Sie versteigern die letzten Güter von insolventen Unternehmen. Wie reagieren denn die Mitarbeiter der betroffenen Firmen?
Als wir einmal Maschinen und Ausstattungen einer großen Maschinenfabrik versteigern wollten, haben Mitarbeiter versucht, den Zugang zum Betriebsgelände zu versperren.
Können Sie diese Menschen verstehen?
Die Menschen waren lange bei diesem Unternehmen angestellt. Sie hofften somit die Schließung verhindern zu können und ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Ist eine Auktion abgeschlossen, ist das Unternehmen tot. Das hat die Menschen unendlich frustriert. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Bieten ehemalige Mitarbeiter bei Auktionen insolventer Unternehmen mit?
Ja, beispielsweise bei der Versteigerung von einem Flugzeug-Prototypen des insolventen Flugzeugherstellers Fairchild Dornier. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens hat den vollständigen Flugzeugrumpf gekauft. Er sagte, er werde dieses Flugzeug mit anderen ehemaligen Kollegen fertig stellen und zum Fliegen bringen.
Was war das Skurrilste, das Sie in Ihrer Laufbahn versteigert haben?
Eine riesige Kuhherde, die während der Sicherstellung auch vor Ort versorgt werden musste. Sehr überrascht hat mich auch der Verkauf eines besonders maroden Krabbenkutters. Der sah aus, als würde er gleich auseinanderfallen und absaufen. Doch der wurde für viel Geld versteigert, weil der Kutter noch Fangrechte hatte. Die werden nämlich zusammen mit dem Boot vergeben.
Ihr Tipp, um möglichst günstig den Zuschlag zu bekommen?
Bei Air Berlin muss man tapfer sein und mitbieten. Bei der Menge der Gebote nützt keine Strategie. Bei anderen Auktionen setzen viele darauf, möglichst lange abzuwarten. Doch letzten Endes gibt es keinen Master-Plan. Man muss sich der Bieter-Konkurrenz stellen.