Air Berlin Das wird die schlimmste Bilanz ihrer Geschichte

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1. Ungewohnte Ehrlichkeit der Buchhalter

Auch wenn sich Winkelmanns Vorgänger bei ihren Bilanzpräsentationen stets zerknirscht für die Verluste entschuldigten, brutal ehrlich waren sie beim Rechnen offenbar nicht immer.

Damit das ohnehin lädierte Eigenkapital nicht noch weiter absackt, wurden dem Vernehmen nach unter anderem sogar eher wertlose Dinge wie Landerechte an Flughäfen mit einem Wert angesetzt. Der Trick: Wie bei Markenrechten weist die Linie einigen ihrer Slots genannten Startzeiten einen Wert von einigen tausend Euro zu. Denn an vielen Flughäfen sind diese Startzeiten knapp und werden zu hohen Preisen an andere Linien weitergegeben.

Doch das klappt nur selten. Denn die Startzeiten gehören im Prinzip den Fluglinien nur so lange, wie sie zumindest an rund 80 Prozent der Tage auch genutzt werden. Wirklich zu Geld machen lassen sie sich nur an wenigen besonders vollen Flughäfen wie London-Heathrow. Hier zahlte die staatliche Oman Air voriges Jahr umgerechnet 75 Millionen Euro an Air France-KLM für ein bei asiatischen Linien besonders gesuchtes Zeitfenster am frühen Morgen.

Dazu kommen auch einige buchhalterische Altlasten aus den vielen Übernahmen anderer Fluglinien. So stehen laut Insidern bestimmte Besitztümer der vor rund zehn Jahren übernommenen LTU in Düsseldorf mit einem Wert in der Bilanz, den - vorsichtig ausgedrückt - kein anderes Unternehmen dafür bezahlen würde. 

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Mit diesen bilanziellen Luftschlössern will Winkelmann jetzt Schluss machen. „Die Finanzer sind angehalten, jetzt endlich mal alles aus dem Keller zu holen, was irgendwie stinkt“, so ein Kenner. Hinter dem überfälligen Schritt steckt nicht nur Winkelmanns Ehrlichkeit oder die in Chefetagen übliche Praxis, möglichst viele Belastungen dem Vorgänger anhängen zu wollen.

„Air Berlin braucht dringend neue langfristige Partner und Investoren“, erklärt ein hochrangiger Manager hinter vorgehaltener Hand. „Wenn wir denen dauernd bereits lange absehbare Überraschungen vorsetzen, sind sie schnell wieder von Bord.“

2. Sanierung ist teurer als Nichtstun

Winkelmanns Vorgänger - von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn bis zu Stefan Pichler als ehemaligem Chef des arabischen Billigfliegers Jazeera Airways - haben immer große Sanierungen angekündigt. Dass trotzdem am Ende relativ wenig passiert ist, liegt nicht allein am fehlenden Willen. Die nötigen Umbauten und Entlassungen sind gerade bei Traditionsunternehmen wie Air Berlin oft so teuer, dass die sich die Ausgaben in Anbetracht der ohnehin schlechten Zahlen nicht leisten können. „Die Führung wusste angesichts des ohnehin dramatischen Minus im Fluggeschäft nicht so recht, woher sie die für eine richtige Neuausrichtung nötigen bis zu 100 Millionen Euro nehmen sollte“, so ein Insider.

Die größten Fluggesellschaften Europas

Das hat der Ende des Jahres ausgeschiedene Altchef Pichler geändert und gerade im letzten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres viele Neuerungen gestartet, weil weiterer Stillstand das Unternehmen gefährdet hätte. Dazu zählte Flugzeuge möglichst früh an Leasinggesellschaften zurückzugeben und gut 1000 nicht mehr benötigte Mitarbeiter zu entlassen. Dazu dürfte sein Nachfolger Winkelmann auch möglichst viele Kosten der von ihm in diesem Jahr angestoßenen Veränderungen wie den Umbau des Managements noch im alten Jahr verbuchen lassen.

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