Accor-Hotels Die Lifestylewette des Investmentbankers

Accor, hier Chef Sébastien Bazin, will den US-Markt mit Luxus und Lifestyle erobern. Quelle: imago images

Europas größter Hotelkonzern Accor will sein Angebot in den USA verdoppeln. Weil ein Versuch mit klassischen Kettenhotels scheiterte, setzt Konzernchef Bazin nun auf Luxus und Individualität.

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Wer Sébastien Bazin trifft, hält ihn kaum für einen Hotelier. Während die Verantwortlichen in der Übernachtungsbranche oft als adrette Manager im feinen Zwirn und glattrasiert auftreten, erinnert der Chef von Europas größter Hotelkette Accor mit seinen Bartstoppeln und einem etwas übernächtigten Blick eher an einen IT-Unternehmer. Kein Wunder: Der 59-Jährige ist im Grunde kein gelernter Hotelier, sondern war Investmentbanker und führender Manager von Start-ups und Immobilieninvestoren, bevor er 2013 seinen Chefposten in Paris antrat.

Wohl deshalb startet Bazin die jüngste Expansion seines Unternehmens branchenuntypisch: Accor will sein Angebot in den USA bis 2025 verdoppeln und setzt dabei auf riskante Felder wie Luxus- und Lifestylemarken wie Hoxton oder Mama Shelter. „Allein bei The Hoxton sehen wir Raum für bis zu 100 Häuser“, erklärte Bazin passenderweise gerade bei einem Abendessen in einem Londoner Haus der britischen Marke. Dazu kommen Hotels anderer Marken aus dem Bereich. Bislang hat die Gruppe in den USA erst fünf dieser Betriebe mit individuellem Design und ungewöhnlichen Restaurants sowie gut 100 Häuser anderer Marken wie 25hours oder Gleneagles.

Während die Ketten aus den USA und China den Markt unterm Strich dominierten, sieht Bazin in dem auf Design und Erlebnis fokussierten Bereich eine Art Alleinstellung bei Accor. „Luxus und vor allem Lifestyle können wir besser, denn wir haben das passende Konzept“, sagt Bazin mit Blick auf Marriott oder Hilton. „Lifestylehäuser brauchen einen großen Freiraum von der Zentrale, um sich schnell mit ihrer Community verändern zu können. Das passt nicht recht zu den großen US-Ketten mit ihren klaren Vorgaben.“

Sébastien Bazin ist CEO der Accor Gruppe und damit Herr über Marken wie Ibis, Novotel und 25hours. Er profitiert von Homeoffice an Urlaubsorten – und bleibt in Russland, weil er seine 60 Hotels nicht verschenken will.
von Rüdiger Kiani-Kreß

Damit leitet der ehemalige Investmentbanker eine erstaunliche Wende ein. Noch vor zwei Jahren hatte er erklärt, es sei „dort schlicht kein Platz.“ Denn den Markt beherrschen im Wesentlichen fünf Gruppen, allen voran Marriott, Hilton und Choice. Als sechster reinzugehen, lohne sich nicht, so Bazin einst: „Marriott und Hilton arbeiten überwiegend mit Franchisesystemen und sind bemerkenswerte Maschinen im Vertrieb, bei Kundenbindungsprogrammen und der Führung. Sie folgen einer Art Bibel voller Regeln.“ Die Inhaber der Hotels, die ihre Häuser unter den Marken etablierter US-Ketten, aber in eigener Verantwortung betreiben, können so mit stabilen Einnahmen rechnen. Dass das Neulingen wie Accor in den USA genauso gut gelingen würde, bezweifeln viele.

Die Herausforderungen des US-Markts erlebte Accor am eigenen Leib, als das Unternehmen mit der Übernahme der im Zwei-Sterne-Bereich angesiedelten US-Kette Motel 6 scheiterte. „Wir sind nach dem klassischen französischen Muster in die USA gegangen – hinfliegen mit der Concorde und zurück in der Holzklasse eines Touristenfliegers“, scherzte Bazin einmal. Dazwischen hatte die Gruppe insgesamt drei Milliarden Dollar für den Kauf und Renovierungen ausgegeben – und als die Verluste nicht aufhörten, alles für eine Milliarde an den Finanzinvestor Blackstone verkauft. „Für die Differenz von zwei Milliarden hätte man damals das ganze US-Geschäft von Hilton kaufen können“, sagt ein Branchenkenner.

Darum geht Bazin jetzt ganz anders vor. Statt auf Massengeschäft setzt er nun auf Dinge, die vor allem die großen US-Gesellschaften aus seiner Sicht nicht so recht können. Da ist zum einen Luxus, wofür er die eingeführte kanadische Luxuskette Fairmont gekauft hat, die gut Accors andere Fünf-Sterne-Ketten wie Raffles oder Sofitel ergänzt.

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Sein wichtigstes Feld für die US-Expansion ist jedoch Lifestyle, wo Accor in den vergangenen Jahren rund ein Dutzend Marken gekauft hat, unter anderem 25hours aus Deutschland. Diese Häuser funktionieren anders als klassische Ketten. „Sie bieten neben unseren hohen Qualitätsstandards ein authentisches Erlebnis, bei dem sich auch Geschäftsreisende als Teil der lokalen Szene fühlen können“, so Bazin. Die Häuser sind nicht nur Hotels, sondern dank ihrer ungewöhnlichen Bars und Restaurants Treffpunkte für die Menschen aus der Umgebung. „Darum machen die Lifestylemarken 60 Prozent ihres Umsatzes mit Gastronomie und 80 Prozent stammen von Gästen aus der jeweiligen Stadt.“

Und das können Hilton & Co nicht so recht, glaubt Bazin. Accor hingegen schon, weil die Gruppe einen Großteil ihrer Häuser selbst managt oder gar besitzt – und damit an der langen Leine führen kann. „Lifestylehäuser brauchen einen großen Freiraum von der Zentrale, um sich schnell mit ihrer Community verändern zu können. Das passt jedoch nicht so recht zu den großen US-Ketten mit ihren klaren Vorgaben.“

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Das sehen offenbar auch immer mehr der bislang skeptischen Investoren so. Zwar suchen die meisten Immobilienfinanziers die Sicherheit, wie sie die US-Gesellschaften bieten. „Aber für die haben wir ja auch Marken wie Ibis oder Pullman, besonders in Wachstumsmärkten wie Lateinamerika, Afrika oder Ostasien“, so Bazin. „Aber wer Wachstum im eher gesättigten US-Markt und ein modernes Produkt will, kommt zu uns.“ Darum seien auch inzwischen nur noch fünf Prozent der Aktionäre aus Frankreich. Stattdessen sind viele internationale Geldgeber an Bord wie Jinjiang aus China und staatliche Fonds aus Katar oder Saudi-Arabien. „Wir sind nicht nur bei unseren Häusern, sondern auch bei unseren Investoren eine Art Vereinte Nationen der Hotellerie“, so Bazin.

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