A321neoLR Was Airbus‘ gepimpter Flieger auf der Langstrecke bewirken könnte

Der Airbus A321LR bei seinem Jungfernflug am 31. Januar 2018. Quelle: REUTERS

Airlines wollen auch auf weniger gefragten Transatlantikstrecken Direktflüge anbieten. Diese Lücke will Airbus mit einer gestreckten Version eines Mittelstrecken-Jets schließen – und neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

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Es war im letzten Jahrtausend – genauer am 11. März 1993 – als der A321-Prototyp namens MSN 364 seinen Jungfernflug über die Deutsche Bucht, Niedersachsen und Schleswig-Holstein absolvierte. Weniger als ein Jahr später, am 27. Januar 1994 wurde die erste A321 an die Lufthansa ausgeliefert. Seitdem steuern Tausende Piloten auf Kurz- und Mittelstrecken Modelle des Fliegers überall auf der Welt.

Ab Herbst 2018 wird eine modernisierte Version des Airbus-Vogels auch auf der Langstrecke unterwegs sein und damit den Flugmarkt zumindest aufrütteln. A321neoLR heißt das Flugzeug. „LR“ steht hierbei für „Long range“, also Langstrecke. Schon jetzt schreiben Experten dem Flieger einen großen Erfolg zu. „Der A321neoLR schließt eine Lücke“, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Denn mit rund 200 Sitzen und einer Reichweite von bis zu 7400 Kilometer bietet Airbus-Flieger Eigenschaften, die kein derzeit neu erhältliches Flugzeug hat: Der A321neoLR ist eine mittelgroße Maschine für verhältnismäßig wenig Passagiere mit einer Reichweite für transatlantische Ziele.

Dieses Segment war früher lange von der Boeing 757 besetzt. Die Maschine bot genau diese Kombination aus Kapazität und Reichweite – wird aber heute nicht mehr gebaut. 1982 konzipiert, endete die Produktion der 757 im Oktober 2004. „Obwohl das Konstruktionsjahr Anfang der Achtziger war, ist dieses Flugzeug heute bei den Airlines noch immer im Einsatz“, sagt Großbongardt. Der Grund: Es fehlt ein adäquater Nachfolger für das in die Jahre gekommene Flugzeug – laut dem Experten suchen die Airlines verzweifelt nach einem Flugzeug, das diese Rolle übernehmen kann. Das hat Airbus offenbar gesehen und mit der neuen Variante diese Lücke gefüllt. „Die Verkaufserfolge zeigen das auch bereits“, sagt der Luftfahrtexperte. Es ist deshalb auch wenig überraschend, dass Airbus bereits hundert Aufträge für A231neoLR-Maschinen hat. Zu den ersten Kunden sollen Airlines wie die portugiesische TAP, Norwegian, SAS, Aer Lingus, Jet Blue, Air Transat und Azores Airlines gehören. Auch die Lufthansa ist nicht gänzlich abgeneigt: „Es wurde noch keine Entscheidung getroffen“, ließ Lufthansa-Chef Carsten Spohr zuletzt noch offen.

Dabei dürfte der neue Flieger eher zu anderen Airlines passen als zur Lufthansa. Die Frankfurter setzen eher auf die Verbindungen zwischen wichtigen Knotenpunkten. „Die niedrigen Betriebskosten der A321neoLR werden noch mehr Direktverbindungen rentabel machen“, sagt Großbongardt. Dadurch dürfte der Einsatz der A321neoLR auf dem touristischen Flugmarkt ganz neue Verbindungen ermöglichen. „Die Condors, ThomasCooks und Tuiflys dieser Welt wollen ihre Passagiere möglichst nah am Heimatort einsammeln und möglichst nah am Urlaubsort absetzen. Für die ist das Airbus-Flugzeug ziemlich spannend.“ Wer demnächst für wenige hundert Euro direkt von Leipzig nach New York fliegen könnte, den würde es wohl freuen.

Kleinere und mittelgroße Flughäfen könnten damit auch für Langstreckenziele noch einmal interessanter werden. Das bestätigt einen Trend, den Airlines wie Norwegian bereits befeuern, indem sie zum Beispiel Verbindungen von Bergen nach Boston anbieten. „Direktflüge sind im Normalfall für die Airline günstiger“, sagt Großbongardt. Genau das macht das Airbus-Modell für die Fluggesellschaften interessant: Sie können damit an großen Drehkreuzen wie Frankfurt und Amsterdam einfach vorbeifliegen.

Der Vorteil für die Passagiere: Sie fliegen preiswerter. „Die A321neoLR dürfte gegenüber der Boeing 757 einen Kostenvorteil von bis zu 25 Prozent pro Sitzplatz haben“, schätzt Großbongardt. Davon dürften nicht nur die Airlines, sondern auch die Passagiere profitieren. Außerdem gibt es weniger bis keinen Stress mit Umstiegen und die Reisezeit vieler Verbindungen könnte sich dramatisch verkürzen.

A321neoLR zwingt Boeing zum Handeln

Beim Komfort müssen Passagiere auf längeren Strecken jedoch Abstriche machen. Der A321neo ist nun einmal kleiner und enger als der Riesenvogel A380. „Das ist kein Flugzeug mit dem man gerne einen Zehn-Stunden-Flug an die US-Westküste machen möchte“, sagt Großbongardt. „Deshalb hat der A321 bei sechs oder sieben Stunden auch seine Grenzen, auch wenn der eine weitere Reichweite schaffen würde.“ Auch wenn es auf den ersten Blick nach dem perfekten Angebot für Billig-Airlines aussieht – für die Sparte ist die Weiterentwicklung des A321neo gar nicht so interessant. Für die Billig-Anbieter ist der Flieger nämlich schlichtweg zu klein. „Damit sich Strecken in ihrem Geschäftsmodell rechnen, brauchen Billigfluggesellschaften größere Flugzeuge wie etwa die Boeing Dreamliner oder den A330 mit Plätzen für 240 bis 280 Passagiere“, meint Luftfahrtexperte Großbongardt.

Effektiv könnte die Einführung der A321neoLR aber trotzdem ein großes Einsparpotenzial für die Fluggesellschaften und Vergünstigungen für die Passagiere bedeuten und auch für Airbus zu einem echten Glücksgriff werden: Die Investitionskosten für das A321neo-Update dürften sich nämlich in Grenzen halten. Denn viel verändern musste Airbus nicht, um den A321neo langstreckentauglich zu machen: In der Mitte des Flugzeugs wurde der Rumpf etwas verändert und das Flugzeug erhielt drei zusätzliche Tanks in der Mitte. Zwar schrumpft dadurch die Frachtkapazität, erhöht aber eben die Reichweite.

Schlägt die A321neoLR so ein, wie von Experten erwartet und Airbus erhofft, muss Konkurrenz Boeing nun schnell handeln. Heute sind große 757-Flotten bei US-Airlines transkontinental im Einsatz. Auch in Südostasien decken sie einen Teil des Markts und auf dem europäischen Flugmarkt sind sie erste Wahl im Touristik-Markt. Die alten Maschinen müssen bald ersetzt werden und da dürfte der neue, kostensparende Airbus-Flieger ab dem nächsten Jahr einige Strecken übernehmen. Das zwingt Boeing nun zum Handeln. Die Amerikaner deuteten auch bereits an, dass sie etwas Vergleichbares in Arbeit haben. „Es ist damit zu rechnen, dass Boeing sein Gegenprogramm schon im Sommer zur Farnborough Airshow startet“, sagt Großbongardt. „Das wird eine Flugzeugfamilie sein, die den Bereich zwischen 200 und 250 Sitzen mit einer Reichweite bis neun- oder zehntausend Kilometer abdeckt.“ Das ewige Duell von Airbus und Boeing geht also in die nächste Runde.

Mit Material von dpa

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