus A320 Neo ist unschlagbar beim Kerosinverbrauch. Quelle: Presse

Nichts freut einen Flugzeughersteller mehr als die erste Auslieferung eines neuen Modells. Wenn die Airline den Flieger übernimmt, ist das nicht nur Anlass für eine schöne Feier und jede Menge positive Geschichten in den Medien. Mit der Schlüsselübergabe endet auch die teure Entwicklungsphase. Dann bringt der Vogel nach Milliarden-Investitionen endlich mal Geld in die Kasse.

Schon allein deshalb ist die Auslieferung des modernisierten Mittelstreckenjet A320neo für Airbus etwas Besonders. Zugleich beendet die Übergabe eine lange Hängepartie: Airbus hatte die eigentlich schon für Dezember vorgesehene Auslieferung einen Tag vor Silvester kurzfristig ins neue Jahr verschoben. Dabei war die Lufthansa war zur Erstabnehmerin geworden, nachdem die eigentlich dafür vorgesehene arabische Fluglinie Qatar Airways die Abnahme ihres ersten Jets abgelehnt hatte.

Es steckt irgendwo der Wurm drin, „und zwar spürbar“, kommentierte der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im Dezember.

Als Airbus vor einem Jahr die Erstlieferung des Langstrecken-Leichtbau-Fliegers A350 verschob, gab es sofort den beruhigenden Hinweis, dem Chef des Erstkunden Qatar Airways, Akbar Al-Baker, sei die Inneneinrichtung nicht sorgfältig genug verarbeitet gewesen. 

Beim A320neo waren es wohl die Triebwerke. Die vom US-Konzern Pratt & Whitney mit Hilfe der Münchner MTU gebauten Motoren haben seit Monaten technische Probleme. Die ist hier besonders wichtig, weil die als Pure Power vermarkteten Antriebe als erste eine besonders anspruchsvolle Technik nutzen: ein dickes Getriebe. Das sorgt in jedem Teil der Turbine für eine besonders verbrauchsfreundliche Drehzahl – aber auch für jede Menge Abwärme, die offenbar die Kühlung bisher nicht richtig in den Griff bekommt.

Eine Turbine des A320neo. Quelle: Presse

Die Pingeligkeit der Airlines hat ihren Grund. Zwar ist die nicht ganz zuverlässige Kühlung nicht unbedingt ein Sicherheitsproblem. Aber sie kann zu einem höheren Verschleiß führen. Damit fallen die Motoren öfter aus und die Linie müsste häufiger Flüge absagen. Dann stranden schnell ein paar hundert Passagiere. Das sorgt für einen schlechten Ruf – und hohe Kosten für Verpflegung, Übernachtungen und Entschädigungen.

"Sie werden Fliegen billiger machen"

Doch so unangenehm der Fehlstart auch war: Der A320neo wird mit seinem Konkurrenzmodell 737MAX von Boeing die Flugbranche gründlich verändern. „Sie werden Fliegen auch billiger machen, doch vor allem erlauben sie den Airlines viele neue Strecken und dürften den Durchbruch eines neuen Geschäftsmodells bringen: Billigflug auf der Langstrecke mit teilweise deutlich weniger Komfort als heute“, sagt der renommierte US-Luftfahrtanalyst Scott Hamilton. 

Umsatzzahlen der Airbus-Geschäftsfelder

Gedacht war das mal ganz anders. Als Airbus und Boeing ab 2010 ihre neuen Modelle starteten, kostete Rohöl das Dreifache des heutigen Preises. Die Fluglinien wollten sparsame Jets. Denn besonders bei Billigfliegern sorgt die Tankrechnung für bis zu 40 Prozent aller Ausgaben. Die weniger durstigen neuen Flieger reduzierten Kosten um bis zu sieben Prozent. Da rechnete es sich auch schnell, dass MAX und Neo mit zwischen 60 und 100 Millionen Dollar vor Großbesteller-Rabatten zehn Prozent teurer waren als die aktuellen Modelle.

Das ist der neue Langstreckenflieger der Finnair
Flug AY 704 von Düsseldorf nach Helsinki. Die Planespotter haben bereits am frühen Morgen auf die erste Landung des A350 in Düsseldorf gewartet.
Warnhinweise nun auf LCD-Displays - inhaltlich sind es die Alten.
Einer Vorschrift für alle Linien zufolge besitzen auch die Toiletten des A350 Aschenbecher - obwohl Rauchen streng verboten ist.
Hoch die Gläser - in der Businessgläser werde Champagner und Wasser aus den gleichen Gebinden ausgeschenkt.
Im Flugzeug sitzen und über das Flugzeug drüber schauen.
Wo Kurzarmhemden gern gesehen sind: Im Cockpit. Auf den ersten Flügen sitzt ein Kapitän der Finnair neben einem Piloten von Airbus.
Größenvergleich: Ein hinteres Fahrwerk des A350.

Zuerst wollten Airbus und Boeing komplett neue Nachfolger ihrer aktuellen Flieger bauen. Denn die Designs waren bei Boeing 50 und bei Airbus immerhin rund 30 Jahre alt. Doch den Kassenwarten der Konzerne war das zu riskant. Schließlich waren kurz zuvor Neuentwicklungen wie Boeings 787 Dreamliner und bei Airbus der Superjumbo A380 sowie die A350 bis zur Auslieferung mehrere Milliarden Euro teuer als geplant. Dazu versprach eine Neuentwicklung zwar hohe Kosten, aber kaum Einsparungen im Verbrauch. Denn die bei den Großraumjets genutzte Leichtbauweise drückt nur bei längeren Stecken spürbar den Verbrauch, nicht aber bei den kürzeren Routen, auf denen bislang die A320 und 737 unterwegs sind.

Kasse schonen durch Outsourcing

Also lautete die kühle Rechnung der Hersteller: Kasse schonen durch Outsourcing. Sie überließen den Triebwerksherstellern die Investitionen in die gut 15 Prozent sparsamere Motoren und steckten selbst nur gut eine Milliarde Euro in ein paar Änderungen im Design.

Doch die Kalkulation der Airline-Kunden geht heute nicht mehr auf. Zwar sparen MAX und Neo immer noch 15 Prozent der Spritkosten. Doch das senkt die Kosten aufgrund der niedrigeren Kerosin-Preise nur noch um drei Prozent. Vor allem für Billigflieger ist das zu wenig, um die etablierten Konkurrenten mit ihren betagten Jets zu unterbieten. 

Kampf der Billigflieger

Das bringt den Airline-Managern Probleme. Denn weltweit haben vor allem die Flugdiscounter fast 8000 der neuen Jets bestellt. Allein in Europa sind es gut 1200 Flugzeugen. Das ist ohne den erhofften Kostenvorteil deutlich mehr als der Markt vertragen kann. Also überlegen besonders die Chefs der großen Billigflieger wie Easyjet, Norwegian oder Ryanair, wie sie ihre Jets anderweitig einsetzen können, ohne sich mit allzu viel Konkurrenz untereinander das Leben schwer zu machen.

Die wichtigste Idee sind neue und vor allem längere Strecken für Billigflieger. Dank des niedrigeren Verbrauchs können die neuen Jets nicht die heute betriebenen Strecken mit weniger Sprit fliegen, sondern auch mit der gleichen Spritmenge auch weiter fliegen. Mit Zusatztanks schaffen die Neulinge sogar bis zu 7000 Kilometer statt der gut 4000 Kilometer, die heute Easyjet und Ryanair etwa von Großbritannien nach Israel fliegen. „Damit eignen sich die Maschinen auch für Langstrecken“, so Luftfahrexperte Großbongardt.

Laut einer internen Präsentation von Airbus, kommen mit dem A320 von Europa aus auch Flüge in die USA, Äquatorial-Afrika oder in Richtung Indien in Frage.

Aufträge von Airbus und Boeing im Vergleich

Das sind keine Luftschlösser. Ryanair-Chef Michael O’Leary verspricht schon länger Langstreckenflüge zum Sparpreis. „Doch dazu fehlen uns bislang die Flugzeuge“, so O’Leary. Strecken von mehr als 5000 Kilometern konnten bislang nur Großraumflugzeuge für 250 Passagiere fliegen. Die sind teuer, weil die Maschinen mit bis zu 250 Millionen Dollar das Vierfache einer Mittelstreckenmaschine kosten und darüber hinaus eine eigene Wartungsabteilung brauchen. Dazu lassen sich die Großraumjets auf vielen Routen nur schwer füllen.

Mit Boeings 737MAX und dem A320Neo ist das einfacher. Die Maschinen haben in der Regel niedrige Betriebskosten, weil sie billiger zu haben sind und sie mit ihrem kleineren Durchmesser im Flug weniger Luftwiderstand und einen niedrigeren Spritverbrauch haben. Dazu sind sie mit ihren höchstens 200 Plätzen auch auf kleineren Routen zu füllen. Laut Branchenkennern rechnet Ryanair für den 737MAX bereits Routen aus Irland in die USA durch.

Aber auch auf den Kurzstrecken werden die neuen Jets von Airbus und Boeing für Veränderung sorgen. Denn die Hersteller bieten neue Einrichtungskonzepte mit dünneren Sitzpolstern, kleineren Toiletten und Küchen. Das erlaubt den Airlines deutlich mehr Sitze unterzubringen als bisher. So bietet Airbus eine Variante des A320, in den statt der  heute üblichen gut 170 Sessel bis zu 195 passen.

Boeings Quetsch-Version der 737-8MAX kommt sogar auf mehr als 200 Sitze. In die gestreckten Versionen passen sogar bis zu 230 Kunden. Die passenden ultradünnen Sitze für einen Abstand von 78 Zentimetern zum Vordersitz hat der französische Hersteller Zodiac im Angebot.

Dass dies bei der Mehrzahl der Kunden zunächst nicht gut ankommt, ist für Experten kein Hindernis für einen Erfolg. „Linien wie Ryanair oder Spirit Air in den USA mit Kampfpreisen und dem Prinzip ‚bucht es oder lasst es‘ finden immer mehr Kunden“, so Marktforscher Hamilton. Wenn sie  damit Erfolg haben, ziehen die anderen Linien nach.

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