Adyen-Chef Pieter van der Does Fall Wirecard: „Die gesamte Branche leidet unter den Spekulationen“

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„Aus Sicht des Händlers bin ich ein schlechter Kunde, wenn ich mit meinem Smartphone zahle“

Wäre es Ihnen lieber, börsennotierte Unternehmen müssten nur noch einmal im Jahr ihre Ergebnisse präsentieren?
Nein, Halbjahresberichte sind in Ordnung.

Junge Unternehmen fokussieren sich oft darauf, möglichst schnell viele Neukunden zu gewinnen. Sie wachsen mit Adyen fast ausschließlich mit bestehenden Kunden. Können Sie Ihre Strategie erklären?
Händler, die am stärksten von unserer Zahlungsplattform profitieren, sind solche, die entweder in mehreren Ländern aktiv sind, oder ihre Waren sowohl im Laden als auch online anbieten. Denen ist nicht bloß geholfen, wenn man für sie Kreditkartenzahlungen ihrer Kunden abwickelt. Sie haben meist viel anspruchsvollere Probleme, etwa Retouren der Kunden im Laden annehmen zu können, obwohl sie online bestellt haben. Uns kostet es nahezu nichts, solche zusätzlichen Transaktionen unserer Kunden auf der Plattform abzuwickeln. Also versuchen wir, mit ihnen zu wachsen und stetig mehr ihrer Transaktionen zu übernehmen. Das ist effizienter, als viel Geld in Marketing und Vertrieb zu stecken, um neue Kunden zu gewinnen.

Unter Ihren Kunden sind auch internationale Handelsketten wie H&M. Die haben mit sinkender Nachfrage zu kämpfen, sowohl online als auch in den Filialen. Wie wirkt sich das auf Adyen aus?
Saisonale Trends betreffen uns eigentlich nicht. Wir arbeiten mit unseren Kunden an spezifischen Projekten oder Produktlinien zusammen. Wir verbuchen also mehr Transaktionen von ihnen, auch wenn ihr eigener Absatz schwächeln sollte. Unser Wachstum korrespondiert üblicherweise nicht mit dem der anderen Branchen. Außerdem: Im Handel besteht ungebrochene Nachfrage, das Ladengeschäft mit dem Onlinegeschäft zu verknüpfen.

Ist dieser Prozess nicht längst abgeschlossen?
Vor ein paar Wochen wollte ich hier in den Niederlanden etwas im Laden kaufen. Ich hatte vorher schon im zugehörigen Onlineshop nachgeschaut, da war das Produkt vorrätig. Im Laden konnten sie mir aber bei meiner Bestellung nicht helfen. Ich war gewillt etwas zu kaufen - und wurde weggeschickt. Das ist doch verrückt. Was ich damit sagen will: Die Unternehmen, mit denen wir arbeiten, sind unterschiedlich weit, was die Verschmelzung von Online- und Offline-Geschäft angeht. Einige sind extrem weit, andere fangen gerade erst an.

Zahlen die Kunden anders, wenn Händler die beiden Welten so verschmelzen?
Im Onlinehandel nutzen sie fast ausschließlich ihr Smartphone für Bestellungen. Zahlungen im Internetbrowser gehen immer weiter zurück. Was das Zahlungsmittel angeht, macht es aber kaum einen Unterschied, schließlich liegen auch auf dem Smartphone immer noch Zahlkarten im Hintergrund, also Kreditkarten oder EC-Karten. Unabhängig davon, ob Kunden Apple Pay oder Google Pay nutzen.

Adyen betreut Kunden weltweit. Sehen Sie besondere Bezahl-Trends in Europa?
Es gibt immer mehr Touristen aus China, die in Europa mit den heimischen Apps Alipay oder WeChat Pay bezahlen wollen. Das ist nicht nur ein cooles Feature, von unseren Händlern sehen wir eine große Nachfrage, diese Zahlmethoden für sie zu integrieren. Außerdem starten jetzt auch in Europa erste kassenlose Bezahlsysteme in den Läden.

Wie der Amazon Go-Supermarkt in den USA, wo Kunden Waren automatisch über Ihre App bezahlen, wenn sie sie aus dem Regal nehmen?
Genau. Hier in den Niederlanden arbeiten wir an einem ähnlichen Pilotprojekt mit der Supermarktkette Albert Heijn.

Welche Rolle spielen biometrische Zahlung, also etwa das Bezahlen mit Gesichtserkennung oder einem Fingerabdruck?
Sie müssen den Zahlprozess für Kunden und Händler einfacher machen, und so weit sind wir mit diesen biometrischen Zahlmethoden noch nicht.  

Und kontaktlose Zahlungen, also mit einem NFC-Chip?
Ich persönliche zahle nur noch mit meinem Smartphone, in dem ja so ein NFC-Chip sitzt. Ich habe gar kein Portemonnaie mehr bei mir. Für mich ist das ein Mehrwert, eine echte Innovation gegenüber kontaktloser Kartenzahlung, die ja auch mit dem NFC-Chip funktioniert. Aber aus Sicht des Händlers bin ich ein schlechter Kunde, wenn ich mit meinem Smartphone zahle.

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