Adler Group Holt die Staatsanwälte rein!

Quelle: imago images

Erst fällten die Forensiker von KPMG ein vernichtendes Urteil über die Zustände bei der Adler Group. Dann testierten die Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss nicht. Die schwierige Lage der Immobiliengesellschaft soll auf schlechtes Management zurückzuführen sein. Straftaten gab es angeblich nicht. Das aber sollten sich dafür zuständige Behörden noch genau ansehen. Ein Kommentar.

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Die Unternehmensgeschichte der Adler Group war über Jahre hinweg fast zu schön, um wahr zu sein. 2012 wurde die bis dahin brach liegende Adler Real Estate AG mit Kapital ausgestattet, kaufte Wohnimmobilien ein und vermietete sie. Das Timing hätte kaum besser sein können – in Deutschland setzte gerade ein regelrechter Immobilienboom ein. Die Banken stellten großzügig Kredite zur Verfügung, die eingekauften Objekte wurden quasi von selbst jedes Jahr wertvoller und das Unternehmen wurde jedes Jahr größer. 2019 kam es dann zum ganz großen Coup. Die Adler Real Estate AG schloss sich mit der deutlich größeren Immobiliengesellschaft Ado Properties und dem Projektentwickler Consus zusammen und formte so die Adler Group, die heute zu den größten Vermietern der Republik zählt.

Nur wie so oft, wenn etwas eigentlich zu schön ist, um wahr zu sein, hatte auch diese Erfolgsgeschichte einen Haken.

Wie die WirtschaftsWoche bereits 2015 berichtete, mischte bei Adler von Beginn an eine bekannte Persönlichkeit aus dem Immobiliensektor mit: der österreichische Geschäftsmann Cevdet Caner. Er hatte einst die Gesellschaft Level One gegründet, die vollgepumpt mit Krediten und ohne nennenswertes Eigenkapital klammen Kommunen ihre Mietwohnungen abkaufte – bis ihn in der Finanzkrise die Banken stoppten. 2008 legte Caner die nach dem Fall Jürgen Schneider wohl zweitgrößte Immobilienpleite in Deutschland hin. Danach trat er lange Zeit nicht mehr offiziell am deutschen Immobilienmarkt auf.

Insidern und Kennern der Branche zufolge lenkte er jedoch die Geschicke bei Adler mit, auch wenn sein Name in keinem Organigramm und keinem Handelsregister auftauchte. Die Firma hatte dies lange bestritten beziehungsweise Caners Engagement klein geredet. 

Das allein wäre nicht weiter schlimm gewesen. Nur fiel auf, dass Adler ziemlich viele Geschäfte mit Personen aus Caners Dunstkreis abwickelte und über die Jahre türmten sich auch die Indizien, dass es bei den Unternehmen, die heute zur Adler Group gehören, zu hinterfragungswürdigen Geschäften kam.

Ziemlich viele merkwürdige Deals

So kaufte 2016 etwa eine spätere Tochter des Luxemburger Unternehmens Aggregate, die auch viel mit Caner zu tun hatte und später Großaktionär der Adler Group wurde, die Hälfte einer Immobiliengesellschaft namens CG Gruppe. Den Anschaffungspreis bezifferte die Tochter auf weniger als 49 Millionen Euro. Im Jahr darauf dann brachte die Aggregate diese Tochter in die Consus ein – gegen den atemberaubenden Preis von fast 800 Millionen Euro, zahlbar zu einem bedeutenden Teil in Consus-Aktien. Es sollte also zu einer gigantischen Wertsteigerung gekommen sein, die in dem Umfang aber kaum nachvollziehbar war.

Adler verkaufte auch einen Anteil an einem Immobilienprojekt in Düsseldorf an Caners Schwager – zu einem vermeintlich sehr hohen Kaufpreis, der dann aber so gar nicht geflossen ist. 

Adler kaufte auch Anleihen seines Großaktionärs – der Luxemburger Firma Aggregate – obwohl hier ein hohes Ausfallrisiko vorlag.

Und Consus verkaufte Bauprojekte an einen Fonds namens Partners Immobilien Capital Management, der den hierfür vorgesehenen Kaufpreis aber nicht zahlte, weshalb Consus lange hohe Forderungen mit sich schleppte. 

Obwohl das alles bekannt und auch anhand öffentlicher Informationen nachvollziehbar war, geschah lange nichts. Keine Behörde, kein Investor griff bei Adler ein oder forderte Aufklärung. 

Es musste erst zum großen Knall kommen, ausgelöst im Herbst durch den Londoner Spekulanten Fraser Perring. Er setzte auf einen Absturz der Adler-Aktie und veröffentlichte in dem Zusammenhang einen kritischen Bericht über die Zustände bei dem Unternehmen. Daraufhin fiel der Aktienkurs der Adler Group drastisch. Der seinerzeitige Großaktionär Aggregate, der seine Adler-Aktien beliehen hatte, bekam Stress mit den Banken. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia eilte zu Hilfe, übernahm letztlich rund 20 Prozent der Adler-Anteile und ist damit heute der größte Aktionär. Dadurch veränderten sich die Machtverhältnisse im Unternehmen. Mit dem ehemaligen Vonovia-Finanzvorstand Stefan Kirsten übernahm nun ein Manager mit gutem Leumund den Verwaltungsratsvorsitz. KPMG wurde damit beauftragt, Perrings Vorwürfen nachzugehen.

Die Forensiker bestätigten vieles von dem, was schon lange offensichtlich war. In ihrem Bericht schreiben sie etwa, dass es immer wieder zu Geschäften der Adler mit Personen und Firmen kam, die Caner nahe standen, „ohne dass der Auswahlprozess des Geschäftspartners“ für einen Dritten nachvollziehbar war. Caner habe auch mehrfach Strategiemeetings mit Organen der Adler Group anberaumt und unter anderem auf Personalentscheidungen oder die Vorbereitung von strategischen Entscheidungen Einfluss genommen.

von Melanie Bergermann, Volker ter Haseborg, Sascha Zastiral

Zu dem Teilverkauf des Düsseldorfer Grundstücks an Caners Schwager schreibt KPMG: „Der vereinbarte Kaufpreis lag rund 80 Prozent über dem intern kalkulierten Wert.” Vom Kaufpreis sei nur die erste Rate bezahlt worden. Eigenkapital habe der Käufer hierfür aber nicht eingesetzt. Vielmehr seien auf das Grundstück neue Schulden aufgenommen worden. Ein Gewinn für Adler war der Deal tatsächlich nicht. Er wurde rückabgewickelt.

Zum Ankauf der CG-Gruppe hielt KPMG fest, dass der Kaufpreis für die Anteile 60 Prozent über dem von einem Gutachter festgestellten Wert lag.

Bezüglich der an Partners Immobilien verkauften Grundstücke hielt KPMG fest, dass die Übereignung der Projektgesellschaften „ungeachtet der noch nicht vollständig gezahlten Kaufpreise“ erfolgte, wobei „keine Besicherung der Kaufpreiszahlungen vereinbart wurde.”

Um es zusammenzufassen: KPMG stieß auf ziemlich viele Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten.

Trotzdem soll all dies zunächst keine nennenswerten Konsequenzen haben. Stefan Kirsten, Vorsitzender des Verwaltungsrats, sagte zwar am Morgen, es sei seine Pflicht zu prüfen, ob es in der Vergangenheit zu Pflichtverletzungen kam. Gegebenenfalls kann Adler dann Schadensersatz von Ex-Vorständen fordern. Kirsten machte auch deutlich, dass unter Governance-Gesichtspunkten einiges bei Adler bedenklich gewesen sei. Aber: Hinweise auf strafrechtliche Vergehen hat es Kirsten zufolge nicht gegeben. KPMG habe keine „Smoking Gun“ gefunden.

Noch vieles ungeklärt

Dennoch sollte sich eine Staatsanwaltschaft des Falls annehmen. Bei Adler kam es immerhin  zu einer ganzen Reihe an hinterfragungswürdigen Geschäften und nicht nur zu einem einzelnen, etwas merkwürdigen Deal. Darüber hinaus ist der Schaden für die Aktionäre eklatant. Im vergangenen Jahr machte die Adler Group mehr als eine Milliarde Euro Verlust – verursacht vor allem durch Wertberichtigungen. Dass dieser Schaden allein auf strategische Fehlentscheidungen oder Dummheit zurückzuführen ist, ist möglich – aber doch nur schwer nachvollziehbar.

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Deshalb kann der Fall nicht einfach so zu den Akten gelegt werden. Es bedarf einer vollständigen, unabhängigen Aufklärung seitens einer Ermittlungsbehörde. Nach eigenen Angaben erhielten die KPMG-Prüfer viele Unterlagen nicht, die sie gebraucht hätten, um alle womöglich problematischen Vorfälle bei Adler vollständig nachzuvollziehen. Eine Staatsanwaltschaft kann diese Unterlagen anfordern oder sie sich im Zweifelsfall beschaffen. Aktuelle und ehemalige Mitarbeiter müssten mit den Behördenvertretern sprechen und wären als Zeugen auch verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Eine Behörde kann vieles leisten, was ein privater Forensiker nicht kann. Bei einem Skandal dieser Größenordnung ist das auch angebracht. Es dürfen am Ende keine Zweifel bleiben. Das ist nicht nur wichtig für die Gläubiger und Aktionäre von Adler. Das ist auch wichtig für den gesamten deutschen Kapitalmarkt.

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