Air Berlin Das wird die schlimmste Bilanz ihrer Geschichte

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3. Viele verzögerte Verbesserungen

Sicher machte Ex-Chef Pichler in seiner Zeit einige gravierende Fehler. Hierzu zählen viele den Versuch, neue Strecken ohne Rückendeckung seiner Allianzpartner im Verbund Oneworld aufzulegen. Bestes Beispiel ist die geplante Strecke nach Dallas im US-Bundesstaat Texas, die aus Sicht von American Airlines ihre Flüge aus Frankfurt schwächte. Und so arbeiteten die Amerikaner beim Ticketverkauf in den USA teilweise offen gegen Air Berlin. Darum sind dem Vernehmen nach die Ticketpreise auch bei den anderen neuen US-Strecken niedriger als geplant.

Doch zu Pichlers Plan gehörten zwar eher bescheidene aber dennoch sinnvolle Veränderungen. Er wollte das Unternehmen aufspalten und eine modernere Arbeitsweise einführen. Kern war es, die Ticketpreise für die fast 4000 Flüge pro Woche automatisch von Algorithmen steuern zu lassen - statt quasi per Hand, wie es andere Linien spätestens zur Jahrtausendwende aufgegeben haben. Doch das neue System startete verzögert, weil sich der Air-Berlin-Vertrieb mit der komplexen Technik schwertat. Außerdem wurden zu viele schnell verkäufliche Tickets angeboten - um die Finanzlöcher zu stopfen.

Etwas Pech war bei der Dreiteilung von Air Berlin im Spiel. Ein Teil von Air Berlin sollte an Lufthansa gehen und ein anderer an die Mutter Etihad, die ihn als Ferienflieger Niki mit Hilfe des Reiseriesen Tui an den Start bringen wollte. Hier zögerte Etihad laut Insidern lange mit der Zustimmung, so dass die Dreiteilung erst im März startete statt im Herbst. Darum musste Air Berlin seine Flieger länger als erhofft auf verlustbringenden Strecken einsetzen.

Gefährliche Aussichten für 2017

Die Vergangenheit wird Air-Berlin-Boss Winkelmann weiter verfolgen - zumindest bei seiner Bilanz für das erste Quartal des aktuellen Jahres. Denn auch wenn Winkelmann bei der Pressekonferenz am Freitag einen neuen Rettungsplan mit deutlichen Kostensenkungen vorstellen wird. Die Fehler der vergangenen Monate werden die Zahlen noch eine Weile verderben.

Die Erfahrung der vergangenen Wochen zeigt, Pichler sind bei seiner Umstrukturierung deutliche Patzer unterlaufen. Der hohe Zeit- und der Verbesserungsdruck haben ihren Tribut gefordert. Nach dem schnellen Hin- und Her-Schieben der Jets zwischen Air Berlin, Niki und der Schweizer Tochter Belair fehlten auf einmal reihenweise Flugzeuge aller Größen und mussten teuer angemietet werden. Dazu rächt sich der offenbar schlecht vorbereitete Wechsel des Abfertigungsunternehmens am Flughafen Berlin-Tegel. Weil der neue Dienstleister zu wenig Personal hatte, musste Winkelmann viele seiner neuen US-Flüge absagen, was für deutliche Einnahme–Ausfälle und Entschädigungszahlungen sorgte.

Und auch im zweiten und dritten Quartal wird es schwierig bleiben. Nicht nur dass die Linie wegen der verspäteten Automatisierung des Ticketverkaufs nach wie vor viele Flüge billiger als nötig verkauft. Weil Air Berlin seine Jets jetzt frühestens im Herbst an Niki abgeben kann, zahlt die Linie in diesem Jahr wohl gut zehn Millionen Euro extra. Und das kann die Linie nicht brauchen. Denn spätestens im August zum Ende der Urlaubssaison wird es finanziell wieder extrem eng, wissen Unternehmenskenner.

Doch das macht Winkelmann erst mal nicht bang. „Er hat nicht nur einen überlegten Plan zur Rettung“, so ein Insider, „sondern anders als seine Vorgänger auch eine Finanzierung und die Zusage seiner Partner von Etihad und Lufthansa, dass er ihn umsetzen darf.“

Der Satz wäre beruhigender, wenn er in abgeschwächter Form nicht auch über seine Vorgänger gesagt worden wäre.

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