
Aki Kaurismäki liebt Figuren, die das Gefühl haben, sich im falschen Film zu befinden. Kein Wunder, dass sie in den Videotheken von Amazon und Netflix nichts verloren haben. Der Mainstream ignoriert das Werk des finnischen Regisseurs, er interessiert sich nicht für das Phlegma seiner Loser, für den Stoizismus und proletarischen Charme seiner Antihelden.
Wenn aber in wenigen Tagen der US-Präsident Francis Underwood seinen Auftritt in der fünften Staffel der Erfolgsserie „House of Cards“ hat, dann rollen ihm die Platzhirsche im Streaming-Business den roten Teppich aus. Die beiden Onlinevideotheken aus den USA geben der globalen Medienbranche die Richtung vor – und sortieren gnadenlos aus, was nicht breitenwirksam ist.
Technisch gesehen könnten Amazon und Netflix alle Filme der Welt anbieten, doch ausgerechnet die Cineasten gucken bei den Riesen in die Röhre: Die meisten der mit Palmen und Bären dekorierten Filme fehlen dort, auch viele Klassiker des internationalen Kinos von François Truffaut bis Ingmar Bergman sucht man im Angebot der beiden Marktführer vergeblich.
Nischenanbieter versuchen die Arthouse-Lücke zu schließen. Der älteste unter den kleinen Streaming-Diensten, 2008 im Silicon Valley unter der sperrigen Bezeichnung The Auteurs gegründet, sitzt inzwischen in London: Mubi stellt jeden Tag einen Independent-Film aus aller Welt ins Netz, der nach einem Monat wieder aus dem Angebot verschwindet. Ungefähr 30 Filme stehen auf diese Weise „laufend“ zur Verfügung. Das Modell, sich auf wenige Filme zu beschränken, ist derzeit einmalig und adressiert den Kenner: Mubi bietet neben vielen Hintergrundinformationen auch Interviews und Essays zu den jeweiligen Filmen an.
Aus Deutschland kommt realeyz, der für 5,50 Euro im Monat mehr als 1900 Filme mit Schwerpunkt europäisches Arthouse bereitstellt. Das Unternehmen ist von Anfang an mit Fördergeldern der EU unterstützt worden; realeyz erwirtschaftet einen Teil seines Umsatzes mit dem Verkauf von Dienstleistungen auf dem Gebiet des Videovertriebs. Das Unternehmen mit zehn Mitarbeitern, seit 2009 am Markt, will Ende des Jahres den Break-even erreichen.
Eine der größten Herausforderungen für die Independant-Streamer: Sie müssen gegenüber Netflix und Amazon ihren Mehrwert markieren. Auch die beiden Riesen schenken sich dabei nichts: Weil dieselben eingekauften Filme von beiden Diensten gleichzeitig angeboten werden, sind Netflix und Amazon vor einiger Zeit dazu übergegangen, Filme und Serien wie etwa „Orange is the New Black“ selbst zu produzieren. Ein kostspieliges Unterfangen, das sich Netflix allein in diesem Jahr mehr als fünf Milliarden Dollar kosten lässt. Die Investition in das eigene Programm, so das Kalkül, macht sich bezahlt, weil das Sonder-Angebot Kunden an die Plattform bindet.
Bücher, TV, Streaming? Diese Medien finden die Deutschen unverzichtbar
Nur wenige Erwachsene in Deutschland können sich ein Leben ohne Bücher oder Fernsehen vorstellen. Das ergab eine repräsentative Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur aus dem Januar 2016. Andere Unterhaltungsmedien hielten die Befragten dagegen eher für entbehrlich.
Nur eine Minderheit von 13 Prozent der Befragten findet gedruckte Bücher verzichtbar. Elektronische Bücher (zum Beispiel Kindle oder Tolino) halten 41 Prozent für verzichtbar.
14 Prozent der Befragten können sich ein Leben ohne das klassische Fernsehen vorstellen.
Schon wesentlich mehr können sich vorstellen, auf Musik-CDs zu verzichten: Rund ein Fünftel (21 Prozent) der Befragten fand CDs verzichtbar. Hörbücher auf physischen Tonträgern wie CDs spielen für 46 Prozent keine allzu wichtige Rolle.
Ein Leben ohne Kinobesuche ist für 23 Prozent vorstellbar.
Auf Spielfilme oder Serien von DVD würden 24 Prozent der Befragten verzichten.
Weniger wichtig finden die Erwachsene laut der YouGov-Umfrage Online-Videotheken. 38 Prozent könnten ohne das Streaming von Serien und Filmen (etwa via Netflix, Amazon, Maxdome, Watchever) leben, 40 Prozent ohne Musik-Streaming (zum Beispiel via Spotify oder Apple).
Eindeutig ist die Tendenz, wenn man nach den Altersgruppen schaut: So finden bei den 18- bis 24-Jährigen immerhin 21 Prozent das Fernsehen verzichtbar, bei den Menschen über 55 sind es dagegen nur 10 Prozent.
Film-Streaming finden dagegen die Leute ab 55 kaum relevant: 50 Prozent können darauf verzichten, wie sie angaben. Bei den Jüngeren (zwischen 18 und 24 Jahren) sind es dagegen nur 27 Prozent, die es missen könnten. In der Altersgruppe 25 bis 34 Jahre sind es sogar nur 24 Prozent
Anbieter wie realeyz können sich solche Wagnisse nicht leisten; sie sind weiterhin darauf angewiesen, Lizenzen von Filmproduzenten zu erwerben, und setzen daher auf Profilschärfung: „Wir können dem Nutzer sagen, was immer er bei uns entdeckt, wird eine bestimmte Handschrift haben“, sagt realeyz-Chef Andreas Wildfang: „Wenn er diese Handschrift generell okay findet, dann ist er bei uns richtig.“